In der Filmreihe „Double Feature“ präsentiert der in Frankfurt lebende österreichische Filmkünstler Günter Zehetner das Filmprogramm „11+1″.

Das kommende Double Feature am 24. Oktober 2012 präsentiert den österreichischen Filmkünstler Günter Zehetner. Der in Wels, Oberösterreich geborene Künstler lebt seit 20 Jahren in Frankfurt. In den 1990er-Jahren war Zehetner Meisterschüler an der Städelschule in der Klasse von Peter Kubelka. Zehetner arbeitete vorzugsweise mit einer Super 8-Kamera, bis er sich der Videokamera zuwendete, die ihn bis heute begleitet. Seine dem Avantgardefilm in der Tradition der New Yorker-Szene der 1950er- und 1960er-Jahre zuzurechnenden Arbeiten zeigen häufig spontane und aus alltäglichen Situationen heraus entwickelte Bilder mit deutlichem Schwerpunkt auf den Künstler selbst bzw. sein direktes persönliches Umfeld.

Eine andere Form von Film

Mitte der 1980er-Jahre kam Zehetner erstmals in Kontakt mit Avantgardefilmen: „In Wels fanden damals die österreichischen Filmtage statt, auf denen auch österreichische Avantgarde-Künstler gezeigt wurden. Und natürlich sind alle nach Wien ins Filmmuseum gegangen, in dem bis heute Kubelkas umfangreiche Filmsammlung gezeigt wird“, erinnert sich Günther Zehetner an sein aufkommendes Interesse am Avantgardefilm. Heute ist Günter Zehetner selbst in der Sammlung des Filmmuseums Wien mit seinen Arbeiten vertreten. In der von Kubelka initiierten zyklischen Filmreihe „Was ist Film“ werden regelmäßig seine Filme vorgeführt.

Die Blütezeit erlebte der Avantgardefilm in den 1960er-Jahren in New York, wo sich um Jonas Mekas und dessen Film-Makers Cinematheque eine besonders lebendige Szene entwickelte. „Diese Filme zeigten mir, dass es neben dem Erzählkino noch eine ganz andere Form von Film gibt, die mir andere Möglichkeiten eröffnet. Und mich befreit von Filmhochschulen, den klassischen Hierarchien und dem hohen finanziellen Aufwand. Anfang der 1990er-Jahre habe ich schließlich an der Frankfurter Städelschule bei Kubelka die Filmklasse besucht.“

Ein ungeschöntes Porträt menschlicher Existenz

Günter Zehetner zog 1993 nach Frankfurt. Nachdem er in Österreich bereits eigene Filme gedreht hatte, veränderte sich seine künstlerische Ausdrucksweise nach dem Wechsel an die Städelschule deutlich: „In Salzburg, wo ich 1991 die Sommerakademie von Peter Kubelka besuchte, habe ich die Kamera immer nach außen gerichtet und fremde Leute gefilmt. Als ich in Frankfurt studierte, habe ich die Kamera umgedreht und mich und meine damalige Freundin in unserer 30qm-Wohnung gefilmt“, beschreibt Zehetner seine damaligen Arbeiten.

Üblicherweise filmte man, wie es auch Kubelka von seinen Studenten erwartete, auf 16mm. Zehetner allerdings filmte in den 1990er-Jahren mit Vorliebe auf Super 8: „Diese Technik unterscheidet sich stark von der Videotechnik. Man hat nur drei Minuten Platz auf einer Filmrolle und hört den Film durch das Gerät rattern. Das erzeugt Spannung und Dynamik. Die meisten meiner Filme zu dieser Zeit waren Selbstporträts: Beim Fernsehen, beim Singen, Tanzen und Saufen, beim Duschen und beim Haare föhnen. Die Filme zeigen ein ungeschöntes Porträt menschlicher Existenz.“

Kameramann, Tonmann, Regisseur und Schauspieler

Günter Zehetner bearbeitet in seinen Filmen Alltagsmomente, die dadurch etwas Poetisches bekommen. Vielleicht rührt daher sein Interesse an Amateurfilmen: „Diese Filme kaufe ich auf Flohmärkten und entdecke wunderschöne Szenen. Für mich ist der Amateurfilm ein eigenes Genre, denn er ist ohne Auftrag entstanden. Die Menschen auf der Leinwand sind anonym und der Moment der Aufnahme längst vergangen. Heute nimmt man nur noch die Essenz dieser Aufnahmen wahr: Die menschliche Existenz in ihrem sozio-kulturellen Zusammenhang – mit all ihren Kodierungen, den allgemein menschlichen Verhaltensweisen und deren ganz individuelle filmische Umsetzung.“

Auch beim Double Feature zeigt Zehetner, neben zehn seiner eigenen Filme, einen Amateurfilm: „Ich bearbeite das Material nicht, sondern zeige es 1:1. Mir ist es einerseits wichtig, den Autor zu würdigen. Andererseits betrachte ich diese Filme auch als meine eigene Arbeit: wie eine rückwärtsgewandte Auftragsarbeit. Ein Fremder hat im besten Fall genau das produziert, was ich mir schon immer erhofft habe.“

Ton und Bild der Realität

Zehetner bezeichnet sich als „Filmmacher“. Er selbst ist Kameramann, Tonmann, Regisseur und – im Falle eines Selbstporträts – auch Schauspieler. „Ich filme, sobald mich eine Situation interessiert. Aber erst wenn ich das Material zu Hause anschaue, entscheide ich, ob es stark genug ist. Fehler spielen dabei keine Rolle. Ob es zu dunkel oder unscharf ist, ist mir egal. Ich bearbeite nichts“, erklärt Zehetner seine Arbeitsweise.

Im Anschluss an seine eigenen Filme zeigt Zehetner den Film „Outer Space“ des österreichischen Filmkünstlers Peter Tscherkassky. Wie in dem beim Double Feature gezeigten Videoprogrammteil von Zehetner, steht auch bei Tscherkassky eine Frau im Mittelpunkt: „Tscherkassky hat sich für seine Arbeit eine Frauenfigur aus einem Spielfilm angeeignet. Während im Spielfilm die Hauptdarstellerin von Poltergeistern bedroht wird, ist es bei ‚Outer Space‘ der Film selbst, der die Frau bedroht. Tscherkassky arbeitet mit Doppelbelichtung und lässt die Filmbilder auf die Frau einstürzen. Ich sehe mich in derselben Tradition wie Tscherkassky, allerdings gehe ich anders vor als er. Während Tscherkassky bereits gefilmtes Material vorliegen hat, welches er bis in den Einzelkader bearbeitet und kontrolliert, arbeite ich direkt aus einer mich alltäglich umgebenden Situation heraus mit meiner Videokamera als Werkzeug. Ton und Bild werden aus der Realität entnommen und nicht weiter bearbeitet. Jedoch gilt auch hier, wie bei Tscherkasskys Filmen, dass jedes einzelne Bild, jeder Ton, jeder Satz und jeder Laut von Wichtigkeit ist und mit Bedacht so gesetzt wurde.“