Prof. em. Dr. Alfred Schmidt räumt mit Vorurteilen über die Freimaurer auf und gewährt Einblicke in die seit dem 18. Jahrhundert aktive Geheimgesellschaft.

Die Freimaurer zählen zu den bekanntesten Geheimbünden, über ihre Geschichte und Vorstellungen wurden zahlreiche Bücher und Studien veröffentlicht. In der Wahrnehmung der Öffentlichkeit stehen dagegen vor allem Spekulationen über das geheime Wissen und den exklusiven Mitgliederkreis. Die Phantasie füllt die Lücken des Nichtwissens mit bizarren Vorstellungen der Riten und Zeichen des Geheimbundes. Im Rahmen der Ausstellung „Geheimgesellschaften. Wissen Wagen Wollen Schweigen“ bot die SCHIRN Kunsthalle einen Vortrag in der Freimaurer-Loge zur Einigkeit an. Der Redner, Alfred Schmidt, emeritierter Professor der Philosophie und Soziologie an der Goethe-Universität und Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande, gilt als ausgewiesener Experte der deutschen Freimaurerforschung.

Beheimatet in der Kaiserstraße 37 fanden die Besucher des Vortrages ihr Ziel in einem Hinterhof des turbulenten Bahnhofsviertels. „Das Gegensatzpaar geheim und öffentlich steht sich gegenüber wie die Bezeichnungen sakral und profan“, beginnt Alfred Schmidt seinen Vortrag. Und tatsächlich erweckt die große, zweiflügelige Eingangstür mit der goldenen Giebelinschrift „Loge zur Einigkeit“ den Eindruck, man trete vom weltlichen Alltag ein in ein Reich des tradierten Wissens und der wohl gehüteten Geheimnisse.

„Das Geheime hat eine lange Tradition und dient mehreren Funktionen“, erklärt Schmidt. Der offensichtliche, praktische Grund der Geheimhaltung ist der Schutz der Mitglieder. Die moderne Freimaurerei ist geprägt vom Gedankengut ihrer Entstehenszeit, der Aufklärung. Die fünf Säulen der Freimaurerei Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität brachten die „Brüder“ im Laufe der Geschichte nicht selten in Konflikt mit Staat und Religion. Zudem schützt die Geheimhaltung die Rituale und liturgische Handlungen vor den Blicken derer, die nicht Erkenntnis daraus ziehen. Grundsätzlich gilt, dass die Freimaurer zwar eine geschlossene Gesellschaft bilden, sie aber nichts zum Nachteil Außenstehender verheimlichen.

Als Regelwerk oder Grundgesetz der Freimaurer gilt die Konstitution „Alte Pflichten“, 1723 geschrieben von Prediger und Freimaurer James Anderson. Diese gibt vor allem Aufschluss über die Verbindung einer moralischen Weltordnung, wie sie der Bund zeichnet, mit der Frage nach Religiosität. Ein Freimaurer sei nur „jener Religion verpflichtet, in der alle Menschen übereinstimmen“. Schmidt klärt auf, dass die Freimaurerei heute zwar nicht als Religion oder Theologie bezeichnet werden kann, doch aber als Religionsphilosophie – „mit Bezug auf das Weltganze, die Seele und die Gottheit“. Dogmatische Lehren werden abgelehnt, es verbleibt der Gedanke eines intelligenten und vernünftigen Urhebers der Welt, der den Ursprung aller Erkenntnisse bildet.

Der Begriff des „großen Baumeisters aller Welten“ rührt wie viele der Zeichen und Symbole des Bundes aus der Entstehungsgeschichte der Freimaurerei her. Winkelmaß, Zirkel, Senkblei und Hammer gehörten dem ursprünglichen Instrumentarium von Steinmetzen an. Ihre Zusammenkünfte in Bauhütten bzw. Lauben sind der Ursprung der heutigen Logen. Mit dem Aufkommen der Astronomie traten kosmische Zeichen wie Sonne, Mond und Sterne und die Lemniskate, das Zeichen für Unendlichkeit, hinzu. Die Symbole vermitteln gemeinsame Werte und Ziele der Freimaurer und sind auch heute noch Teil der liturgischen Handlungen, welche den Brüdern die Möglichkeit bieten, die verschiedene Grade der Erkenntnis zu erlangen.

Der Vortrag von Alfred Schmidt gab den Besuchern die Möglichkeit die Loge zur Einigkeit als Ort der Begegnung kennen zu lernen. Längst finden auch öffentliche Vorträge und musikalische Darbietungen in den Hallen statt. Ein wenig rätselhaft bleibt die Loge dennoch – aber ohne Rätsel bliebe auch kein Raum für Phantasie.