David Meves lebt und arbeitet in Frankfurt. Zwischen seiner Wohnung und seinem Arbeitsplatz, dem einzigartigen Gastro-Wunder „Club Michel“ im Bahnhofsviertel, liegen gerade einmal fünf Häuser.

Es mag ein Klischee sein, aber mir kommt es vor, als ob es entweder nur dickbäuchige oder spindeldürre Köche gibt. Die Gastronomie scheint nicht gemacht zu sein für Durchschnittsfiguren. David Meves, der seit vielen Jahren der Kopf hinter dem Restaurantexperiment „Club Michel“ ist, gehört jedenfalls zur zweitgenannten Gruppe. Ein typischer Koch ist er trotzdem nicht. Er kam als Quereinsteiger ins Gewerbe, hat seinen ganz eigenen Kopf. Wahrscheinlich ist sein „Club Michel“ deshalb so besonders. Und so wahnsinnig beliebt.

Kurz nach halb sechs. Noch sind mehr als zwei Stunden Zeit, bis die ersten Gäste kommen. Das Team hat gerade selbst gegessen, ist in die Küche zurückgekehrt. Die Blumen, die die Tische schmücken werden, stehen noch auf der Theke. Es läuft HipHop, wunderbar laut. Ein Thanksgiving-Dinner steht an. Byron heißt der Gastkoch, der es zusammengestellt hat. Seine Familie stammt aus North Carolina, gekocht wird traditionell mit einem kreativen Twist.

Meves ist Quereinsteiger

Die Gerichte tragen Namen mit epischer Länge. Deliciously Warming Honey Roasted Winter Squash Soup Bedecked with a Sprinkling of Toasted Pumpkin Seeds and a Dollop of Creme Fraiche. Oder: Thanksgiving Turkey with Sensationally Simple & Succulent Ambrosial Herb Stuffing „Down Home“ Gravy. Dazu gibt es „Match Made in Heaven“ Vanilla-Spliced Bourbon Cranberry Sauce, Creamy & Mac and Cheese and Savory Southern Fried „Mess of Greens“. In einem großen Topf blubbert die Soße vor sich hin.

David Meves zieht die Kochschürze aus, holt eine Wasserflasche, setzt sich an den Holztisch, beginnt zu erzählen. Er trägt eine schwarze Wollmütze, Sweatshirt, enge Jeans und Schnorres. Er ist Quereinsteiger, eine Kochlehre hat der 40-Jährige nie absolviert. Früher hat er bei Werbefilmen die Produktion verantwortet. Als ihn das nicht mehr ausfüllte, ist er ins Independent-Kino-Fach gewechselt. Für eine Firma in Köln, die sich um die Produktion von großen Kinofilmen kümmert, hat er außerdem gejobbt.

Kontinuierlich professioneller

Dann kam der Neuanfang, eine kleine Catering-Firma. Und bald darauf der Kontakt zu Ata Macias, dem Macher des Robert-Johnson-Clubs in Offenbach. 2011 organisierten Macias und Meves gemeinsam ein Pop-up-Restaurant auf dem Degussa-Gelände. Die leerstehende Immobilie am Mainufer sollte schon wenig später abgerissen werden. Das Museum für Moderne Kunst zeigte dort seine Jubiläumsausstellung „20 Jahre MMK“. Dritter im Bunde bei dem temporären Café war Simon Horn, der gefeierte Koch aus dem Restaurant „Blumen“. Meves stieg auch mit in den „Club Michel“ ein, der damals noch in der Innenstadt zuhause war.

Nach dem Umzug ins Bahnhofsviertel nahm er die Fäden dann allein in die Hand. 2012 war das. Der „Club Michel“ ist seitdem kontinuierlich professioneller geworden. Sechs Festangestellte arbeiten heute für Meves, darunter ein Profikoch, ein Experte der französischen Kochkunst. Was als Experiment begann, als ein Ort, an dem Freunde für Freunde (und mit ihnen) gekocht haben, ist längst ein gut laufender Betrieb, an dem seit etwas mehr als einem Jahr auch ausgebildet wird.

Ausprobieren lohnt sich

Dabei ist der „Club Michel“ aber nie zu einem klassischen Restaurant geworden. Organisiert ist er als Verein. Wer erfahren will, was gekocht wird, wer einen Platz reservieren möchte, muss sich für den Newsletter eintragen. „Der Club Michel ist eine eigene Welt, das macht seine Atmosphäre aus“, sagt David Meves, „niemand kommt hier zufällig herein.“ Die Abende sind immer etwas Außergewöhnliches, etwas Besonderes. Man kann das schwer beschreiben, es lohnt sich, es selbst auszuprobieren. Die Karte wechselt ständig, Routine soll nicht aufkommen. „Jedes Essen ist eine Generalprobe“, sagt Meves. „Das macht es anstrengend, aber auch spannend.“

Die Küche versteckt sich nicht, nur ein schmaler Tresen trennt sie vom Gastraum ab. Die Wände sind schwarz gestrichen, die Stühle bunt zusammengewürfelt, draußen ist es mittlerweile stockfinster. Aus dem großen Panoramafenster blickt man auf die Münchner Straße, seit ein paar Jahren ist sie – mit der „Bar Plank“, dem „Yok Yok“, dem „Maxie Eisen“ und einigen mehr – das Epizentrum der Frankfurter Ausgehkultur. David Meves wohnt seit 14 Jahren in der Straße, seine Wohnung ist nur fünf Häuser vom „Club Michel“ entfernt. Er schwärmt von der „schönen Mischung hier“. Er sagt, dass die Münchner Straße ein Ort ist, der beweist, dass Multikulti funktionieren kann – trotz aller Probleme im Viertel. Er sagt, dass er es hier mag. 

Will er immer hier bleiben? Wird er den „Club Michel“ auch in 20 Jahren noch betreiben? „Vielleicht. Wahrscheinlich. Vielleicht auch nicht“, antwortet Meves. „Ich bin niemand, der seine Zukunft plant, das ist nichts, womit ich mich groß beschäftige“, sagt er. Dann muss er zurück in die Küche. Nicht mehr lange, dann startet das Menü.

Für den Newsletter kann man sich auf www.clubmichel.net anmelden.

Alle Fotos: Alexander Jürgs für SCHIRN MAGAZIN, 2017