Schon in seiner ersten Werkserie „The New“ erhob Koons das Banale in die sakralen Sphären der Kunst – damit wollte er sie für alle zugänglich machen.

Im Liebieghaus steht ein Staubsauger. Fabrikneu und präsentiert wie im Schaufenster eines Kaufhauses. Sein zylindrischer Körper steht auf vier Rollen, den eierschalfarbenen Kunststoff schmückt eine blaue Banderole mit roten Linien, die Schriftzüge „wet dry vac" und „shop vac" geben Auskunft über die Funktion des Geräts. Dass es sich hier um ein Kunstwerk handelt, verrät neben der Platzierung in der Skulpturensammlung des Liebieghauses auch eine durchsichtige Acrylbox, die als Sockel für das Readymade fungiert. Fünf weiße Leuchtröhren liegen in der Box und strahlen den Staubsauger von unten an. Der „New Shop-Vac Wet/Dry" von 1980/81 gehört zu den ersten wegweisenden Arbeiten von Jeff Koons und ist Teil der Werkserie „The New", die gerade auch in der Fondation Beyerler in Basel zu sehen ist. „The New" markiert in gewisser Weise den Beginn einer künstlerischen Entwicklung.

Koons verwendete diverse Staubsauger und Teppichshampoonierer für die Serie und inszenierte sie in Plexiglasvitrinen über- und nebeneinander in exakt gleichen Posen. So betonte er den seriellen Charakter der Massenware, aber auch ihr ästhetisches Potenzial, etwa indem er Varianten des gleichen Modells in verschiedenen Designs und Farben arrangierte. Die Acrylsockel mit Neonleuchten, auf denen er sie platzierte, sind eine deutliche Referenz an die Minimal Art, ganz explizit zu Dan Flavin, der in den 1960er-Jahren mit seinen Rauminstallationen aus Leuchtröhren berühmt wurde. Eine davon ist dauerhaft im Städel Museum installiert.

Das Neue in der Kunst

„The New" stellt weitere Bezüge zur jüngeren Kunstgeschichte her: zur Appropriation Art zum Beispiel und zur Pop Art. Andy Warhol war der erste, der Massenprodukte wie die Brillo-Waschmittelboxen skulptural arrangierte. Und natürlich zu Marcel Duchamp, der in den 1910er-Jahren das Readymade, also einen als Kunstwerk inszenierten Alltagsgegenstand, erfand. Sein bekanntestes ist „Fountain" aus dem Jahr 1917, ein umgedrehtes und signiertes Urinal. Duchamp stellte mit diesem radikalen, subversiven Akt das konservative Kunstverständnis in Frage und machte damit den Weg für ein Jahrhundert frei, dass versuchte, die Kunst neu zu erfinden, sie medial, formal und intellektuell zu befreien und einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Auch Jeff Koons Arbeiten aus „The New" ist in diesem Kontext zu betrachten.

Neben Staubsauger-Plastiken gehören zu Koons erster Werkserie auch Lithografien von vorgefundenen Werbeanzeigen, die mit dem Wort „New" um Aufmerksamkeit buhlen. Und ein Foto, das Koons als kleinen Jungen mit Malbuch und Stiften selbstbewusst in die Kamera lächelnd zeigt. Den Abzug des alten Fotos nutzt Koons wie ein Readymade, macht es zum in die Serie integrierten Selbstporträt. Die Grenzen dessen, wie ein Selbstporträt aussehen kann, sollte Koons später noch weiter strapazieren -- in der aufsehenerregenden Serie „Made in Heaven". Das mit dem Titel „The New Jeff Koons" überschriebene Foto zeigt schon viel von dem, was Koons zu einem der bekanntesten Künstler der Gegenwart machen wird: der Wille, sich und seine Werke selbst perfekt zu inszenieren und unbeirrt neue Wege in der Kunst zu gehen.

Die Arbeiten verkörpern etwas Unbeflecktes

Inmitten der bunten, glänzenden, motivgewaltigen Skulpturen seiner anderen Serien wirkt der Staubsauger im Liebieghaus unerwartet befremdlich. Doch in dieser frühen Werkserie nahm der junge Künstler schon Themen vorweg, mit denen er sich auch in seinen späteren Serien auseinandersetzt, so unterschiedlich sie dann formalästhetisch auch ausfallen mögen. Wie der Serientitel ankündigt, sind die Staubsauger nagelneu, unberührt, nie über einen schmutzigen Teppich geglitten. Sie verkörpern etwas Unbeflecktes, wie später auch die Spielzeug-Delfine, Popeye und viele andere Werke.

Koons erhebt das Banale in die Sphären der Kunst, verfrachtet Staubsauger der Marke „Hoover", die fast jeder Amerikaner in seinem Wohnzimmer stehen hatte, in die heiligen Hallen der Kunst. Auch in den 1980er-Jahren, lange nach Duchamp, lag darin noch subversives Potential. Man kann die Sakralisierung des Staubsaugers sicherlich auch als ironischen Kommentar auf die Konsumgesellschaft verstehen. Vor allem aber steht „The New" für Koons' programmatischen Ansatz, Kunst für alle zugänglich zu machen.