Die Vereinigung bildender Künstler Wiener Secession wurde 1898 gegründet. Noch heute finden im Secessionsgebäude am Wiener Naschmarkt Ausstellungen zeitgenössischer Kunst statt.

„Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit“ – in golden schimmernden Lettern prangt der Wahlspruch der Wiener Secession auf der Fassade des 1898 errichteten Ausstellungsbaus der Künstlervereinigung. 1897 gründete eine Gruppe Wiener Künstler um Gustav Klimt die Secession, um sich von der konservativen Künstlerhaus-Genossenschaft abzugrenzen. Zu den Gründungsmitgliedern zählten auch die Künstler Koloman Moser (1868-1918) und Carl Moll (1861-1945) sowie die Architekten Josef Hoffmann (1870-1956) und Joseph Maria Olbrich (1867-1908). Das markante, von einer vergoldeten Blätterwerk-Kuppel gekrönte Secessionsgebäude gestaltete Olbrich.

Der Bau liegt im 1. Bezirk, in direkter Nachbarschaft zum Naschmarkt und in der Nähe der Akademie der bildenden Künste. Die Wiener waren zuerst skeptisch. Sie sagten, dass Secessionsgebäude sei „eine Kreuzung zwischen einem Hochofen und einem Glashaus“, andere sprachen von einem „assyrischen Anstandsort“. Schließlich einigte man sich auf die Bezeichnung „Goldenes Krauthappel“ (Kohlkopf). Joseph Maria Olbrich verließ Wien und ging an die 1899 gegründete Darmstädter Künstlerkolonie. Olbrichs 1908 vollendeter Hochzeitsturm ist bis heute ein Wahrzeichen der südhessischen Stadt.

Empfindsamkeit für Linie und Flächenstilisierung

In den 1890er Jahren entstanden in vielen europäischen Metropolen Künstlervereinigungen, die mit dem Althergebrachten brechen wollten – in München und Berlin, Paris und London. Die Wiener Secessionisten nahmen sich vor, den Blick über die Landesgrenzen hinaus zu wagen. Sie wollten Ausstellungen internationaler zeitgenössischer Kunst präsentieren und die Wiener und österreichische Kunst wieder anschlussfähig machen. Zugleich etablierten die Secessionisten eine neue Empfindsamkeit für Linie und Flächenstilisierung, sie schätzten die Kalligrafie und das Ornament. In dieser Gemengelage konnte sich der Wiener Farbholzschnitt entwickeln.

Joseph Maria Olbrich, Plakat für die zweite Ausstellung der Wiener Secession (Detail), 1898. Hessisches Landesmuseum, Darmstadt, Image via wsimag.com

Von November 1899 bis Januar 1900 fand im Secessionsgebäude die fünfte Ausstellung der Künstlervereinigung statt. Darin wurden ausschließlich Arbeiten auf Papier, auch Farbholzschnitte, gezeigt. Das war zu dieser Zeit etwas Neues. Der Ausstellungskatalog preist den Holzschnitt als „unmittelbar[en] und einzig gewollte[n] Ausdruck einer künstlerischen Absicht“ – eine deutliche Aufwertung der Druckgrafik. Zu Beginn des Jahres 1900 folgte die sechste Ausstellung, die sich auf altjapanische Kunst konzentrierte und die „Japonismus“-Mode nach Wien brachte. Man begann, die Bildwelt „zu vereinfachen und auf das durchaus Wesentliche zurückzuführen“. Diese Entwicklung ging auch am Farbholzschnitt nicht vorbei.

Die „Beethoven-Ausstellung“

Zur wohl bedeutendsten und meistbesuchten Ausstellung der Wiener Secession wurde 1902 die vierzehnte, sogenannte „Beethoven-Ausstellung“. Im Zentrum der Schau stand Max Klingers erstmals präsentierte Beethoven-Skulptur, die sich heute im Museum der bildenden Künste Leipzig befindet. Eigens für die Ausstellung malte Gustav Klimt zudem den berühmten, 34 Meter langen Beethovenfries, der den Auftakt seiner „Goldenen Periode“ markierte. Der Farbholzschnitt kam in der Ausstellung selbst nicht vor. Er spielte aber in dem etwa hundertseitigen Ausstellungskatalog eine zentrale Rolle. Der kleine, quadratische Band ist mit 16 Originalholzschnitten von Secessionsmitgliedern ausgestattet. „In dieser epochalen Ausstellung […] wurde der moderne Wiener Holzschnitt geboren“, sagt die langjährige Albertina-Kuratorin Marian Bisanz-Prakken.

Linker Seitensaal der XIV. Ausstellung 1902 mit dem "Beethovenfries" von Gustav Klimt, imaga via secession.at

Gustav Klimt, "Beethovenfries", Detail: Typhoeus, daneben Wollust, Unkeuschheit und Unmäßigkeit, Image via secession.at

Im Frühjahr 1904 fand die XX. Secessionsausstellung statt. Das Thema der Schau war die Darstellung des nackten Menschen in der zeitgenössischen Kunst. Erstmals wurde der Wiener Farbholzschnitt in einem eigenen Raum präsentiert. Es war eine denkbar heterogene Zusammenstellung, was Stiel und der ausstellenden Künstler betrifft: Leopold Blauensteiner (1880–1947), Hugo Henneberg (1863–1918), Maximilian Kurzweil (1867–1916), Carl Moll (1861–1945), Emil Orlik, Carl Anton Reichel (1874–1944) und Leopold Stolba (1863–1929). Ihre Arbeiten, wie zum Beispiel Hennebergs nächtliche Stadtszenerien und Reichels weibliche Aktstudien, sowie viele weitere Positionen des Wiener Farbholzschnitts um 1900 sind derzeit in der Ausstellung „Kunst für Alle“ in der Schirn zu sehen. Zur Verbreitung und Entwicklung des Farbholzschnitts trug zudem die von der Secession zwischen 1898 und 1903 herausgegebene Zeitschrift „Ver Sacrum“ (Heiliger Frühling) bei.

Karl Anton Reichel, Weibliche Aktstudie, 1909, Albertina, Wien, © Albertina, Wien

Die Wiener Secession besteht noch heute – als demokratisch geführte „Vereinigung bildender KünstlerInnen“. Olbrichs Gebäude ist zu einem Touristenmagnet geworden. Nach einer Wanderung, die 1907 begann, kam der Beethovenfries 1986 in die Secession zurück, wo er auch gegenwärtig zu sehen ist. Im Secessionsgebäude finden jährlich 10 bis 15 Ausstellungen statt. Die Secession möchte, wie eigentlich schon zu Klimts Zeiten, „aktuell relevante Entwicklungen der internationalen und österreichischen Kunst“ präsentieren und schätzt „die Bereitschaft zum Experiment“.

Hugo Henneberg, Der Blaue Weiher, um 1904, Privatbesitz (Courtesy Natter Fine Arts Wien)