Als Teil der Beat Generation rechnete Ed Kienholz mit der scheinheiligen amerikanischen Nachkriegsgesellschaft ab – und machte Hoffnung auf eine bessere Welt.

Am 13. Juni 1994, drei Tage nach Kienholz’ Tod, schrieb die Los Angeles Times: „Als Ed Kienholz am Freitag starb, verloren wir mehr als einen großen amerikanischen Künstler: eine Galionsfigur der Beat Generation.“ Anfang der 1950er Jahre hatte sich um die Literaten Jack Kerouac, Allen Ginsberg und William S. Burroughs eine Gruppe junger Intellektueller versammelt, die getrieben von ihrer Abneigung gegen die von Tabus durchwirkte amerikanische Nachkriegsgesellschaft ein rastloses Leben führten und es in Prosa und Lyrik festhielten. Sie waren wild und frei, schrieben direkt und lebensnah und kreierten die „Beatitude“ als hippe Lebensart. Die Beats lernten sich im pulsierenden New York kennen. Sie fanden ihre Inspiration in verrauchten Jazzclubs, zwielichtigen Seitenstraßen und den Boheme-Enklaven von Greenwich Village. Mitte der 1950er Jahre gingen sie schließlich an die Westküste, wo sich eine eigene pulsierende Avantgarde-Kultur entwickelt hatte. In der „Vons Café Galleria“ in Los Angeles, ein Treffpunkt der Beat-Bewegung, feierte Kienholz seine erste Einzelausstellung. Er drückte in Assemblagen und Environments aus, was die Beat-Poeten in Worte fassten: Es waren sarkastische visuelle Kommentare zu einer prüden Gesellschaft mit überholten Wertevorstellungen.

„Die wilden Jungs von heute sind nicht verloren“

Der mit Kerouac und Ginsberg eng befreundete Autor John Clellon Holmes schrieb 1952 den ersten Beat-Roman „Go“ und veröffentlichte im gleichen Jahr den Artikel „This is the Beat Generation“ im New York Times Magazine. Er beschrieb darin eine im Kalten Krieg heranwachsende amerikanische Jugend, geboren inmitten der tristen Umstände der wirtschaftlichen Depression und geprägt durch die Erfahrung des Zweiten Weltkrieges, in dem viele ihre Väter und Brüder verloren und manche auch selbst gekämpft hatten. Doch Holmes grenzte sie deutlich von der „Lost Generation“ ab, die sich nach dem Ersten Weltkrieg in Nihilismus und Existentialismus geflüchtet hatte: „Die wilden Jungs von heute sind nicht verloren. Sie wuchsen in Ruinen auf, doch sie nehmen sie hin. Ihre Ausflüge in den Drogenrausch oder in die Promiskuität wurzeln in Neugierde, nicht in Desillusionierung.“ Sie alle seien auf der Suche nach neuen Werten, einer neuen Gemeinschaft und neuen Idealen. „Der Unterschied ist der fast übertriebene Wille, an etwas zu glauben, wenigstens an sich selbst.“

Eine Welle der Befreiung

Drogenkonsum, Homosexualität, freie Liebe: Die Beat Generation brach bestehende Tabus. Mit dem langen Gedicht „Howl“ löste Ginsberg 1956 eine entscheidende Debatte zur künstlerischen Freiheit aus. Das Gedicht wurde zunächst wegen Obszönität verboten und Ginsberg selbst verhaftet. Als das Verbot schließlich zurückgezogen werden musste, schwappte eine Welle der Befreiung durch die Reihen junger Menschen, die sich im Geiste längst von der Prüderie ihrer Eltern emanzipiert hatten. Auch Burroughs Roman „Naked Lunch“ konnte wegen „obszöner Szenen“ erst einige Jahre nachdem er bereits in Frankreich erschienen war in den USA veröffentlicht werden. Unter anderem kritisierte Burroughs in „Naked Lunch“ die Stigmatisierung geistiger Erkrankungen und den unwürdigen Zustand in psychiatrischen Krankenhäusern und Ginsberg fand in „Howl“ poetische Bilder für eben jenes Grauen – ein Thema, das auch Kienholz, der als Krankenpfleger in einer Psychiatrie Erfahrungen gesammelt hatte, bewegte und in seinem Werk „The State Hospital“ gipfelte.

Unterwegs: Kienholz’ frühe Beat-Erfahrung

Kienholz und die anderen Beats teilten neben ihrem künstlerischen Ausdruck vor allem ein Lebensgefühl. Jack Kerouac fing es in seinem 1957 veröffentlichten autobiografisch inspirierten Roman „On The Road/Unterwegs“ ein – es wurde über Nacht zum populärsten Werk der Beat Generation und ist es wohl bis heute. Ein junger Mann reist quer durch die USA, lebt in den Tag hinein, hält sich mit Jobs über Wasser und genießt das Gefühl grenzenloser Freiheit. Nach seinem High-School-Abschluss war auch Kienholz mehrere Jahre lang im Westen der USA unterwegs, verkaufte Staubsauger oder verdingte sich mit anderen kleinen Gelegenheitsarbeiten. In dieser Zeit entstanden seine ersten Werke. Ab 1953 baute sich Kienholz in Los Angeles schließlich eine Existenz auf, erst noch als Allround-Handwerker, schon bald aber als Künstler und Galerist. Kienholz’ Assemblagen waren so nah am Leben wie die Texte der Beat-Autoren. Nachdem die Verwaltung von Los Angeles eine Ausstellung im Jahr 1966 schließen wollte, da sie eine seiner Arbeiten als pornografisch eingestuft hatte, reagierte Kienholz werbewirksam mit TV- und Radiointerviews – die Besucher strömten in Scharen in die Ausstellung.

Auch Kienholz’ Arbeiten sind alles andere als nihilistisch. Sie sind fordernd, provokativ und polemisierend. Sie bewegen und wollen verändern. „Schließlich war Ed ein Moralist“, sagte Nancy Kienholz im Interview mit Kuratorin Martina Weinhart für den Katalog zur Ausstellung. Kienholz rebellierte mit seinem Werk gegen Scheinheiligkeit, Prüderie, Konsumwahn und Diskriminierung und wollte ein besseres Amerika, eine bessere Welt. Daran glaubte er, und das machte ihn zum vielleicht größten „Believer“ der Beat Generation.