Dirk Krecker lebt und arbeitet in Frankfurt. Bekannt ist der Künstler vor allem für seine „Typewriter Drawings“. In seinem Atelier im Bahnhofsviertel arbeitet er im Moment aber an neuen Sound-Performances.

Noch ist es ziemlich leer in der Cafébar Plank, noch liegt eine entspannte Ruhe über dem Frankfurter Bahnhofsviertel. Ein Espresso zum Wachwerden. Dirk Krecker erzählt von einem Performance-Abend, den er gemeinsam mit der Berliner Zeichnerin Ursula Döbereiner und dem Komponisten Thomas Rehnert plant. Kollektivmaschine nennen sich die drei, wenn sie gemeinsam auftreten. Im Palmengarten werden sie einen Pavillon des brasilianischen Künstlers Hélio Oiticica bespielen – mit Sound, den sie aus gefundenem Material, aus Fernsehbeiträgen, Youtube-Schnipseln oder vorher eingespielten Gitarrenimprovisationen erschaffen. „Der Pavillon mit seinen unterschiedlichen Räumen wird so zum Resonanzraum, zum Lautsprecher“, beschreibt Krecker das Projekt.

Die Beschäftigung mit Sound ist relativ neu für den Künstler, seit etwas mehr als einem Jahr arbeitet er auf diesem Feld. „Die Idee trage ich aber schon länger mit mir herum“, erzählt er. „Die Auseinandersetzung mit Klang eröffnet für mich ganz andere Möglichkeiten.“ Bekannt ist Krecker vor allem für seine „Typewriter Drawings“: Zeichnungen, die er nicht mit Bleistift oder Pinsel, sondern mit der Schreibmaschine anfertigt. Stundenlang beschreibt er mit alten Schreibmaschinen das Papier und schafft so Bilder. Buchstaben überlagern sich. Aus Wortfetzen, einzelnen Zeichen oder sich wiederholenden Sätzen entstehen Figuren und Silhouetten, Gesichter, Hochhäuser, Kampfflugzeuge. Steht man direkt vor den Bildern, sieht man nur das Gewirr aus schwarzen und roten Typen. Will man die Figur erkennen, braucht man Abstand. Auch bei den „Typewriter Drawings“ arbeitet Krecker mit gefundenem Material: Nachrichten, die er im Radio gehört hat, Artikel, die er im Netz oder in der Zeitung gelesen hat, wissenschaftliche Texte, mit denen er sich auseinandergesetzt hat, fließen direkt oder indirekt in die Arbeiten ein.

Wir gehen in sein Atelier in der „Basis“, das direkt um die Ecke, in der Elbestraße, liegt. Die „Basis“ ist ein Verein, der Künstlern günstige Atelierräume vermietet, Ausstellungen organisiert und internationalen Gastkünstlern Arbeitsräume zur Verfügung stellt. Krecker ist seit Anfang an dabei. Seit 2005 gibt es das Projekt. Über den Betonboden seines Ateliers sind Papierschnipsel verstreut. Reißzwecken an den Wänden, ein schmales Fenster zum Hof, ein gemütlich-abgewetztes Sofa. Auf dem großen Tisch in der Raummitte liegen jede Menge Drucke im DIN A4-Format. „Ich arbeite gerade viel mit dem Risographen, einer Mischung aus Kopierer und Druckmaschine“, erklärt Krecker. In einem Regal und auf dem Fußboden stehen die alten Schreibmaschinen, mit denen er seine Zeichnungen anfertigt. Vor allem ein Exemplar fällt auf, weil es so ausgesprochen groß ist. „Damit kann man A3-Blätter beschreiben, früher wurde so die Buchhaltung erledigt“, erzählt Krecker.

Wenn man ihn fragt, wie er auf diese Technik gekommen ist, antwortet er: „Ich mag es, wenn etwas dazwischengeschaltet ist.“ Zwischen Hand und Papier hat er das fast vergessene Medium Schreibmaschine gesetzt und so für sich einen neuen Weg zu zeichnen gefunden. „Die altmeisterliche, handwerklich perfekte Zeichnung war für mich keine Option – der Gegenentwurf, das gewollt Wilde, das Krakelige und Unperfekte aber genauso wenig. Auch das damals noch neue Arbeiten mit dem Computer stellte keine Alternative dar. Das war das Medium der Designer, das war zu angewandt.“

„Ich lebe im Nordend, im Bahnhofsviertel, in Offenbach und in Kreuzberg“, sagt Dirk Krecker. „Das Westend zum Beispiel, das ist kein Ort, der in meinem Alltag irgendeine Rolle spielt.“ Der urbane Raum, die Auseinandersetzung darüber, was eine Stadt ausmacht, ist eines der zentralen Themen des Künstlers. Er wünscht sich eine Stadt, die Freiräume gibt, die Raum lässt für temporäre Ausstellungsräume, Bars und Clubs. Darum kuratiert er selbst auch immer wieder Gruppenausstellungen an wechselnden Orten in Frankfurt. Gerade plant er eine Schau im Saasfee Pavillon, die den Titel „Mothership“ tragen wird. „Das ist meine Art, mich in der Stadt einzubringen.“ Und darum ärgert es ihn auch, wenn Orte wie das „Institut für Vergleichende Irrelevanz“ verschwinden. Das linke Kulturzentrum an der Goethe-Universität, das 2003 von Studenten besetzt wurde, wurde vor kurzem geräumt.

Dem Erfolgsdruck, der unsere Zeit so maßgeblich bestimmt, will Krecker etwas entgegensetzen. „Es kann doch nicht nur darum gehen, morgens aufzustehen, um das nötige Geld fürs Leben zu akquirieren“, sagt er. Auf die Rolle des Agit-Pop-Künstlers möchte er trotzdem nicht reduziert werden: „Dafür spielen ästhetische und gestalterische Fragen eine zu große Rolle. Was ich mache, ist keine politische Kunst. Aber natürlich ist es so, dass mein politisches Interesse als Mensch sich in meine künstlerische Arbeit einfügt.“