In der Reihe “Lucky 13“ nimmt Philip-Lorca diCorcia den akrobatischen Poledance in den Blick. Ihre athletischen Körper haben etwas Skulpturales und ihre Gesichtsausdrücke etwas sonderbar Allgemeingültiges.

In verschiedenen Rotlicht-Tanzlokalen in und um Los Angeles, Las Vegas und New York herum, fotografierte diCorcia 2003 und 2004 Frauen an der Stange. “Lucky 13“ ist eine amerikanische Redensart, um Unglück abzuwehren - für Stripperinnen vielleicht kein schlechter Slogan. Doch diCorcia konzentriert sich auf die Körperlichkeit der Tänzerinnen, entrückt sie ihrer zwielichtigen Umgebung und vermittelt den Eindruck, als seien sie nicht „von dieser Welt“. “Lucky 13“ erhebt nicht den Anspruch der Dokumentarfotografie. Vielmehr werden Raum und Zeit bewusst ausgeblendet.

DiCorcia zeigt die einzelnen Frauen isoliert an ihrem Arbeitsplatz, das Scheinwerferlicht ist auf die nackten Körper gerichtet, während die menschenleeren Räume um sie herum in Dunkelheit getaucht sind. Ihre Körper zeugen von der körperlichen Anspannung. 
Konzentration, Kraft, Sinnlichkeit sind die wahren Größen dieser Aufnahmen. Eine fast ehrfürchtige Stimmung geht von den momenthaften Bildern aus, die die Tänzerinnen in fallenden Bewegungen einfrieren.

Das voyeuristische Moment ist Randerscheinung

Ob Hannah, Lola, Tenille oder all die anderen Musen, sie alle bedienen erotische Männerphantasien, sind Projektionsflächen und käufliches Vergnügen. Doch das voyeuristische Moment ist in diCorcias Fotografien Randerscheinung. Viel eher erwischen wir uns dabei, wie wir in den Gesichtsausdrücken der Tänzerinnen lesen möchten, diese Fotografien auch als Porträts verstehen.

Mit gezielt eingesetzten Mitteln, wie theatralischer Ausleuchtung und der Fixierung des einen, so fragilen weil in der Realität so vergänglichen Augenblicks, entrückt diCorcia seine Protagonistinnen dem Hier und Jetzt. Ganz allgemein ist dem Werk diCorcias anzumerken, dass er sich mit der Fotografie als einem Medium auseinandergesetzt hat, das Realität überprüfen aber niemals darstellen kann. Fotografien sind und bleiben Ausschnitte. Im Moment des Fotografierens ist das So-Sein bereits Vergangenheit, „So-Dagewesen“ (Roland Barthes). Über die zweidimensionale Wiedergabe gar nicht erst zu sprechen. Immer wieder fragt diCorcia außerdem grundlegend, was Realität eigentlich ist. 

Zwischen den Welten 

So scheint es erlaubt, den Frauen dieser Serie etwas Surreales und Überirdisches andichten zu wollen, sie als idealisierte Wesen wahrzunehmen, die auf Strip Club Bühnen mit offenem Haar ganz in sich selbst versunken scheinen. Etwas Unsterbliches haftet ihnen an. Monumentale Posen, skulpturale Figuren im Moment höchster Körperspannung hat der Künstler festgehalten. Mit einer unantastbaren Würde stürzen sie durch die Lüfte und nehmen Schmerz und Anstrengung stolz in Kauf. In dieser Serie wird deutlich, was es heißt, sich zwischen den Welten zu bewegen. Die Tänzerinnen sind sich des Fotografen bewusst, die Szenen für die Kamera inszeniert. Aber was macht das schon, wenn etwas ohnehin hochgradig Künstliches abgebildet wird?

Kritiker haben in Bezug auf diese Serie schon auf eine Analogie zur Ikonographie christlichen Märtyrertums aufmerksam gemacht und diCorcias dramatische Lichtgebung mit der von Caravaggio verglichen. Fakt ist, dass seine Serie “Lucky 13“ einer sorgsam durchdachten Inszenierung folgt und keinesfalls bloße Dokumentation sein möchte oder als aufklärerische Sozialstudie missverstanden werden soll.