Anlässlich der Nacht der Museen wurde die Berliner Künstlergruppe DER STRICH von der SCHIRN eingeladen, eine Performance in der Rotunde zu konzipieren.

Per Schiff von Oslo in die Frankfurter SCHIRN wird das Herzstück für die Performance „Diamonds of Eternity“ der Künstlergruppe DER STRICH transportiert: Es handelt sich um eine mobile Bar, die von Menschen, genauer gesagt Männern, während der Nacht der Museen auf dem Rücken balanciert werden muss. Die Auswahl der Männer für den Job war nicht einfach: Gesucht wurden „Männer mit Durchhaltevermögen und Körperbewusstsein“. Und damit ist man bereits mitten im Kosmos von DER STRICH.

Der männliche Klüngel

DER STRICH wurde von der norwegischen Künstlerin Camilla Dahl initiiert, die 2003 schon in der Schirn in der Gruppenausstellung „Auf eigene Gefahr“ zu sehen war. Neben Camilla Dahl gehören Heike Gallmeier, Sabine Groß und Sandra Meisel der Gruppe an. Die Idee für den ungewöhnlichen Namen DER STRICH stammt von Camilla Dahl, da das Atelierhaus der Künstlerinnen in der Nähe eines Straßenstrichs im Berliner Stadtteil Wedding liegt. Die vier Künstlerinnen haben, jeder für sich, sehr unterschiedliche Ausrichtungen und Antriebskräfte. Was sie vereint, ist die Abneigung gegen einen männlichen Klüngel, der sich in der Berliner Kunstszene breit gemacht hat.

Das erste Projekt von DER STRICH war die Gruppenausstellung „Hysteria“ (2008). Anstoß der Ausstellung war die wenig bekannte Tatsache, dass Frauen früher, hatte man bei ihnen die Krankheit Hysteria diagnostiziert, davon durch regelmäßige Selbstbefriedigung geheilt werden sollten. Den Grund für das Krankheitsbild Hysteria sah man in den mangelnden Gelegenheiten eines weiblichen Orgasmus. „Wir haben für diese Ausstellung sehr sorgfältig eine Auswahl an Künstlern und Werken getroffen“, so Sandra Meisel. „Hysteria“ vereinte 11 künstlerische Positionen unter einem Dach.

Der Sammlerwahn

2011 organisierte und kuratierte DER STRICH die Ausstellung „Erika Mustermann Collection (em Collection)“. In einem leerstehenden Pavillon neben der Berliner Volksbühne veranstalteten sie an sieben aufeinanderfolgenden Wochen wechselnde Gruppenausstellungen mit 37 Künstlerinnen und Künstlern. Es war eine feinsinnige Reaktion auf den umgreifenden Sammlerwahn in Berlin, wo Showrooms mit privaten Kunstsammlungen wie Pilze aus dem Boden schossen.

„Mit den Ausstellungen der fiktiven rheinländische Kunstsammlerin Erika Mustermann wollten wir den Sammlerwahn kritisieren. Es ging um eine Genderdebatte, um den Kunstmarkt an sich und um den Finanzwahn.“ Die Projekte von DER STRICH sind nie ausschließlich auf das Gender-Thema fokussiert, es schwingen immer auch Kommentare über andere Bereiche des Kunstbetriebs mit.

Dabei zeigen die vier Frauen in den von ihnen kuratierten Ausstellungen nur sehr selten ihre eigenen Werke. Als die Gruppe 2009 die Ausstellung „Freie Wahl? Die Formkräfte des Kunstlebens“ in der Nancyhalle Karlsruhe auf Einladung von Gregor Jansen kuratierte, zeigte sie dort 16 Künstlerinnen und Künstler in einer von ihnen entworfenen Ausstellungsarchitektur.

Durst ist der nicht zu stillende Egoismus

Eine Aktion, die der Performance in der SCHIRN im Geiste nahe steht, ist der „Testosteronwagen“. In Berlin wurde anlässlich des Gallery Weekends 2010 eine Ausstellung von Damien Hirst eröffnet. „Damien Hirst ist die Verkörperung einer männlichen Kunstwelt. Wir wollten dieser glanzvollen Veranstaltung einen ironischen Kommentar entgegensetzen“, sagt Sandra Meisel. Der „Testosteronwagen“ war ein Wohnwagen, in dem „vollgepumpte Muskelmänner aus einem Fitnessstudio in Wedding“ ihre Muskeln spielen ließen. Man konnte sich für 1 € die „Gallery Weekend VIP-Wurst“ kaufen und den Männern beim Posieren zusehen.

In der SCHIRN wird man während der Nacht der Museen am kommenden Samstag fünf in Anzüge gekleidete Männern sehen, wie sie, in gebückter Haltung, eine Bar auf ihrem Rücken balancieren. „Es ist ein Verweis auf die männerdominierte Geschäftswelt. Eigentlich bücken sie sich nur, um in der Hierarchie nach oben zu klettern. Bei uns müssen sie sich bücken, damit sich das Volk vergnügen kann“, erklärt Sandra Meisel die Inszenierung. An der Bar wird von zwei Hostessen gratis Sekt ausgeschenkt, gleichzeitig werden zwei Schauspieler, Michael Benthin und Marc Oliver Schulze vom Schauspiel Frankfurt, auf einem Podest in einer Art Selbstfindungsduktus abwechselnd Texte vortragen, die mit der erniedrigenden Thekensituation nur schwer in Einklang zu bringen sind. Im Untertitel der Performance heißt es „Leiden entsteht durch Durst“. „Unter Durst verstehen wir diesen nicht zu stillenden Egoismus, den Neid und die Gier, der man überall begegnet.“ Durst dürfte an diesem Abend an der Sektbar in der SCHIRN wohl kaum aufkommen.