.... war die Schirn at Night! Gesucht wurde der oder die KingQueen of Glam! Gefunden wurden Superstars in High-Heels, Glitzer, Tüll, Strassteinen und ein Doc namens Nancy! Hier unser Erlebnisbericht vom Drag Contest am vergangenen Samstag.

Es war kurz nach halb elf, Boy George hatte gerade per Videobotschaft ein Grußwort an das Publikum gerichtet, die Offenbacher Band Baby of Control hatte einen ihrer berühmt-berüchtigten Liveauftritte, und auf der Bühne herrschte dichtes Gedränge, als Manuela Mock den Sieger des Contests „Wanted! The KingQueen of Glam!" verkündete: Doc Nancy!

Das Publikum im Foyer der Schirn tobte, applaudierte und bestätigte die Jury, die nach einem gut eineinhalbstündigen, wilden Wettbewerb wohl die richtige Entscheidung getroffen hatte. Und schon als Doc Nancy einige Momente zuvor in pinker Robe, das Gesicht halb verschleiert, die Treppe heruntertanzte und dabei Treppenbrüstung und Jury in seine Performance mit einbezog, ahnte man schon, dass das ein potentieller Gewinner sein könnte. Doch Doc Nancy hatte noch einiges mehr zu bieten. Spätestens nach dem Sprung von der Brüstung über die Köpfe der Jury hinweg, und einigen akrobatischen Einlagen war es wohl nicht nur um das Publikum, sondern auch um die Jury geschehen. Dass Doc Nancy, der seine Performance zum Song „I'm amazing" vollführte, der Titelfavorit sein könnte, bezweifelte nach diesem Auftritt niemand mehr. Als Krönung erhielt er bei der Siegerehrung von Ihrer Majestät Lisbet Windsor a.k.a. Bäppi La Belle persönlich, Nerzmantel und Schärpe und war somit der KingQueen of GLAM! Die Krönung bildete gleichzeitig den Startschuss zu einer wilden Partynacht, bei der DJ Barbecute Björn das ohnehin schon ziemlich aufgeheizte Schirn-Publikum zum Tanzen und damit auch zum Schwitzen brachte.

Das große Vorbild: Andrew Logans Alternative Miss World Contest

Wie kam es zu diesem nächtlichen Spektakel in der Schirn? Blicken wir kurz zurück in das Jahr 1972, als der Künstler Andrew Logan in seinem Atelier den „Alternative Miss World-Contest" ins Leben rief. Die Feier, die eine Mischung aus Happening, Gay-Pride-Demonstration und Freakshow war, gilt bis heute als ein Schlüsselereignis der britischen Glam-Bewegung. Jeder Gang vor die Tür war fortan ein Auftritt, bei dem man wild und fantastisch aussehen wollte: Ob mit Plateauschuhen, Federboa, paillettenbesetzter Tigerprintjacke, Glitzerkostüm, Lidschatten oder eng geschnittenen Lederhosen -- Stil wurde zur Pose, zum Ausdruck dramatischer Überinszenierung.

Bitte schön schräg!

41 Jahre nach dem ersten Contest, hat Knud Wechterstein gemeinsam mit der Schirn nun parallel zum Christopher-Street-Day eigens einen Wettbewerb auf die Beine gestellt, bei dem jeder mitmachen konnte, der eine schräge Idee und vor allem Mut hatte. Die Jury war mit Manuela Mock, der Drag Explora und Kerstin Görling kompetent besetzt; ließ zum Glück wenig Strenge walten, sondern sich vielmehr von den Performances der Teilnehmer anstecken und mitreißen. Durch die Nacht leitete Ty-rown Vincent, der mit einem strassstein-besetzten schwarzen Körperpanzer und Toupet den alternativen Drag-Contest mit einer einzigartigen Gesangs- und Tanzeinlage zu Steve Miller Bands „Time Keeps on Slipping" eröffnete. Ihm zur Seite stand die einzigartige Jessica Walker, die als Nummerngirl eine gute Figur machte.

Die Kandidaten

Es war eine Nacht mit einem Potpourri aus Farben und Stilen, Exzentrik, viel, sehr viel Glitzer und vor allem Lebensfreude. Und es war eine Nacht, die den ein oder anderen magisch-schönen und skurilen Moment innehatte. Zum Beispiel als Lloyd und Jannis auf der Bühne ihre Trauung vollzogen, den Brautstrauß warfen und gleich darauf auf der Bühne abgelöst wurden von den glücklichen Fängern, die sich dem Publikum zeigten. Oder als Grandessa Dramatica nach ihrem von der Musik Igor Strawinskys begleiteten, dramatischen Auftritt aus ihrem Dekolleté ein Mikrofon zog und theatralisch Radioheads „Creep" sang. Oder Projektionista, die ihre eigene Beamershow mitbrachte, die sie ungeschminkt im Alltag zeigte, und die dabei in schriller Kostümierung das Publikum singend fragte: „When will I, will I be famous?" Oder Dagmar Drögenpütt, die mit Hundehandtasche, grünem Tigermini und jeder Menge Klimbim zu Münchner Freiheits „Ohne Dich" performte. Oder Rosa Opossum, deren Farbe wider Erwarten gar nicht Rosa, sondern eher Grün war, die wie eine Diva in Glitzer-Robe die Treppe herunterstolzierte und dann zu einem Song von Katy Perry plötzlich aus sich heraus kam.

Oder der God of Pleasure, der ganz in weiß, mit schwarzer Maske, pinkem Phallus und Gold in der Hose, das Publikum mit lasziven Bewegungen und eindeutigen Posen unterhielt. Oder Sophia Ines, deren Bühne der Treppenabsatz blieb, von dem sie wahrlich nur mit Glitzer und Strumpfhose bekleidet dem staunenden Publikum ihre eigene Interpretation eines Peaches-Songs zum Besten gab. Oder Lupo, der zwar mit Hilfe einer Assistentin in Rot sich vor den Augen der Jury auf der Bühne gleich drei Mal umzog, und das Messer im Kopf, gegen ein Fliegeroutfit und das Fliegeroutfit gegen einen roten Dandy tauschte. „Oder - last but not least - Jazz Cortes, die in ihrer Drag Burlesque Show gleich zu Beginn des Contests die Hüllen fallen ließ und den Petticoat gegen Strapse tauschte."

Der Gewinner

Einer staunte an dem Abend aber besonders, nämlich Doc Nancy. Nicht nur über seinen Gewinn, ein exklusives Fotoshooting in der Glam!-Ausstellung, sondern auch als der Moderator ihn aufrief, seine Performance noch einmal für das Publikum zu wiederholen. Superstar sein ist eben nicht leicht. Doch dass er sogar mit Schärpe und Nerz königlich performen kann, hat er sogleich unter Beweis gestellt.