Nicht Fisch, nicht Frosch: Warum der Künstler Mathieu Mercier ein Wassermonster-Pärchen in der DIORAMA-Ausstellung zeigt

Wie Sie sehen, sehen Sie nichts. In der Ausstellung „Diorama. Erfindung einer Illusion“ steht eine minimalistische große Vitrine, Neon ausgeleuchtet. Darin – eingebettet in einen Torfhügel – ein  Aquarium. Eine unwirtliche, karge Landschaft in einem Kasten. Doch das Verweilen und ruhige Betrachten insbesondere zu späterer Stunde lohnt. Dann könnte der Betrachter Glück haben und aus einem der Löcher im Torf kommt ein kleines Tier geschwommen, eine Art Fisch mit Füßen. Und dann noch ein zweites – ein Axolotl-Pärchen.

Axolotl sehen nicht nur lustig aus, sie sind auch einzigartig. Ursprünglich aus den Gewässern rund um Mexiko-Stadt stammend, sind sie dort heute aber fast ausgestorben. Die Azteken sahen in den nachtaktiven Tieren Nachfahren ihres Todesgottes Xolotl und nannten sie daher Axolotl, was übersetzt in etwa "Wassermonster" bedeutet. Die kleinen Tiere sind besonders anfällig für Umwelteinflüsse und heute hauptsächlich in privaten Aquarien und in Forschungslaboren anzutreffen.

Kurios seit 1804

Denn Axolotl verfügen über außergewöhnliche Eigenschaften: Sowohl mit Kiemen wie mit Lungen ausgestattet, sind sie nach einer Verwundung in der Lage, ihre Gliedmaßen und sogar Organe wiederherzustellen. Unter extremen Bedingungen können sie sich aus dem Larvenstadium unter Wasser sogar in landlebende Salamander verwandeln. Die ersten beiden Axolotl brachte übrigens Alexander von Humboldt 1804 nach Europa, sie wurden als exotisches Kuriosum im Musée national d’histoire naturelle in Paris ausgestellt.

Mathieu Mercier. Ohne Titel (Axolotl-Paar), 2012, Detail, Centre d’Art contemporain d’Ivry, Courtesy the artist & Mehdi Chouakri, © VG Bild-Kunst, Bonn 2017, Foto: André Morin/le Crédac

Die Arbeiten des französischen Künstlers Mathieu Mercier gleichen einer breit angelegten Reflexion über Alltagsgegenstände, deren Symbolik und ihrem Einsatz sowohl im industriellen wie auch im künstlerischen Kontext. Indem er in der Schirn ein lebendiges Axolotl-Pärchen im Zentrum seines Werks platziert, erschüttert er damit das Wesen der Dioramen.. Wo das Diorama versucht, die Illusion von Leben zu erschaffen, erscheinen bei Mercier zwei reale urzeitliche Wesen. Zwischen dem Wissenschaftlichen und dem Spektakulären oszillierend, hat Mercier mit seinem Axolotl-Diorama einen tatsächlichen Lebensraum geschaffen, der ebenso künstlich wie archaisch ist.

Alexander von Humboldt, Axolotl, Image via: sammlungen.hu-berlin.de