Tobias Rehberger hat für die Rotunde der SCHIRN die ortsspezifische Arbeit "Regret" entwickelt. Die schwebende Plastik stellt Fragen nach dem Verhältnis von Kunst und Funktion.

Was bereue ich? Mit dieser Frage könnten sich dieser Tage einige Besucher der SCHIRN beschäftigen. Tobias Rehberger wirft sie mit einer eigens für die Rotunde entwickelten Plastik auf. Der Künstler hat Aluminium-Elemente, Neonröhren und Glühbirnen zu einer Art dreidimensionalem Mobile zusammengefügt. „Regret" lässt ganz unterschiedliche Assoziationen zu. Man könnte etwa an ausrangierte Leuchtreklamen alter Kinos oder Kaufhäuser denken. Oder auch an die US-amerikanische Flagge: Die Glühbirnen und die parallel zueinander angeordneten Röhren erinnern an die Stars und Stripes, die Farben Blau und Rot dominieren die voluminöse Plastik, die mitten in der Rotunde schwebt und offensiv den Dialog mit der postmodernen Architektur eingeht. Die Wirkung von Kunst im Raum gehört zu Rehbergers zentralen Interessen, ebenso wie die Frage nach der Funktion von Kunst und der Räume, in denen sie präsentiert wird.

Die Rotunde der SCHIRN erfüllt gleich mehrere Funktionen. Sie dient als Eingangsportal, wird bei Ausstellungseröffnungen zum sozialen Raum, in dem sich Besucher, Künstler und Kuratoren begegnen und bietet Präsentationsfläche für Kunstwerke wie das Rehbergers. Auch die Plastik „Regret" erfüllt eine Funktion, das wird spätestens klar, wenn das Licht angeht. Ein Strahler erleuchtet die Plastik und wirft ihren Schatten nach unten auf ein weißes Podest. Es ist ein Formschatten, der aus zusammengesetzten Großbuchstaben das Wort „Regret" bildet, was „bereuen" oder „bedauern" heißt. Die Plastik erfüllt einen Zweck, sie produziert in Kombination mit einem Leuchtstrahler dieses Wort, wird zur Poesie-Maschine. Doch ihre Funktion ist gleichzeitig Pseudo-Funktion, denn sie erschöpft sich im ästhetischen Selbstverweis.

Rehberger ist ein Abenteurer, er ist auf Expedition im weiten Feld der Kunst, um ihr Wesen zu erkunden. Was ist das Kunstwerk? Der Schatten? Das Wort? Die Plastik? Oder alles zusammen? Und wie steht es um die Autorenschaft? Ist die Plastik ein kunstproduzierendes Subjekt? Rehberger sagte einmal in einem Gespräch, er sei sehr an dem Phänomen interessiert, dass Dinge für etwas anderes da seien. Das Objekt sei nicht nur an seiner eigenen Existenz interessiert, es sei eine Art Werkzeug, das etwas anderem zur Existenz verhelfe. Bei Dingen des alltäglichen Gebrauchs ist das offenkundig. So verhilft die Kaffeemaschine etwa dem Kaffee zur Existenz. Doch was bringt die Kunst auf die Welt? Es sind solche Fragen, mit denen Rehberger das Rezipieren von Kunstwerken zur intensiven Auseinandersetzung werden lässt.

Die Arbeit ist reich an kunsthistorischen Verweisen. Sie rekurriert auf das Genre der Konkreten Poesie, bei der Künstler mit Buchstaben und Worten Bilder formen, lässt an dreidimensionale Arbeiten der Dadaisten und der russischen Konstruktivisten denken. „Regret" erinnert auch an László Moholy-Nagys „Licht-Raum-Modulator". 1930 schuf der Künstler diese kinetische Plastik, um mit Licht und Bewegung zu experimentieren. Grüne, rote, blaue, gelbe und weiße Glühbirnen flackern auf und beleuchten auf eine Scheibe montierte geometrische Formen, die sich angetrieben durch einen Mechanismus um die eigene Achse drehen. Die dabei entstehenden Farb- und Schattenprojektionen sind das eigentliche Werk. Der „Licht-Raum-Modulator" war als Mittelpunkt von Moholy-Nagys Raumkunstwerk „Raum der Gegenwart" geplant, der erst 2009 im Rahmen einer großen Retrospektive in der SCHIRN verwirklicht wurde.

Für Moholy-Nagy war die Kunst ein Experimentierfeld. Er strebte die Verquickung progressiver Werke mit dem modernen Leben an, positionierte sie zwischen freiem Versuch, Architektur und Design. Moholy-Nagy erweiterte so den Kunstbegriff im frühen 20. Jahrhundert, Rehberger erweitert ihn auf ganz ähnliche Weise im 21. Jahrhundert. Das wird er sicher nie bereuen.