Der King ist tot, es lebe der King: Pünktlich zum 35. Todestag von Elvis Presley werfen wir einen Blick auf die Werkserie „Hulk Elvis“ von Jeff Koons.

Tatsächlich wirkt der Anteil, den die beiden Namenspaten der 2005 begonnenen Reihe „Hulk Elvis" in den einzelnen Werken einnehmen, ungerecht verteilt: Während der grasgrüne Hulk, einer der berühmtesten Comic-Helden aus dem Hause Marvel, sich mit brachialer Körperlichkeit und zornigem Gesicht ins Auge des Betrachters rückt, bleibt der ebenfalls namengebende Elvis Presley dezent im Hintergrund. Man sucht ein konkretes Abbild des berühmten King of Rock´n´Roll in den ausgestellten Malereien und Skulpturen vergebens.

Doch wieso fiel Jeff Koons Wahl bei der Suche nach einem passenden Titel für seine neue Werkreihe ausgerechnet auf den Sänger aus Graceland? Den entscheidenden Hinweis liefert hier der Star der Pop-Art schlechthin: Andy Warhol. Seine „Elvis"-Serie inspirierte Jeff Koons, der selbst immer wieder auf die moderne Massenkultur und die mit ihr einhergehende Bilderflut Bezug nimmt, zu zahlreichen Malereien und Plastiken, die aktuell in der SCHIRN wie auch im Liebieghaus zu sehen sind. Warhol zeigte die typischen Posen und Porträts des berühmten Rock´n´Roll Musikers in allen nur erdenklichen Variationen und in den für ihn typischen seriellen Siebdrucken. Koons hingegen leiht sich nur den Namen von Elvis und der zugehörigen Warhol-Serie, setzt aber in seinen Arbeiten in erster Linie auf die Darstellung des grünen Comic-Helden Hulk. Dabei könnte das „Phänomen Elvis" seine Überlegungen während der Arbeit an der Werkreihe stark beeinflusst haben: „Die Ikonografie der Massen", wie Koons in einem Interview erklärte, „umfasst eine sehr viel höhere Dimension als die Suche nach einer persönlichen Ikonografie." Elvis demonstriere die Transzendenz des Objektiven zum Subjektiven -- und werde somit zum kulturellen Allgemeingut, ähnlich etwa der Mona Lisa.

(Über-) lebensgroße Superhelden

Auch ohne den weltberühmten Sänger und Performer selbst abzubilden, verraten die Werke aus der „Hulk Elvis" Reihe also viel über die Funktionsweise von Popkultur. Dass dabei jede Menge Fragen offen bleiben und die perfekte Oberfläche im Grunde mehr verbirgt als sie zeigt, versteht sich bei Jeff Koons von selbst. Die Skulptur „Hulk (Friends)" beispielsweise steht dem Zuschauer lebensgroß gegenüber und wirkt dabei gehörig überdimensioniert -- schließlich kennt man den grünen Helden mit der unbändigen Wut in erster Linie im Kleinformat von Comicseiten oder allenfalls noch von der Kinoleinwand, auf der er jedoch längst nicht die physische Präsenz einer Skulptur entfalten kann. Die freundlichen, bunten Comic-Gefährten auf seinen Schultern schmälern die brachiale Erscheinung jedoch deutlich ab. Ebenso die Tatsache, dass „Hulk (Friends)" wie eine zu groß geratene Aufblasfigur daherkommt, die scheint, als könne ein Windstoß sie umpusten.

Noch deutlicher wird die perfekte Illusion vom vermeintlichen Leichtgewicht in der Skulptur „Hulk (Bell)", in der zwei lebensgroße Hulk-Figuren die bronzene und enorm gewichtige Replik einer historischen Bronzeglocke aus der chinesischen Zhou-Dynastie tragen. Hier verrät erst der zugehörige Werktext, dass die Skulpturen nicht aus Luft und Kunststoff, sondern selbst aus Bronze gefertigt wurden und durch eine spezielle polychromierte Beschichtung ihr federleichtes Aussehen erhalten. Dem überlebensgroß und schwergewichtig in Szene gesetzten Superhelden setzt Koons hier also eine Leichtigkeit entgegen, die tatsächlich nur eine Illusion ist.

Pixel und Serie

Dass die Malerei im Gesamtwerk von Jeff Koons einen eigenständigen Platz einnimmt, davon können sich Besucher in der SCHIRN Kunsthalle selbst überzeugen. Trotz ihrer offensichtlichen Ähnlichkeit in den Hauptmotiven -- auch auf den Leinwänden findet sich der grüne Hulk in verschiedenen Variationen abgebildet -- unterscheiden sich die Malereien formal stark von den Skulpturen derselben Reihe. Schon auf den ersten Blick fällt hier die Reminiszenz an die namengebende Werkreihe von Andy Warhol auf: Stark vergrößerte, nur noch in Pixeln aufgelöste Bilder stellen häufig den Hintergrund für die eigentlichen Hauptmotive. Ganz ähnlich also wie die Siebdrucke aus der Warhol-Factory, deren bildnerische Basis sich ebenfalls aus zahlreichen kleinen Bildpunkten zusammensetzte. Und auch dort, wo die Malerei andere Hintergründe zeigt -- beispielsweise in „Monkey Train" -- löst sich die auf den ersten Blick perfekt fotorealistisch gemalte Illusion bei näherem Hinsehen in etliche verschwommene Farbflächen auf.

Demgegenüber stehen die enorm präzise ins Bild gesetzten Comicfiguren. Struktur und Farbe der einzelnen Figuren werden deutlich herausgestellt. Im Gegensatz zu anderen Werkreihen verschwimmen sie nicht zu einem homogenen Gesamtwerk, sondern bleiben auch in der Collage deutlich vom Bildhintergrund abgegrenzt. Gerade in dieser Eigenschaft liegt, neben dem stetigen Zurückgreifen auf das Motiv, die frappierende Gemeinsamkeit innerhalb der verschiedenen Malereien der „Hulk Elvis" Reihe. Und in diesem seriellen Charakter und der speziellen Bildkomposition der Gemälde finden sich auch die Parallelen zur „Elvis"-Werkreihe von Andy Warhol.