George Condo arbeitete in den 1980er-Jahren mit Ikonen der Pop-Art-Szene wie Keith Haring oder Jean-Michel Basquiat zusammen, wurde selbst aber erst vor zwei Jahren zum Popstar: als er Cover für US-Rapper und Produzent Kanye West entwarf.

Seit August 2010 haben unzählige Teenager einen Condo in ihrem Zimmer. Genauer gesagt in ihrer CD- oder Plattensammlung, denn George Condo malte fünf Cover für Kanye West ­– mit 18 Grammys einer der erfolgreichsten Musiker aller Zeiten. Schon der Titel seines fünften Albums „My Beautiful Dark Twisted Fantasy“, für das die beiden Künstler zusammenarbeiteten, verrät, wie nah sie sich im Geiste sind. Denn so wie Kanye West Inspiration in den dunklen Ecken seiner Fantasie sucht und in Lyrik und Klänge übersetzt, bedient auch Condo sich in seinem Innersten und überträgt die Spukgestalten in Öl auf Leinwand.

Auch ihre Herangehensweise hat viel gemeinsam. Condos Gemälde zitieren aus der Geschichte der Kunst, von der Barock-Malerei über den Kubismus und den Surrealismus bis zum abstrakten Expressionismus. Sie erforschen, was figürliche Malerei heute sein kann, und schaffen mit Stilzitaten und Charakteren am Rande des Wahnsinns einen visuellen Spiegel der Befindlichkeiten unserer Gegenwart. Dieser Raum ist bei West ein auditiver, seine Musik rekurriert durch Sampling auf Vergangenes und schafft einen neuen Sound, der trotzdem deutliche Bezüge zur Musikgeschichte herstellt.

Kreative Sitzungen in Condos New Yorker Studio

Nach einem Anruf bei Condo, der West bis dato nicht kannte, entschlossen sich die zwei Künstler im Sommer 2010 zu einer kreativen Liaison: West kam zu mehreren Sitzungen in Condos New Yorker Studio, wo er an seiner Musik feilte, während Condo malte. „Er arbeitete am Laptop an seiner Musik und ich an meinen Bildern. Er spielte seine Musik immer wieder über riesige Lautsprecher ab und wir diskutierten über den Inhalt seiner Songs. Kanye West zeigte auf meine Bilder und erklärte mir, wie er sich etwa die Bilder für sein Album vorstellte. So inspirierte er mich“, beschrieb Condo die gemeinsame Arbeit im Gespräch mit dem Schirn MAG.

So entstanden fünf Gemälde zu verschiedenen Songs. Jenes zu „Hell of a Life“ gefiel West auf Anhieb so gut, dass er es zum Album-Cover machte. Es zeigt einen nackten Kanye West mit einer grünen Bierflasche in der Hand, lässig ausgestreckt auf einer blauen Couch vor tiefrotem Hintergrund, über ihm lehnt ein ebenfalls nacktes Wesen mit heller Haut und großen Brüsten, Flügel auf dem Rücken, Fell an der Wade, einen weißen Schwanz mit schwarzen Punkten am Hintern. Beide schauen den Betrachter mit grotesken Fratzen an, die Stellung ist eindeutig.

US-Markt zensiert Condos Cover

Für die USA entpuppte sich das Motiv als zu obszön, weshalb es auf dem US-Markt nur eine zensierte Version gibt, ästhetisch der verbreiteten TV-Zensur ähnlich. Ein bissiger visueller Kommentar, den sich West und Condo genehmigten. Im Interview vermutete Condo, die Zensur könne durchaus auch rassistisch motiviert sein. „Manche Leute sagen, dass es wohl kein Problem gewesen wäre, wenn es sich um ein weißes oder ein afroamerikanisches Paar gehandelt hätte. Aber ein gemischtes Paar auf einem Cover zu zeigen, das Sex haben könnte, ist in den USA offenbar nicht akzeptabel.“ Auf dem europäischen Markt ist das Original auf dem Cover abgebildet.

In der Reihe entstand auch ein Porträt. Es zeigt Kanye West mit vier Mündern. „Kanye West greift Musikstile aus unterschiedlichen Zeiten auf und vereint sie in einem Song. Darin gründet seine Beziehung zu meiner Malerei. Meiner Idee, Klassizismus auf Kubismus treffen zu lassen, entspricht in seinem Fall das Zusammentreffen von Rock mit Pop und klassischer Musik mit Rap,“ erklärt Condo.

Alte Plattencover als Inspiration

Condo verarbeitet eine Gegenwartskultur, von der Musik ein wesentlicher Teil ist. In seinen Jazz Paintings aus dem Jahr 1999 verarbeitete er bereits klassische Motive von alten Plattencovern der Jazzszene, schrieb große Namen wie John Coltrane oder Miles Davis in sie ein und zitierte stilistisch abstrakte Werke von Malern wie Willem De Kooning und Jackson Pollock. Wie die Malerei bringt auch der Jazz immer neue Genres, Subgenres und Ikonen hervor und zitiert sich selbst – Parallelen, die Condo auf seinen Leinwänden verwebt.

Seit Condo mit seinen Gemälden Kanye Wests Platten zu Sammlerstücken gemacht hat, entdeckt ein breites Publikum das Werk des Künstlers neu. Und da Kanye West nicht nur ein begnadeter Musiker, sondern auch ein cleverer Geschäftsmann ist und mit seiner eigenen Linie auch den Modemarkt aufwühlt, finden sich die Condo-Motive jetzt auch auf Halstüchern und T-Shirts.