Jede Generation setzt sich kritisch mit ihren Vorgängern auseinander: In den 60er-Jahren war es die Funk Art in Kalifornien, die auf den Abstrakten Expressionismus reagierte und Peter Saul inspirierte.

Indem sie das Figurative aus der Malerei zugunsten einer abstrakten Auseinandersetzung mit der „Krise des modernen Menschen“ und einem Rückgriff auf archaische Kulturen verbannten, hatten Künstler wie Jackson Pollock, Mark Rothko oder Willem de Kooning in den 1940er und 50er-Jahren den Abstrakten Expressionismus geprägt. Kunst war für sie eine Möglichkeit der Fortschrittskritik und eine Antwort auf Rassenunruhen, totalitäre Regimes und die Auswirkungen des Krieges.

Viola Frey Man Kicking World II, Cameron Art Museum in Wilmington, North Carolina, Image via flickr.com

Als sich Ende der 1950er, aus den Reihen der abstrakten Expressionisten, in San Francisco das „Bay Area Figurative Movement“ formierte, wendete sich das Blatt: Immer mehr Künstler übten nun Kritik an der Gegenstandslosigkeit des Abstrakten Expressionismus und wandten sich wieder dem Figurativen zu. Die offenherzige und experimentelle Umgebung der späten Beatniks und frühen Hippies in Kalifornien bot außerdem einen fruchtbaren kreativen Boden, aus dem später die so genannte „Funk Art“ entstand.

Humorvoll und vulgär

Anders als ihre gesellschaftskritischen Vorgänger stellten die Künstler der Funk Art, darunter Wally Hedrick, Jay DeFeo, Viola Frey und Bruce Conner, nicht ihr soziales Umfeld, sondern ihre eigenen Befindlichkeiten in den Mittelpunkt. Sie betrachteten sich nicht als feste Gruppierung und lehnten jegliche gemeinsame Definition ihrer Kunst ab – gemeinsam ist ihnen aber dennoch die Leidenschaftlichkeit, das Spielerische und die Skurrilität ihrer Werke, die auf den in den 1920er-Jahren in der Jazz-Szene geprägten Begriff „funky“ zurückgehen. Offenherzig ließen sie Emotionen und psychische Prozesse in ihre Arbeiten einfließen, gepaart mit viel Humor, Ironie und teilweise vulgären Darstellungen von Sexualität.

Bruce Conner, SNORE, 1960, Image via Fine Arts Museums of San Francisco

Funk Art entsprach überhaupt nicht den stilistischen und ästhetischen Ansprüchen, die man zu der Zeit an die Kunst stellte: Um minimalistisch zu sein, waren die Assemblagen und Installationen viel zu durcheinander, für den abstrakten Expressionismus zu gegenständlich und die biographischen Züge in den Skulpturen zu offensichtlich und persönlich, um ernst genommen zu werden. In puncto Konsumkritik werden Bezüge zur Pop Art sichtbar, doch wirkten viele der Werke unbeholfen – möglicherweise einer der Gründe, warum die Funk Art sich in ihrer Bekanntheit auf die Bay Area beschränkte und heutzutage nur mehr als Fußnote in der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts auftaucht.

Die Gesellschaft am Pranger

Doch das störte die Künstler selbst nicht. Bruce Connor, einer der ersten „Funk Artists“, sammelte Ende der 1950er-Jahre Fundstücke aus der modernen Wegwerfkultur und stellte mit seinen Assemblagen aus Wohlstandsmüll indirekt eine Gesellschaft an den Pranger, die Konsum zelebriert und Kriege führt, anstatt sich für ein friedliches Miteinander einzusetzen. Einer Methodik, der sich auch Edward Kienholz – zwischen Funk Art und Pop Art schwankend – mit seinen „objets trouvés“ bediente, mit denen er u.a. auf Diskriminierung und Doppelmoral in der Gesellschaft aufmerksam machte.

Mowry Baden, Delivery Suite, 1965, Image via mowrybaden.com

In den überlebensgroßen Skulpturen von Viola Frey kommen u.a. Fragen der Geschlechter-Stereotypisierung zum Ausdruck, von denen die bekannte Keramikerin persönlich betroffen war; und Jay DeFreo schuf mit „The Rose“ eine Malerei, die nach zehnjähriger Arbeit mehr als eine Tonne wog und mit dem Kran aus ihrer Wohnung gehoben werden musste. Peter Saul, der zuvor eine Weile in Europa gelebt hatte, war 1964 in der Bay Area sesshaft geworden und malte ironisch-kritische Bilder zum Krieg in Vietnam sowie überstilisierte Politikerportraits in knalligen Farben. 

Oft waren die Installationen und Assemblagen der „Funk Artists“ darauf ausgerichtet, den Betrachter mit einzubeziehen, ihn den Geruch des Verfalls und der Kritik riechen und am eigenen Leibe erfahren zu lassen – eine Interaktivität, die es in dieser Form in der Kunstwelt noch nicht gegeben hatte. So ungern sie sich alle in einen Topf werfen ließen: Eine spielerisch-ironische Hinterfragung der damals gängigen Kunstdefinitionen war allen „Funk Art“-Künstlern gemein.

Peter Saul, Rich Dog, 1963, Hall Collection, © Peter Saul, Courtesy Hall Art Foundation, Photo: Jeffrey Nintzel

WHATSAPP

Artikel, Filme, Podcasts - das SCHIRN MAGAZIN direkt als WhatsApp-Nachricht empfangen, abonnieren unter www.schirn-magazin.de/whatsapp