Eine unerwartete Verbindung des Ausnahmekünstlers Joan Miró zum berühmtesten Außerirdischen der Welt.

Falls Sie zu jenen Menschen gehören, für die der Film "E.T. – Der Außerirdische" zum unantastbaren Märchengut Ihrer Kindheit gehört, sollten Sie diesen Artikel lieber nicht lesen, denn er könnte Ihren Blick auf den Film und auf die liebenswerte Figur für immer verändern. Mit dem Künstler Joan Miró, dessen großformatige Werke derzeit in der SCHIRN zu sehen sind, verbinden wir für gewöhnlich die Klassische Moderne und Begriffe wie "Hochkultur" oder "Avantgarde". Ganz anders als beispielsweise mit seinem Surrealisten-Kollegen Salvador Dalí, der eine schillernde Liaison zur Popkultur einging und unter anderem mit den Disney-Studios zusammengearbeitet hat.

Doch jetzt wurde die Behauptung aufgestellt, dass eines jener spektakulären großformatigen Gemälde Mirós, die in der Ausstellung in der SCHIRN zu sehen sind, eine der bekanntesten Figuren der Populärkultur inspiriert haben soll: den Außerirdischen E. T. Mit dieser gewagten These ist vor wenigen Wochen der amerikanische Filmwissenschaftler Prof. Dr. Louis Brookman an uns herangetreten. Da Brookman als ausgezeichneter Wissenschaftler mit exzellenten Verbindungen in Hollywood gilt, wollten wir es nicht versäumen, dieser Spur nachzugehen. Wir haben in einem exklusiven Interview mit Brookman über diese skurrile Entdeckung gesprochen:

Schirn Magazin: Herr Brookman, wir können es immer noch nicht glauben. Erklären Sie uns bitte noch einmal in wenigen Worten Ihre These.

Louis Brookman: Meine These ist, dass Steven Spielbergs Film " E.T. – Der Außerirdische" eine Art Adaption seiner eigenen Kindheit ist und die Figur des Außerirdischen aus eben dieser Zeit stammt. Und zwar aus einem Gemälde von Joan Miró, das Spielberg damals im Guggenheim in New York gesehen hat.

SM: Wie kommen Sie darauf?

LB: Über diese Geschichte bin ich eigentlich durch Zufall gestolpert: Ich war auf einer Oscar-Party, das muss 2000 gewesen sein, und hatte das Glück, Drew Barrymore kennenzulernen. Wie Sie ja wissen, ist sie das Patenkind von Steven Spielberg und hatte in E.T. ihre erste große Rolle. Wir kamen ins Plaudern und sie hat beiläufig eine Andeutung in diese Richtung gemacht. Auf einmal stand die Idee im Raum.

Drew Barrimore in "E.T. - Der Außerirdische", Image mynewsdesk.com

SM: Wie ging es dann weiter?

LB: Als ich zu Hause war, habe ich sofort begonnen zu recherchieren. So eine Entdeckung macht ein Filmwissenschaftler höchstens einmal im Leben. Und tatsächlich: Auf einem Gemälde, das sich im Guggenheim in New York befindet, fand ich eine Figur, die stark an E.T. erinnert. Ich war sofort überzeugt, dass das kein Zufall sein kann: Der lange Hals, die großen Augen, der unförmige Körper, die dünnen Finger mit den Verdickungen an den Enden … es war zu offensichtlich!

SM: Sind Sie sicher, dass Spielberg dieses Gemälde gekannt hat?

LB: Spielberg selbst wollte sich bislang zu diesem Thema nicht äußern – für mich übrigens eher ein Hinweis, dass meine These stimmt. Sie können aber überall nachlesen, dass er einen großen Teil seiner Kindheit in New Jersey verbracht hat, was ja nicht weit von New York entfernt liegt. Ich bin davon überzeugt, dass er das Guggenheim in dieser Zeit mehrfach mit seiner Mutter besucht hat. Es ist übrigens auch bekannt, dass das Familienheim aus dem Film seinem Elternhaus nachempfunden ist und dass das außerirdische Wesen E.T. die Figur eines imaginären Freundes wiederspiegelt, den sich Spielberg in seiner Kindheit gewünscht hat. Dass Spielberg mit Kunstgeschichte umzugehen weiß, sieht man übrigens ganz deutlich auch an dem Kinoplakat für den Film, auf dem Michelangelos Erschaffung Adams aus der Sixtinischen Kapelle zitiert wird.

Links ein Detail von Michelangelos "Erschaffung des Adams" in der Sixtinischen Kapelle, rechts das Kinoplakat von "E.T. - Der Außerirdische"

SM: Wenn Sie das bereits vor über zehn Jahren herausgefunden haben, warum machen Sie diese Erkenntnis erst jetzt öffentlich?

LB: Das hat mehrere Gründe: Zum einen habe ich es schon einmal versucht, allerdings in filmwissenschaftlichen Kreisen. Dort schien das Interesse an einer Verbindung zur bildenden Kunst leider nicht besonders groß. Zudem möchte ich auch keine Illusionen zerstören: Spielberg selbst hat um die Figur von E.T. immer ein großes Geheimnis gemacht, er hat beispielsweise nach den Dreharbeiten sämtliche Puppen zerstören lassen, um E.T. realer erscheinen zu lassen. Inzwischen haben wir aber, glaube ich, genug historischen Abstand und können diese Entzauberung verkraften. Es ist ja auch gleichzeitig etwas Schönes.

SM: Mögen Sie persönlich Mirós Kunst?

LB: Als Filmwissenschaftler ist meine Passion natürlich der Film. Nichtsdestotrotz muss ich sagen, hat mich diese Entdeckung dem Künstler sehr viel nähergebracht. Es klingt in diesen Zusammenhang vielleicht ein bisschen abgedroschen, aber ich habe manchmal tatsächlich das Gefühl, seine Kunst sei nicht von dieser Welt. Surrealismus eben (lacht).

SM: Meinen Sie, Miró hätte sich "E.T." angesehen? Hätte er den Film gemocht?  

LB: Ich weiß es nicht, es könnte schon sein. Miró hätte den Film übrigens sehen können, er kam in Spanien im Dezember 1982, also genau ein Jahr vor seinem Tod, in die Kinos.

SM: Vielen Dank für dieses Gespräch, Herr Brookman.