Zsofia Hargitai (35), Bankangestellte aus Frankfurt, besuchte die Ausstellung „Géricault. Bilder auf Leben und Tod“ und hätte den Künstler anschließend am liebsten persönlich kennengelernt. Warum, verriet sie im Besucherinterview.

SCHIRN MAG: Was wusstest Du über den Künstler Géricault, bevor Du in die Ausstellung gegangen bist?

Zsofia Hargitai: So gut wie nichts. Natürlich habe ich ein bisschen über die Ausstellung gelesen, bevor ich sie besucht habe. Aber ich wollte nicht zu viel wissen, damit ich mit freiem Kopf Géricaults Kunst betrachten kann.

SM: Welche Wirkung hatte sie denn auf Dich? 

Zsofia Hargitai: Sie hat mir sehr, sehr gut gefallen. Ich finde die gesamte Periode extrem aufregend, in der Géricault lebte und wirkte. Das 19. Jahrhundert war eine revolutionäre Ära. Die USA hatten kurz zuvor ihre Unabhängigkeitserklärung verkündet und die Idee, dass alle Menschen gleich sind, war etwas komplett Neues. Charles Darwin entwickelte seine Evolutionstheorie. Die ganze Welt veränderte sich. Die Menschen wollten in die Körper schauen, um zu begreifen, wie sie funktionieren. Sie stellen Fragen wie: Was ist der Mensch? Wie ist er konstruiert? Und: Wo steckt seine Seele? In der Ausstellung ist zu sehen, dass die Künstler in dieser Zeit von der Wissenschaft und den neuen Ideen sehr inspiriert waren. Auch sie wollten den Menschen verstehen.

SM: Und Géricault war mittendrin. 

ZH: Stimmt. Er muss ein wunderbarer Mensch gewesen sein. Er war sehr jung und trotzdem kann man auf seinen Werken sehen, dass er ein tiefes Verständnis für die Menschen besaß. Zum Beispiel in seinen Portraits von den Geisteskranken, den sogenannten Monomanen: Die Gemälde sind einerseits objektiv und realistisch, doch zugleich spürt man, wie sehr er sich in die Menschen einfühlte, die er malte.

SM: In der Ausstellung werden nicht nur Arbeiten von Géricault gezeigt, sondern auch Werke seiner Zeitgenossen und medizinhistorische Bildnisse. Wie hat Dir diese Art der Präsentation gefallen?

ZH: Das ist eine tolle Idee und sie ergibt Sinn, denn so konnte man erkennen, wie stark die Kunst von der Wissenschaft beeinflusst war. Außerdem war zu sehen, dass sich die Künstler kannten und gegenseitig inspirierten. Ich hatte den Eindruck, dass Géricault und Delacroix eng miteinander verbunden waren, denn es existieren viele Ähnlichkeiten in ihren Werken. Mich hat Géricaults „Floß der Medusa“ zum Beispiel in seiner Komposition sehr an Delacroix „Die Freiheit führt das Volk“ erinnert, das ich im Louvre gesehen habe.

SM: Hast du ein Lieblingswerk von Géricault?

ZH: Ja. Eine der fünf Studien von Geisteskranken hat mich besonders beeindruckt: Seine „Monomanin des Neides“. Die Kraft ihres Blicks, die ungesund-gelbliche Färbung ihrer Haut und ihre Haltung haben mich gefesselt. Das Gemälde zeigt Géricaults unheimlich großes Einfühlungsvermögen. Er muss sehr sensibel gewesen sein und ich wünschte, ich hätte den Künstler persönlich gekannt.