Die Werkreihe „Poster Paintings“ von Michael Riedel stellt die Frage nach Strukturen und Zusammenhängen von Text- und Bildlichkeit.

Dass auf den großformatigen „Poster Paintings“ (2010) von Michael Riedel weder Hund noch Fuchs zu finden sind, ist kaum verwunderlich. Bei dem Titel der Werkreihe „The quick brown fox jumps over the lazy dog“ handelt es sich um einen Blindtext. Ein Standartsätzchen, das – inhaltlich völlig bedeutungslos – jeden Buchstaben des Alphabets mindestens einmal enthält und sich darum besonders gut zur Darstellung von Schriftarten eignet.

Color, Slideshow, Double-Click

Ein zweiter Blick auf die Arbeiten, die sich in regelmäßige visuelle Einheiten aufspalten lassen, legt zunächst jeweils ein hervorgehobenes Wort offen: Color, Print, Slideshow, Form, Alt, Click oder Double-Click (entsprechend auch die Bildtitel). Dann lässt sich auch der Hintergrund der monochromen Teilstücke als Text ausmachen. Dieser kommt zwar wie eine sinnfreie Wort- und Zeichenfolge daher, seine Herkunft bildet jedoch eine inhaltliche Brücke zurück zu Michael Riedel. Es handelt sich um den Quelltext von Internetseiten, auf denen Texte über den Künstler veröffentlicht wurden. Die verwendete Hypertext-Sprache mit Steuerzeichen und Markups erschwert das Lesen jedoch enorm und die großzügig darüber gelegten Kreis-Elemente lassen die Formen letztlich über den Inhalt triumphieren – aus Text wird Bild. 

Eine Weiterführung dieser Arbeiten sind die „Power Point Paintings“ (2011), die sich aus der Überblendung zwischen zwei bereits existierenden „Poster Paintings“ am Computer ergeben. Es bilden sich völlig neue Raster aus den Überschneidungen in Strahlen-, Karo-, oder Streifenform, die auf die Folienübergänge der Präsentationssoftware Power Point zurückgehen. Und so lautet der Titel dieser Arbeiten auch einfach wie der angewandte Blendeneffekt, etwa „Blinds Vertical“, „Wheel 6 Spoke“ oder „Checkerboard Across“.

„The idea becomes a machine that makes the art."

Dieser Satz aus Sol LeWitts „Paragraphs on Conceptual Art“ gehört zu den Grundfesten der Konzeptkunst. Michael Riedel, fast einem Computer gleich, sammelt, sortiert, setzt neu zusammen und steht dabei als Motor im Zentrum eines Kreislaufs. Doch im Gegensatz zu einem technischen Apparat, von dem ein reibungsloser Ablauf erwartet wird, sind es gerade Zufälle und Fehler, die als ästhetisches Moment das Werk von Michael Riedel so interessant machen. Ein Rohstoff für die Maschinerie Riedel sind dabei auch die Arbeiten zeitgenössischer Künstlerkollegen wie Christopher Wool, Gilbert & George, Rirkrit Tiravanija oder Neo Rauch, weshalb ihm neben dem Label „Konzeptkünstler“ gerne der Stempel „Appropriation Artist“ aufgedrückt wird. Tatsächlich ist oft sein eigenes Werk der Ausgangspunkt für weitere Arbeiten.

Zwischen Text und Sinn

Zahlreiche Buch-Arbeiten zeugen von einer umfassenden Publikationstätigkeit des Künstlers und beleuchten vielfältige Methoden der Textproduktion und Transkription, die sich immer im Spannungsverhältnis von Dokumentation und Fiktion bewegen. Kommunikation mit ihren Bestandteilen Sinn, Sprache und Text und deren Abhängigkeit von einander spielen dabei eine genauso große Rolle wie die Frage nach ihrer Übersetzbarkeit durch elektronische Medien.

Versteht man den Titel der Auftragsarbeit aus dem Jahr 2007 „Sinnmachen beenden“ auch als Vorhaben des Künstlers, so gelingt dies erst in dem Moment, da die eingesetzten Medien Teil der Kommunikation werden und eine unabhängige technisch erzeugte Realität hervorbringen. Ein gemütlicher Austausch von Anekdoten unter Freunden wird zu einem 256 Seiten langen Transkript, aus der Geräuschkulisse der Art Basel entsteht durch die Spracherkennungssoftware iListen eine inhaltsleere Wörterreihung und im Hörbuch zu „Meckert“ (2009) liest eine Computerstimme alle Wörter der Buch-Arbeit in alphabetisierter Reihenfolge. Eine Herausforderung für das menschliche Denkvermögen, daraus wieder Sinn zu generieren.

Immer wieder Riedel

Der Rückbezug auf die eigenen Arbeiten geschieht bei Michael Riedel auf zwei Ebenen. Visuell finden seine Poster- und Wandarbeiten immer wieder Verwendung als Ausgangsmaterial einer neuen Verkettung. Gleichermaßen haben seine Arbeiten immer einen dokumentarischen Charakter und visuelle Eindrücke finden oft ihren Widerhall in Sprache. Dabei wird nicht nur das Schaffen des Künstlers, sondern ebenso sein Umfeld, Mensch und Raum erfasst. In der von Michael Riedel als „erste Retrospektive“ bezeichneten Ausstellung „Kunste zur Text“ finden beide Ebenen eine Plattform und die fast unüberschaubare Menge Dokumentationsmaterial geht auf in einem bildlichen Gesamteindruck.