Natascha Pflaumbaum hat für ULAY. LIFE-SIZED einen Film über den Künstler gedreht. Ihre Frage war: sind Performance-Künstler eigentlich Full-Time-Performer von Berufs wegen?

Ich soll ihn anrufen. Am Morgen schon bin ich in Ljubljana gelandet, jetzt ist es halb drei, und ich rufe ihn an. Bin bisschen aufgeregt, weil ich denke, es könnte der falsche Zeitpunkt sein. Wir machen aus, dass wir uns um 16.00 Uhr im „Cacao“ treffen, einem Eiscafé am Fluss, das so viele Eissorten hat, dass ich mir vornehme, an diesem Wochenende nur von Eis zu leben.

Um vier dann trinke ich aber doch lieber einen Espresso. Ulay dutzt mich sofort, und ich denke: und was sag’ ich jetzt? Ulay? Oder Uwe? Redet man Künstler mit ihrem Künstlernamen an? Ich hatte das Problem auch schon bei „rosalie“. Schlimmer noch sind „normale Namen“: Die verschmelzen dann zu „sentaberger“ oder „placidodomingo“, obwohl: „Hallo, Frau Berger“ geht ja noch, aber: „Guten Tag, Herr Domingo!“ habe ich mich nie getraut zu sagen.

Der Alltag als Show

Ich vermeide es also, Ulay anzusprechen. Ich sag’ einfach auch „Du“. Und es klappt. Ich wollte Ulay unbedingt treffen, weil ich vor 6 Jahren seine Ex Marina Abramovic getroffen habe, bei einem Fotoshooting in New York mit Schlangen und Zwangsjacke, und das war eine einzige große Show. Ziehen Performance-Künstler im Alltag also generell Shows ab? So wie seinerzeit Yoko Ono, als sie ihre große Ausstellung in der SCHIRN hatte. Da kam ihr Assistent mit sechs Hüten zum Interview, diesen charakteristischen Melonen, die sie immer so schief aufsetzt, und ich dachte mir: warum sechs? Sie kann doch immer nur einen tragen.

Ulay ist ganz normal: coole Slacks, Desert-Boots, Daunensweater, lange Haare und Turtle-Vintage-Sonnenbrille. Wir machen einen Plan, einen Drehplan für den kleinen Film, der einen normalen Tag zeigen soll. Die Tatsache, dass wir den Tag planen, zeigt schon, dass das alles gar nicht so normal wird. Ich soll am nächsten Morgen um halb neun zu ihm kommen, dann macht er sich Frühstück, das dauert wohl recht lange, dann kucken wir zum Markt rüber, er lässt sich noch mal den Bart schneiden, und gegen Mittag fahren wir in ein Dorf. Essen. Mir reicht das schon als Plan – alles andere ergibt sich dann schon, denke ich.

Er meint das ernst

Die Frühstücksnummer verblüfft mich dann. Erst so ein Glas Wasser mit weißem Pulver, dann einen selbst gemixten Obstsmoothie aus Banane, Apfel, Zwetschgen und Kurkuma, danach ein paar Blütenpollen naschen, und dann noch Haferschleim mit Kardamom, Ingwer, Zimt und Rosinen. Geht’s noch? Der Mann, der sich geschunden und zerstört, zugenäht, geschnitten und geschlagen hat, um zu erfahren, wer er denn sei, macht einen auf bio und gesund!

Aber er meint das ernst. Er meint das alles ernst in diesen zwei Tagen, ohne dass er was spielt, vorführt, darstellt, was sein will. Er ist ganz bei sich, und ich filme das. Und wenn etwas nach Show aussieht, sagen wir das, wie beim Friseur Stevo, dem wir erklären, dass er bloß nichts vom Bart abschneiden soll, sondern nur so tun soll. Agieren vor einer Kamera ist immer ein großes „Als-ob“, aber man hat bei aller Inszenierung trotzdem noch die Chance, dass plötzlich Alltag interveniert, Normales dazwischen grätscht. Und Stevo, der Friseur, schenkt Ulay zum Abschied Schokolade, so wie er das immer macht, die der sich überraschend zügig mit den Worten „Sweet Stevo“ in den Mund stopft. So ist Ulay also.

Echtzeit und Bauerntheater

Menschen beim So-Sein mit der Kamera zuzuschauen, kann wirklich schnell peinlich werden, und erst recht, wenn es Menschen sind, die es gewohnt sind, sich zur Schau zu stellen. In der Fernsehbranche nennen sie das „Bauerntheater“, wenn der Protagonist dann zu Hause irgendwas extra für die Kamera macht. Und zwar so schauspielert, dass der Cutter das am Ende auch ja gut schneiden kann. Also kein Filmen in Echtzeit.

FILM: EIN TAG MIT ULAY

Mit Ulay verbringe ich „Echtzeit“. Den ersten Tag drehe ich sieben Stunden am Stück. Es gibt dann noch einen zweiten Tag, der ist ein bisschen kürzer. Ob das nun der „echte“ Ulay ist, weiß wohl nicht mal er selbst. Darum geht es auch gar nicht. Man ist halt neugierig, wie er so ist. Und ich kann nur sagen: So ist er, manchmal zumindest. Manchmal ist er so.