Passend zum Welttag der Frauen am 8. März befasst sich die Autorin Unda Hörner mit den „realen Frauen der Surrealisten“, darunter Simone Kahn, Gattin von André Breton.

Simone Kahn ist nicht nur der Name der Ex-Gattin von Deutschlands berühmtestem Fußball-Torwart. Ihre Namensvetterin lebte fast hundert Jahre früher und wünschte sich alles andere als ein Leben als „Heimchen am Herd": Die erste Ehefrau des Surrealisten André Bretons, von dem in der SCHIRN-Ausstellung „Surreale Dinge" drei Exponate zu sehen sind. Die Autorin Unda Hörner beschreibt in „Die realen Frauen der Surrealisten" das Leben von Simone Breton, das als „Frau eines berühmten Künstlers" begann und als Frauenrechtlerin und erfolgreiche Galeristin endete.

Die 1897 geborene Simone Kahn wuchs als Tochter einer wohlhabenden Industriellenfamilie in Paris auf. Nach der Schule widmete sie sich einem Literaturstudium, um auf diesem Weg im Quartier Latin, dem Pariser Studenten- und Künstlerviertel, „das wahre Leben" kennenzulernen. In der Buchhandlung „La maison des amis des livres", begegnete Simone Kahn 1919 erstmals André Breton, der mit Louis Aragon und Philippe Soupault die Zeitschrift „Littérature" herausgab.

Auf einer Dada-Lesung Bretons funkte es. Die aus bürgerlichem Hause stammende Kahn träumte von einem aufregenderen Leben fernab von „Handarbeit und Hausmusik" und war fasziniert vom Aufbruchswillen Bretons. Durch die Liason mit Breton gehörte Simone Kahn schlagartig zum Kreis der Künstler und Intellektuellen, die sie zuvor bewundert hatte.

Die Hochzeit folgte im September 1921. Das Zuhause der Bretons am Montmartre wurde fortan zum Zentrum der Zusammenkünfte mit Künstlerfreunden. Doch die Rolle als „Frau des Papstes" konnte Simone Breton kaum genießen. Obwohl sie mitten im Geschehen war, gehörte sie nicht dazu und für ihren Mann, den leidenschaftlichen Künstler, stand seine Arbeit immer an erster Stelle. Der junge Literat Max Morise umgarnte die vernachlässigte Künstlergattin, begann eine heimliche Affäre mit ihr. Doch Simone fühlte sich auch in der Rolle der Geliebten nicht wohl und hatte bald genug von Max. Das Büro für surrealistische Forschungen öffnete im Oktober 1924 in der Pariser Rue Grenelle, wo Simone die einzige Mitarbeiterin im Kreis der Surrealisten war. Doch Simone wurde für André immer mehr zur „Arbeitskollegin", die seine zahlreichen Seitensprünge dulden musste.

André Bretons Vorstellung von der leidenschaftlichen und kompromisslosen Liebe war für ihn wichtiger als die Person, mit der er diese teilte. Die surreale Begegnung auf dem Pariser Boulevard mit einer jungen Frau namens Nadja inspirierte ihn zum gleichnamigen Roman, mit Suzanne brannte er für Monate durch und erbat sich in Telegrammen an seine Frau „die Gnade einiger Ausnahmen" für das gemeinsame Eheleben. 1929 erfolgte schließlich auf Wunsch Andrés die Scheidung. Die Trennung von Simone spaltete die Surrealisten. Mit der Schmähschrift „Un cadavre" bekannten einige Mitglieder der Bewegung ihre Solidarität mit der verlassenen Ehefrau.

Simone Breton musste wegen ihrer jüdischen Wurzeln untertauchen, als die Nazis in Paris einmarschierten. 1938 heiratete sie den politisch engagierten Intellektuellen Michel Collinet, den sie tatkräftig unterstützte und kehrte nach Kriegsende nach Paris zurück. 1948 kaufte sie eine Galerie und widmete sich Ausstellungen, mit der Unterstützung früherer Kontakte aus der Künstlerszene wie den inzwischen etablierten Malern Max Ernst und Salvador Dalì. Simone Breton schloss sich der Frauenbewegung „Féministes Révolutionnaires" um Simone de Beauvoir an und unterzeichnete 1971 die berühmte Streitschrift für das Recht auf Abtreibung. 1980 starb sie im Alter von 83 Jahren.

Unda Hörner „Die realen Frauen der Surrealisten", Suhrkamp, 1998, 202 Seiten, ISBN: 978-3-518-39316-1