Die vermissten Kinder des Graffiti-Künstlers TINHO an der Fassade des Alten Polizeipräsidiums haben eine wahre, traurige Geschichte in seiner Heimatstadt São Paulo. In Frankfurt fährt zudem eine von TINHO gestaltete U-Bahn der Linie U5.

Seine Bilder von gefesselten, kauernden oder weinenden Kindern versieht Tinho (São Paulo) mit Sätzen wie: „Schau mich nicht so an". Geschrieben sind diese in Pixação-Manier -- der brasilianischen Form des Tagging. Die Dargestellten scheinen den Betrachter zu bemerken, blicken ihn direkt an und sind dennoch einsam und isoliert. Suchanzeigen vermisster Kinder in Kirchenblättern oder auf Supermarktprodukten dienen dem Künstler als Vorlage für seine Werke, die er seit Mitte der 1990er-Jahre im öffentlichen Raum malt. Einige seiner Bildfiguren finden sich einzeln unter S-Bahngleisen, vor Garagentoren oder hinter Büschen, als würden sie sich an ebendiesem Ort in der Stadt aufhalten. Andere bettet er in ganze Bildgeschichten ein. So steht beispielsweise ein Mädchen überlebensgroß in einem See aus Blut, in dem ein kleines Holzboot mit zerfetzten Puppen schwimmt. Vor dem gelben Hintergrund schweben die für São Paulo typischen Hochhäuser. Tinhos Bildsprache kommt besonders dann zur Wirkung, wenn die Rauheit des Bildes auf die Rauheit der Stadt trifft. Der Effekt und die Möglichkeit zum schnellen Erfassen des Inhalts sind wesentlich für das Graffiti, das man oftmals nur im Vorbeifahren erblickt und das gerade in einer Stadt wie São Paulo mit einer Vielzahl von Eindrücken konkurriert. Neben den Kinderporträts sind Autounfälle ein immer wiederkehrendes Motiv des Künstlers. In diesen von einem Angsttraum angeregten Arbeiten wird die Stadt zum Gegenüber des persönlichen Dialogs. Und trotz der enormen Geräuschkulisse der von Autos überfüllten Stadt meint man beim Anblick der „car crashs" den harten Aufprall hören zu können.