Oliver Augst lebt und arbeitet in Frankfurt am Main. Als Musiker und Komponist sucht er die Nähe zur Bildenden Kunst – und zum Schlager. Sein Atelier ist gleichzeitig sein Zuhause: ein Schiff, das zwischen Frankfurt und Offenbach vor Anker liegt.

Oliver Augst lebt auf einem Schiff. Besser gesagt: auf einem alten Kahn, der schon lange keinen Fluss mehr bereist hat. Zwischen Offenbach und Frankfurt liegt das Schiff am Mainufer, in der Nähe der Gerbermühle, da wo die Ruderer ins Wasser gehen. Augst trägt einen auf wunderbare Weise altmodischen grauen Anzug, dazu einen knallbunten, gestrickten Schal. In der Küche wird ein Espresso gekocht, auf dem Tisch steht noch die Marmelade vom Frühstück. Keine Eile, kein Stress.

Oliver Augst, Jahrgang 1962, ist Musiker, Sänger. Aber auch Hörspielproduzent und Kurator. Und eigentlich Bühnenbildner. Studiert hat er an der Offenbacher Hochschule für Gestaltung, zwischendurch ist er an die Hamburger Hochschule für Musik und Darstellende Kunst gewechselt. „Musiker zählen auch heute irgendwie noch zum fahrenden Volk, das draußen vor der Stadt zu leben hat. Wenn einer mit der Klampfe umherzieht, dann ist das noch immer unheimlich", sagt er. Deswegen hat er zu Beginn seines Studiums versucht, einen anderen, einen etablierteren Weg zu gehen. Designer, Gestalter, das wurde sein Berufsziel, nicht Musiker. Augst spürte damals Druck, von der Gesellschaft und von den Eltern.

Über die Zeit an der HfG ist er heute trotzdem froh. Musik und Bildende Kunst, das gehört für Oliver Augst im Grunde zusammen. Als Musiker arbeitet er häufig gemeinsam mit bildenden Künstlern. Für den Hessischen Hörfunk hat er zum Beispiel die Regie bei der Hörspielproduktion von On Kawaras „One Million Years" übernommen, 32 CDs haben sie dafür produziert. Bei der „Documenta 11" hat er die Arbeit dann als Live-Installation im Fridericianum umgesetzt. Und mit Raymond Pettibon, Urgestein der amerikanischen Westcoast-Künstlerszene, hat er gleich mehrere Alben gemeinsam aufgenommen.

Es geht um den deutschen Schlager

„Ich kann nicht alleine arbeiten. Ich bin ein nomadischer Netzwerker", sagt Augst. Die Liste seiner Partner ist lang: Mit Marcel Daemgen spielt er in der Band "Arbeit", mit Rüdiger Carl und Christoph Korn betreibt er das Trio "Blank", mit Blixa Bargeld hat er gearbeitet, genauso wie mit dem Medienkünstler Stefan Beck oder dem schwedischen Schlagzeuger Sven-Åke Johansson.

Von der Zusammenarbeit mit anderen lebt auch das Projekt „Dein Lied", das Augst mit Marcel Daemgen umgesetzt hat. Im August werden die Aufnahmen beim Deutschlandfunk als CD erscheinen. Bei „Dein Lied" geht es um den deutschen Schlager -- was schon ein wenig verwundert, wenn man weiß, das sich Oliver Augst in seinen Produktionen bislang eher mit Figuren wie Hanns Eisler, dem Fassbinder-Komponisten Peer Raben oder dem Künstler Martin Kippenberger beschäftigt hat.

„Oft sind es eben die berühmten drei Akkorde, die einen weghauen", sagt Augst. Damit wollte er sich ganz bewusst auseinandersetzen. „Was ist das Niedrigste, was uns am Lied fasziniert?", beschreibt er die Fragestellung des Projekts. Raymond Pettibon hat für „Dein Lied" ein Stück gecovert, dass schon sein Landsmann Elvis Presley auf Deutsch sang: „Muss i denn, muss i denn zum Städtele hinaus?" Zum ersten Mal aufgeschrieben hat dies kitschige Volkslied übrigens Friedrich Schiller.

Eine Mischung aus Wohnzimmer und Musikstudio

Auch der Schlagersänger Christian Anders war an den Aufnahmen zu „Dein Lied" beteiligt. Gemeinsam mit Augst singt er seinen Überhit „Es fährt ein Zug nach Nirgendwo". An Anders fasziniert Augst die absolute Hingabe, auch wenn er den Song eigentlich scheußlich findet: „Für ihn ist das alles."

Wir gehen in den größten Raum des Schiffs, eine Mischung aus Wohnzimmer und Musikstudio. Der Duft von Lilien erfüllt den Raum. Links steht ein Schlagzeug, rechts ein Klavier, rundherum einige Vintage-Möbel und ein Globus. Aus einem Regal holt Augst CDs und Platten hervor. Zu jeder kennt eine Anekdote. Die meisten sind in Kleinstauflagen erschienen. „Ich habe noch nie an einer CD auch nur einen Euro verdient", sagt Augst. „Wenn eine Produktion am Ende auf null aufgeht, dann ist das schon gut."

Darüber klagen will er nicht. Um seine Projekte und sein Leben zu finanzieren, nimmt Augst Lehraufträge an, gibt privaten Musikunterricht, produziert für andere Musik. Oder er arbeitet als Komponist für Theater oder Film. „Man lernt als Künstler auch, verzichten zu können", sagt er. „Aber die Entscheidung zu diesem Leben ist ja auch bewusst gefallen. Was wolltest du werden, als du 18 warst? Wolltest du in die Wirtschaft? Nein, alles, nur das nicht. Daran muss man sich immer wieder erinnern, damit man nicht verzweifelt."