In seiner Schrift „Ceci n’est pas une pipe“ untersucht der Philosoph Michel Foucault die Feinheiten in Magrittes visueller Sprachkritik.

Dies ist keine Pfeife – „Ceci n’est pas une pipe“. Der französische Philosoph und Sozialtheoretiker Michel Foucault wählte für seinen im Jahr 1968 publizierten Essay zum Verhältnis von Sprache und Bild in Magrittes Malerei zwei seiner mittlerweile wohl bekanntesten Werke: „La Trahison des images (Ceci n’est pas une pipe)“ von 1929 sowie das knapp vierzig Jahre später entstandene „Les Deux mystères“ (1966).

Michel Foucault, Image embedded via wikipedia.org

In letzterem Bild taucht das Motiv des ersten wieder auf. Wie auf einer gerahmten Schultafel, die von einer Staffelei gehalten wird, ist die Zeichnung einer Pfeife zu sehen, darunter steht der Satz „Ceci n’est pas une pipe.“ Darüber schwebt, in dem ansonsten leeren Raum mit den Holzdielen, eine zweite, noch größere Pfeife. Foucault lässt sich auf das Verwirrungsspiel ein und geht der Ambiguität nach, der man so oft in Magrittes Werk begegnet.

Eine Pfeife – oder etwa nicht?

Er stellt sich vor, wie in dem Bild „Les Deux mystères“ ein Lehrer vor seinen Schülern steht, auf das Tafelbild zeigt und sich in ein Netz aus Behauptungen verstrickt: Dies ist eine Pfeife, oder nein, es ist eigentlich keine Pfeife, sondern die Zeichnung einer Pfeife, mehr noch, der Satz „Dies ist keine Pfeife“ ist auch keine Pfeife, nein, nichts davon ist eine Pfeife, weder die Zeichnung, noch der Satz. Seine Schüler, die die große, schwebende Pfeife über seinem Kopf sehen, lachen ihn aus. Denn dort ist sie ganz deutlich zu sehen, die Pfeife. Oder etwa nicht?

Michel Foucault, This is not a pipe, Image embedded via books.google.de

Doch genau dies ist die Qualität von Magrittes Malerei, die Foucault als nicht-affirmativ bezeichnet: Sein Malstil, klar, nicht verfremdend, fast unpersönlich, lädt zwar ein, die Dinge „als etwas“ erkennen zu wollen. Doch weder die gezeichnete Pfeife auf der Tafel, noch das Wort „Pfeife“ und auch nicht die darüber schwebende Pfeife sind tatsächlich eine Pfeife.

Wider die Repräsentation

Auf Magrittes Leinwand sind Wörter und Bilder aus demselben Material. Der Künstler verstrickt verbale Zeichen mit plastischen Elementen, für ihn sind sie gleichwertig, gar austauschbar. Foucault sieht hier zwei maßgebliche Errungenschaften Magrittes. Zum einen lässt er die Sprache unter dem Gewicht ihrer eigenen Bedeutung in sich zusammenfallen. Die Buchstaben, indem nur ihre Form auf die Leinwand gezeichnet wird, gehen in einen undefinierten Raum über, sie selbst werden zum Teil der Darstellung. Sie sollen gesehen statt gelesen werden. So enttarnt er schließlich auch die Arbitrarität, die Künstlichkeit der Sprache. Zum anderen widersetzt sich Magritte einer Form der Malerei, die der mimetischen Repräsentation einer außenliegenden Welt dient.

Duane Michals, Magritte (Coming and Going), 1965 © Duane Michals, Courtesy of DC Moore Gallery, New York

Im Kern geht es um die Problematik der Ähnlichkeit. Foucault unterscheidet hier zwischen den Begriffen „ressemblance“ und „similitude“. „Ressemblance“ beschreibt Repräsentation und impliziert eine Hierarchie, indem von einem originären Objekt ausgegangen wird, dem ein anderes gleicht. Magritte schrieb in einem seiner Briefe an Foucault, dass nur der Gedanke zur „ressemblance“ fähig sei, indem er jenes reproduziert, das die Welt ihm anbietet, das er sieht, hört und kennt. „Similitude“ wiederum beschreibt eine Form der Ähnlichkeit, die auf  Wiederholung und Pluralität beruht.

Wie die Kunst unsere Weltsicht ändern kann

In Magrittes Kunst zeigt kein Finger von der Leinwand, um auf etwas darüber hinaus Liegendes zu deuten. Vielmehr wird ein Spiel von Übertragungen innerhalb des Bildes in Gang gesetzt, das weder Anfang noch Ende kennt. Die Zeichnung einer Pfeife ähnelt einer echten Pfeife, der geschriebene Text ähnelt der Zeichnung eines geschriebenen Texts. Alle Zeichen in „Les Deux mystères“ annullieren jedoch die intrinsische Ähnlichkeit, die sie nur scheinbar in sich tragen, und eröffnen ein offenes, zirkulierendes Netz von Ähnlichkeiten. Foucault nennt es eine „Kunst des Gleichen“, die von dem „als ob“ befreit wurde.

René Magritte, This is not a pipe, 1935, Oil on canvas, 27 × 41 cm, Private collection © VG Bild-Kunst, Bonn 2017

Magritte geht es also weniger um die Malerei selbst, sondern wie die Kunst unsere Auffassung der Welt verändern kann. Den Künstler interessierte die Semiotik, die Philosophie und Phänomenologie, er beschäftigte sich mit Fragen zu Realismus und Ähnlichkeit und plädierte in seinen Korrespondenzen mit Theoretikern wie Chaim Perelman, Alphonse de Waelhans und eben auch Michel Foucault stets für die Idee, dass Bild und Wort als Ausdrucksmittel eines Denkprozesses und der Wissensvermittlung gleichwertig seien. Foucault würdigte dies und verstand, dass für Magritte die Malerei selbst das Denken ist.