Der Künstlerprophet Fidus propagierte eine Einheit aus Kunst und Leben. Zu Lebzeiten zu einigem Ruhm gelangt, wird seine Rezeption heute von einem dunklen Kapitel der Geschichte überschattet.

Hugo Höppener – Jahrzehnte lang vergessen, ja verdrängt und als Kitsch abgetan, gehört bis heute zu den geheimen Pionieren der Moderne. 1932 war er der NSDAP beigetreten, von der er sich Förderung für idealistisch-nationalistische Künstler erwartet hatte; von Hitler, der wie Fidus Vegetarier war, hatte er sich Reformen für ein gesünderes Deutschland erhofft. Diese naive politische Einstellung hat die Fidus-Rezeption nach 1945 natürlich erheblich beeinflusst.

Der Sohn eines Konditormeisters studierte Ende der 1880er-Jahre an der Münchner Akademie, doch fällt es schwer seine Malerei der Münchner Schule des späten 19. Jahrhunderts zuzuordnen, so eigenwillig ist sein Stil. Prägend für seine Malerei und Weltanschauung war seine Lehre bei Künstlerprophet und Lebensreformer Karl Wilhelm Diefenbach in Höllriegelskreuth im Isartal. Dieser verlieh ihm auch feierlich den Künstlernamen Fidus, der Getreue, nachdem die beiden mit Diefenbachs Sohn Helios festgenommen worden waren, als sie nackt draußen arbeiteten, und Hugo die daraus resultierende Haftstrafe für sie abgesessen hatte. 1892 übersiedelte Fidus nach Berlin, wo er seinen eigenen Verlag gründete und durch Buchillustrationen, Postkarten, günstige Drucke und Lithografien schnell populär wurde. Bereits 1893 hatte der junge Künstler seine erste Einzelausstellung in Hamburg, zu einer Zeit in der sich das Konzept der Soloschau junger Künstler erst noch etablieren musste.

Schon damals propagierte Fidus eine moderne Einheit aus Kunst und Leben. Stets thematisierte er die spirituelle und ethische Erziehung des Menschen durch Naturverbundenheit und Lichtglaube, den Kult des unverdorbenen Kindes und den Nationalismus. Um die Menschen in ihrem Alltag zu erreichen, nutzte er die Mittel der Massenreproduktion, die ihn berühmt gemacht hatten, und plante riesige Wandgemälde, unter anderem für eigens entworfene Tempel. Seine Tempelkunst sah er als ideales Gesamtkunstwerk der Zukunft, das alle Menschen zusammen bringen könne – die wenigsten seiner Werke waren für den Privatbesitz gedacht. Sein Zyklus des Tempeltanz der Seele strahlt das Lebensgefühl des Fidus aus: eine gesunde, durchtrainierte Frau bewegt sich harmonisch im Einklang mit Natur, Licht und Universum, so wie Gott sie geschaffen hat. Die Unschuld der nackten Kinder, die Fidus so oft malte, hat sie hinter sich gelassen und stellt dem Voyeur ihren Körper zur Schau. Nichts ist dezent an diesen Darstellungen, deren strenge Linien und knallige Farben sofort alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen.

Obwohl seine Auseinandersetzung mit Theosophie und Philosophie komplexer war als die Diefenbachs, hielt Fidus seine Kunst stets auf einem leicht verständlichen Level. Die 11 Fassungen seines schon damals berühmten "Lichtgebetes", in dem ein nackter Jüngling sich auf einem Felsen dem Licht entgegen streckt, verdeutlichen, wie wichtig ihm der Lichtglaube als Ur-Religion war. Es ist sprechend, dass sein Hauptwerk sich aus einer Kohlezeichnung frei nach einer Figur aus Diefenbachs gigantischem "Per aspera ad astra" entwickelte und sich damit auf eine Vision des Künstlerpropheten bezieht, in der er sich zu einer neuen, naturverbundenen, vegetarischen Lebensart im Zeichen des Lichtes bekannte und sie ausrief.

Anlässlich der 1928 von seinen Freunden organisierten Gesamtausstellung mit rund 700 Werken des Fidus, stellte er das große Gemälde "Von Gott" fertig, welches er zusammen mit seinem Pendant, "Zu Gott" (genannt "Lichtgebet"), zeigte. Während sich beim "Lichtgebet" der Jüngling zum Himmel emporreckt, zeigt das Motiv "Von Gott" eine herabsteigende nackte Frau, die der Erde und den Menschen zugewandt ist. Auch in seinem ersten Tempelentwurf findet sich dieses Thema in Form von Statuen wieder. Bereits im Jahre 1890 hatte Fidus die ersten Kohlezeichnungen dieser Motive ausstellen wollen, welche jedoch damals noch als „Machwerke von barfüßigen, langhaarigen Kohlrabiaposteln und ihren Schülern“ abgetan wurden. So änderte sich die Rezeption von Fidus und seinen Weggefährten mehrmals im Laufe der Zeit vom visionären Propheten zum verspotteten Apostel – nur zum normalen Mittelmaß wurde er nie gezählt.

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