Instagram, Pinterest, EyeEm – Foto-Sharing-Plattformen nutzt jeder und sind zum Inbegriff der Selbstdarstellung geworden. Wer braucht noch Klatschblätter mit den Schnappschüssen aus den Privatleben der Prominenz – die Stars kümmern sich selber darum, dass ihr Alltag verfolgt werden kann.

Vizepräsident Joe Biden postete vor drei Monaten in seinem Instagram Stream stolz sein erstes Selfie. Und wer war mit drauf? Barack Obama. Mutig und provokant stellen sich Berühmtheiten heute selber ins Blitzlicht der Kameras und formen ihr Privatleben nach den Vorgaben ihrer PR-Berater. Das Medium Smartphone öffnet neue Kommunikationswege, trifft immer den Nerv der Zeit und lässt die klassische Presse hinter sich. Smartphones sind unsere ständigen Begleiter und so auch die integrierten Kameras. Wie in den Klatschzeitschriften geht es auch uns darum Aktuelles aus unserem Leben zu kommunizieren, ungeschminkt, lebensnah und schnell.

Wir gestalten unsere eigenen Kampagnen und werden selber zum Paparazzo. Das Smartphone begleitet uns immer und ist schnell als Kamera einsetzbar. Nur ein Klick und schon kann man über sämtliche sozialen Netzwerke seine Bilder mit der ganzen Welt teilen. Wir werden gleichzeitig zu Selbstdarstellern und Voyeuren, während wir uns vernetzen und unser Privatleben miteinander teilen. Besonders für Promis ist es ein Weg, eine persönliche Ebene zuzulassen und sich dadurch menschlicher, aber auch angreifbarer zu machen. Die Intention aller Nicht-Promis ist eine ganz andere: sie suchen durch das Teilen unserer Bilder nach dem Moment des Ruhms und der Aufmerksamkeit. Wer aber offen ist und den Einblick in seinen Alltag zulässt, muss damit rechnen, dass er ebenso offen bewertet wird.

Diskretion statt Provokation

Nach der Einführung des iPhones in 2007 wurde eine Revolution in der Welt der Fotografie ausgelöst. Unzählige Bearbeitungs-Apps und Foto-Sharing-Plattformen motivieren uns dazu zu fotografieren und unsere Bilder zu teilen. Auch ohne teures Equipment kann jeder, schnell und einfach, ansprechende Bilder produzieren. Selbst Profifotografen haben das Smartphone als unkomplizierte Kamera für spontane Aufnahmen entdeckt, in gewisser Weise als Antwort auf die Sofortbildkamera Polaroid SX-70. Dabei geht es nicht um die Bildqualität sondern um den dokumentarischen Charakter.

Diese Entwicklung schlägt sich selbst in den Medien nieder: 2012 zierte ein iPhone-Foto eines Profis die Titelseite der Zeitschrift Times. Die Smartphone-Kamera wird immer häufiger Zeuge einschneidender Ereignisse, da sie im Gegensatz zur digitalen Spiegelreflexkamera stets griffbereit ist. Dank ihrer Tarnung ist sie im Einsatz diskret und ermöglicht es auch sehr intime Momente unauffällig festzuhalten. Ein Paparazzo kennt diese Art der Herangehensweise nicht. Diskretion widerspricht seinem Wesen -- er geht gezielt und ungehemmt auf sein Subjekt zu. Mit dicken Kameras und Teleobjektiven gehen sie offensiv auf die Jagd nach Bildern und überschreiten dafür sämtliche Grenzen.

Im Gegensatz zu den unerwarteten Aufnahmen der Paparazzi kann man sich vor seiner Smartphone-Kamera gezielt in Szene setzen und die Aussage des Moments beeinflussen. Die Bilder sind privat und exklusiv, aber oft weit entfernt von der Realität. Gerade das macht den Reiz aus, täglich Bilder mit Freunden oder sogar Fremden zu teilen. Wie in einem Tagebuch beschreiben die narrativen Bildabfolgen chronologisch unseren Tagesablauf. Dank der vielen Bearbeitungs-Apps scheut sich keiner vor schlechten Bildern. Mit einfachen Mitteln kann ein Bild schnell zum Kunstwerk werden oder an alte Bilder aus Großmutters Bilderalbum erinnern. Ob ein Retro- oder Sepia-Filter, die Bilder erhalten eine historische Wirkung. Die verschiedenen Bearbeitungsmöglichkeiten führen dazu, dass jeder fotografiert und seine Bilder auch präsentiert. 2011 wurde bei Flickr Nikon von dem iPhone als meistverwendete Kameramarke überholt -- demnach sind vermutlich einerseits mehr Laien dazu gekommen und andererseits auch einige der Profis zur Smartphone-Kamera übergesiedelt. Die Smartphone-Fotografie kann also neben der klassischen Fotografie als ein neues Medium betrachtet werden, welches die modernen Kommunikationswege beliefert.