Eine verzerrte Stimme, halb Mensch, halb Maschine, führt durch Pedro Barateiros Film „The Opening Monologue“ und sinniert dabei über die Bedeutung von Sprache.

Ein Roboter rennt, gleich einem Mensch auf zwei Beinen, durch einen Wald, dicht gefolgt von einer Kamera. Aus seinem Rücken ragen Schläuche, die über den Bildrand hinaus zum Steuermodul führen. Es ist ein trostloser Ausschnitt, den Pedro Barateiros (*1979) in seiner Videoarbeit „The Opening Monologue“ (2018) für einige Augenblicke den Betrachtern präsentiert: Stetig und engagiert rennt der Roboter vor sich hin, ganz so, als würde er sich jeden Moment umdrehen und stolz den Zuschauer ansehen und auf ein Lob warten.

Allein: eine Maschine weiß nicht, dass sie rennt, geschweige denn hat sie überhaupt einen Begriff davon, was rennen bedeutet. Sie ist nicht stolz auf ihre Leistungen, sie durchführt lediglich Anweisungen. Alles andere ist menschliche Interpretation, Rationalisierung und Übertragung und mitunter ist man schon mitten im Themengebiet von „The Opening Monologue“. „I don’t know about you but I try hard to think on how language colonizes us, our words and ideas” hören wir den Sprecher aus dem Off sinnieren. Der Sprecher stellt sich als Cyborg vor: „I’m speaking from my computer, but I’m writing with a golden pencil”, wie er an einer Stelle rätselhaft erklärt.

Die Videoarbeit besteht aus einer Col­lage aus GIFs und Found Footage-Mate­rial

Der gebürtige Portugiese Pedro Barateiro beschäftigt sich in seinen multimedialen Arbeiten mit Strukturen und Mechanismen postkapitalistischer Gesellschaften. So untersuchte er beispielweise in seiner Einzelausstellung „Theatre of Hunters“ (2010) Bilder, Dokumente oder auch literarische Texte hinsichtlich ihrer festlegenden Rolle, die sie in der Rezeption der Realität spielen. Die knapp 15-minütige Videoarbeit „The Opening Monologue“ besteht nun aus einer Bildcollage aus im Internet gefundenen GIFs und sonstigem Found Footage-Material. 

Pedro Barateiro, The Opening Monologue (Still), 2018, Courtesy of the artist and Netwerk Aalst

Pedro Barateiro, Theatre of Hunters, 2010, Image via tumblr.com

SCHIRN INTERVIEW MIT PEDRO BARATEIRO

Bilder von Robotern oder auch Aufnahmen aus der Raumstation ISS wechseln sich ab mit den typischen Internet-Memes, mit denen ein jeder täglich bombardiert wird.

Die Narration des erzählenden Cyborgs mäandert zwischen kulturpessimistischen und hintergründigen Aussagen über die Welt, über Kommunikation, Zeitgeist, Gesellschaftsordnung und Freiheit, bleibt hierbei aber bewusst verschroben und uneindeutig. „I never forget Frantz Fanon’s words: ‘Every spectator is a coward or a traitor’” oder auch “We know by now that every word written is both fictional and real” ist da zu hören – allerdings handelt es sich hierbei weder, wie der Erzähler zunächst betont, um den titelgebenden Eröffnungsmonolog, noch etwa um eine „Hypnose-Session“ mit dem eigenen Therapeuten oder ähnliches. Was die hier präsentierte Erzählung der Form nach sein soll, bleibt offen. Eingerahmt wird „The Opening Monologue“ durch die Geschichte des US-amerikanischen Programmierers und Hacktivisten Aaron Swartz, dem Barateiro die Arbeit widmete. 

I’m spea­king from my compu­ter, but I’m writing with a golden pencil.

Aus Pedro Barateiros „The Opening Monologue“
Pedro Barateiro, The Opening Monologue (Still), 2018, Courtesy of the artist and Netwerk Aalst

Der Netzaktivist wurde 2011 unter großem Aufsehen verhaftet, nachdem er mittels eines kostenfreien Netzwerkzuganges des Massachusetts Institute of Technology (MIT) bei der Internet-Bibliothek JSTOR unzählige ansonsten kostenpflichtige Wissenschaftsartikel heruntergeladen hatte, um sie der Öffentlichkeit verfügbar zu machen. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zogen sich knapp zwei Jahre hin. Noch bevor der Prozess begann, hatte Swartz Selbstmord begangen. Wohl auch deshalb gilt er vielen seither als „der erste Märtyrer der Informationsfreiheitsbewegung“, wie ihn beispielsweise der israelische Historiker Yuval Noah Harari nannte.

Pedro Barateiro, The Opening Monologue (Still), 2018, Courtesy of the artist and Netwerk Aalst, Image via tumblr.com

Pedro Barateiro beschreibt „The Opening Monologue“ in einem begleitenden Text als Versuch der Demontage „unserer kolonisierten Imagination“, der Deprogrammierung aufgeladener Botschaften, die unsere menschliche Auffassung, Erfahrung und Handlungen trübten. Aaron Swartz‘ Handeln, die Verfügbarmachung von Information, ohne kommentierende und somit oft ideologisch einordnende Konnotation, dient Barateiro in diesem Sinne wohl als ein Beispiel für eine Dekolonisation der Sprache.

Den aktuell vielzitierten Begriff versteht der Künstler aber in einem sehr viel grundlegenderen Sinne als andere: Kolonisiert ist für ihn jegliche Sprache, die beispielsweise politisch oder werbetechnisch aufgeladen und genutzt wird, und zwar unabhängig von jener tatsächlichen Ausrichtung. So haftet der teils rätselhaften Narration des Cyborgs, so könnte man meinen, gleichzeitig auch das Wissen um Ludwig Wittgensteins Sprachphilosophie an, in der der Philosoph auf die Probleme der Bedeutungsvermittlung innerhalb der Sprache überhaupt verwiesen hat: „Der Satz kann die logische Form nicht darstellen, sie spiegelt sich in ihm. Was sich in der Sprache spiegelt, kann sie nicht darstellen. Was sich in der Sprache ausdrückt, können wir nicht durch sie ausdrücken.“ 

Was sich in der Spra­che ausdrückt, können wir nicht durch sie ausdrü­cken.

Ludwig Witt­gen­stein

Die logische Form meint hier die Struktur einer Tatsache, umhin also die Begebenheiten der Welt – die durch Sprache nur beschreibbar, aber nicht darstellbar sind. Und so bleiben die letzten Worte des Cyborgs sodann in gleichen Maßen versöhnlich wie auch unauflöslich: „I’m with you. And we’re being eaten by words“.

Man sieht einen rauchenden Godard am Genfer See

Als Lieblingsfilm hat sich Pedro Barateiro Jean-Luc Godards „JLG/JLG - autoportrait de décembre“ aus dem Jahr 1995 ausgesucht. Auch wenn das Werk im Titel ein Selbstportrait verspricht, haben wir es hier selbstredend nicht mit einer klassischen „talking-heads“-Dokumentation zu tun, in der der Regisseur sich selbst und sein filmisches Schaffen zur Disposition stellt. Viel eher handelt es sich um eine filmische Collage, die in Bildern und Sprache versucht auszuloten, wie eine Auseinandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit überhaupt aussehen könnte. Wir sehen den immer noch stetig rauchenden Godard an seinem Wohnort am Genfer See, die Wohnung vollgestellt mit Büchern, im Hintergrund läuft das Fernsehgerät. 

Jean-Luc Godard, JGL/JGL - auto­por­trait de décembre (Filmstill, 1994, Image via ytimg.com

Die Kommentare aus dem Off oszillieren zwischen philosophischen Kommentaren, zeitpolitischen Einordnungsversuchen und selbstreflexiven Aussagen – Godard-typisch im Rückgriff auf Zitate, die nicht immer auf den ersten Blick als ebensolche zu erkennen sind. Und auch auf die Produktionsbedingungen des Kulturbetriebes rekurriert der Filmemacher in einzelnen Szenen. Und auch hier taucht irgendwann wieder Wittgenstein auf: Das gesamte Streben eines Künstlers flackert so vielleicht kurz auf als ein Kampf gegen dessen Diktum, dass man sinnvoll nur über Tatsachen sprechen könne: „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.“

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