Wassersport war zu Zeiten der Impressionisten Flucht aus der Stadt und Müßiggang zugleich. Für Caillebotte aber war es noch vielmehr: Ihn interessierten die komplexen Bewegungsabläufe bis ins kleinste Detail.

Scheinbar mühelos ziehen die Kanuten über die ruhige Yerres. Sie tragen Hüte, um sich vor der Sonne zu schützen, die Szenerie wirkt sichtlich entspannt. Der letzte Ruderer im Boots-Konvoi legt seinen Kopf auf die Brust, die anderen konzentrieren sich auf die Ruder, um sich damit gemächlich, aber stetig fortzubewegen. Das gesamte Motiv ist von einer konzentrierten Stille, die für den Betrachter greifbar scheint.

Kanuten und Spaziergänger: Eingefrorene Bewegungen

Hier steht nichts zwischen der Natur, der Landschaft im Südosten von Paris mit ihren Flüssen, Wiesen und Bäumen und den Männern, die im Rudersport einen Ausgleich zum hektischen Leben in der Großstadt suchen. Gustave Caillebotte, der „Kanus auf der Yerres" 1877 fertigstellte, war mit dieser Szenerie bestens vertraut. So könnte er leicht selbst einer der drei Ruderer gewesen sein, die in aller Ruhe ihre Bahnen über den Fluss ziehen: Gemeinsam mit anderen Künstlern seiner Zeit war der Maler früh begeisterter Anhänger des neu aufkommenden Freizeitvergnügens am und im Wasser.

Seine ganz besondere Leidenschaft galt allerdings dem Segeln, dem er sich eigenen Sportboot-Entwürfen zuletzt richtiggehend professionell widmete. Dabei nimmt Caillebotte nicht nur aktiv am sportlichen Geschehen teil, konstruiert eigene Schiffe für sich und seine Freunde, sondern wird auch zum faszinierten Beobachter: Sehr genau studiert er die einzelnen Bewegungsabläufe beim Kanufahren und Segeln, beim Schwimmen und Rudern und lässt diese Beobachtungen schließlich in seine malerische Arbeit einfließen.

Seiner Zeit voraus

So zeigen die drei Kanuten auf der Yerres drei jeweils unterschiedliche Phasen einer Bewegung, wie sie für diese Sportart so typisch sind. Dabei bewahrt er stets die für einen Beobachter nötige Distanz zu seinem Motiv, die eine präzise Sichtweise erst ermöglicht. Den genauen Blick für Bewegungsabläufe beweist Caillebotte auch in Bildern wie dem „Ruderer mit Zylinder", das ebenfalls im Jahr 1877 entstand.

Bemerkenswert an diesen Malereien ist nicht zuletzt, dass Caillebotte auch hier seiner Zeit in vielerlei Hinsicht voraus war. So nahm er Entwicklungen der nur wenige Zeit später aufkommenden Sportfotografie, die fließende Bewegungsabläufe in einer Aneinanderreihung von Einzelbewegungen einfing, gewissermaßen vorweg. Seine Faszination für das Freizeitvergnügen Sport, das er selbst gern pflegte, spiegelt sich in dieser Phase seines künstlerischen Schaffens wider. Dabei offenbaren Caillebottes Malereien auch eine kulturgeschichtlich interessante Randnotiz -- die des Sports als Bestandteil des Müßiggangs.

Ein Moment der Muße

Zwar ging es selbstverständlich auch zu Caillebottes Zeiten um körperliche Ertüchtigung und durchaus auch um den Wettbewerb. Sport war für den französischen Maler ebenso wie für viele seiner Kollegen und Freunde Bestandteil eines aktiven Lebensstiles. Trotzdem bezeugen die einzelnen Motive eine erstaunliche Ruhe und Konzentration, die mit den heute oftmals als verbissene Pflichtübung ausgeübten Sportarten nur wenig bis gar nichts zu tun haben. Und so haftet sowohl den Kanuten auf der Yerres wie auch den zahlreichen Ruderern, Seglern und Schwimmern, die Caillebotte im Laufe der Zeit dargestellt hat, ein Moment der Muße an, das Sport noch als ganz bewussten Ausgleich von der Pflicht und Hektik des alltäglichen Lebens darstellt.

In diesem Zusammenhang wundert es kaum, dass Malereien wie die vom spazierenden Père Magloire eine frappierende Ähnlichkeit zu den Sportmotiven aufweisen. In dieser 1884 entstandenen Werkreihe porträtiert Gustave Caillebotte einen Spaziergänger auf verschiedenen Etappen seines Weges. Er zeigt ihn mal in der Rückansicht, mal von vorn bei einem steilen Berganstieg und ein drittes Mal im Gras liegend bei einer Siesta. Hektik und Zeitnot, an sein Ziel zu kommen, scheint der Porträtierte nicht zu haben. In ihrem Zusammenspiel entfalten die Bilder einen erstaunlich ruhigen, konzentrierten Charakter, der sich auch hier in der präzisen Beobachtung einzelner Bewegungsphasen widerspiegelt. An dieser Stelle schließt sich der Kreis: Die Kulisse für sein Bildmotiv des spazierenden Père Magliore, die Landschaft der französischen Normandie, hat der Maler während der Teilnahme an einer Segelregatta entdeckt und zu schätzen gelernt.