Es ist eine Begegnung, wie sie der Boulevard kaum schöner hätte erfinden können: Er ein populärer Künstler, sie eine Porno-Darstellerin und Politikerin im italienischen Parlament. Mit seiner Werkreihe „Made in Heaven“ setzte Jeff Koons der Leidenschaft ein Denkmal – und bricht zugleich eine Lanze für die Liebe im Allgemeinen.

Wir schreiben das Jahr 1988. Die dekadenten 1980er-Jahre befinden sich in ihren letzten Atemzügen, Jeff Koons konnte sich in diesem Jahrzehnt mit bahnbrechenden Werkreihen und enorm erfolgreichen Ausstellungen einen Platz unter den ganz Großen der Kunstszene sichern. Dann, beim eher beiläufigen Blättern durch den deutschen „Stern“, ereilt ihn die berühmte Liebe auf den ersten Blick. Von der Magazinseite lächelt ihn eine italienische Politikerin an, barbusig fast, ihr Oberkörper nur unter einem groben Netzstoff verhüllt.

Ilona Staller heißt die blonde Schöne, die sich nach einer Karriere im Porno-Filmgeschäft jetzt als Abgeordnete im italienischen Parlament betätigt. Im zugehörigen Interview provoziert die vielen nur unter ihrem Künstlernamen „Cicciolina“ bekannte Italienerin mit ungarischen Wurzeln durch markige Statements: „Kein Aids der Welt“ halte sie davon ab, weiterhin Pornos zu drehen – ebenso wenig wie ihre aktuelle Abgeordnetentätigkeit, die lediglich etwas zu wenig Zeit für weitere Filmdrehs übrig lasse. Koons ist von der Präsenz der selbstbewussten Staller so beeindruckt, dass er sogleich ein Treffen mit ihr arrangieren ließ – was nach kurzer Beziehung schließlich in einer Hochzeit im ungarischen Budapest mündet.

Schmerzhafte Präzision

Die Kunstwelt lässt Jeff Koons quasi unmittelbar an seiner Liebe zu Cicciolina teilhaben. Das Sexualleben mit seiner frisch angetrauten Ehefrau wird in präzisen Details und in allen nur erdenklichen Medien nachgestellt: Mal sieht man die beiden engumschlugen wie auf einem imaginären Werbeplakat zu einem romantischen Liebesfilm, mal wird Koons sehr viel expliziter und greift ganz bewusst auf Elemente der Pornografie zurück, die Genitalien und Geschlechtsakt ohne Umschweife auf den Punkt zu bringen vermag. Wobei Jeff Koons auch hier sein demokratisches Grundverständnis der visuellen Bildsprache ausdrückt, indem er Porno denselben Stellenwert einräumt wie bereits zuvor dem Alltagskitsch oder der klassischen Ästhetik des 19. Jahrhunderts – als eine Spielart von vielen, die durchaus ihre Berechtigung hat.

Und egal, wie alabasterfarben schön die Haut des kopulierenden Paares auch glänzte, wie makellos Brüste und Genitalien auch dargestellt sein mochten: Irgendwo hinter der scheinbar alles preisgebenden Oberfläche verbarg sich dann eben doch ein schutzlos ausgelieferter Körper – in diesem Fall der des Künstlers und seiner Liebsten selbst. Hatte Koons bereits in vorigen Werken, beispielsweise während der „Banality“-Reihe, mit der Nacktheit seiner Figuren gespielt, so lieferte er sich mit „Made in Heaven“ jetzt selbst einem schaulustigen Publikum aus. Die Liaison mit Cicciolina, die ihrerseits nicht zurückhaltend mit körperlicher Freizügigkeit umgeht, dürfte einen nicht unerheblichen Beitrag zu dieser künstlerischen Entscheidung geliefert haben.

Die Sache mit den Blumen

Das Thema Körperlichkeit dekliniert Koons in allen nur erdenklichen Variationen: Als dreidimensionale Holzschnitzarbeit beispielsweise, die Geschlecht sowohl des Künstlers wie auch seiner Frau in fast schon schmerzhafter Präzision darstellt oder als mindestens ebenso explizite Malerei über den ehelichen Anal- („Ilona´s Asshole“) oder Oralverkehr („Manet“), wie sie in der aktuellen SCHIRN Ausstellung präsentiert wird. Viele Motive sind wie eine Werbetafel in Szene gesetzt – „Jeff in the Position of Adam“ zeigt das Liebespaar auf einer Art Felsen vor kitschig stilisierten Meereswellen. Die allgemeinverständliche, in den ausgehenden 1980er Jahren so typisch opulente Bildsprache der Werbung lässt den Zuschauer vom Künstler Koons, der sich hier so offenherzig präsentiert, abstrahieren und öffnet den Raum für Interpretationen über menschliche Beziehungen und deren Projektionsflächen.

Sexualität und Liebe, Porno und Romantik – all das ist für Jeff Koons untrennbar miteinander verbunden, ist Ausdruck des Lebens und Werdens, den er nicht nur im zwischenmenschlichen Akt, sondern auch in dem berühmten Ausspruch von Bienchen und Blümchen verwirklicht sieht. Und so reihen sich bei „Made in Heaven“ neben pornografisch-expliziten oder romantisch-verklärten Darstellungen menschlicher Sexualität ganz selbstverständlich auch Tiere und Blumen ein. Letztere zum Beispiel in Form üppiger Blumensträuße, denen Jeff Koons in einem Interview durchaus sexuelle Qualitäten zugesteht.