Yoko Ono fertigte exklusiv für ihre Retrospektive "Half-A-Wind Show" eine neue Arbeit, die in diesen Tagen die Plakatwände in Frankfurt ziert und den Betrachter zum Innehalten anregt.

„The medium is the message" lautet das wohl berühmteste Zitat des kanadischen Medientheoretikers Marshall McLuhan, das nicht nur zu seiner Erstveröffentlichung in den frühen 1960er-Jahren für Aufregung sorgte. Und obwohl das Zitat inzwischen längst zum bloßen Slogan verkommen ist, so birgt es trotz oder gerade wegen aller darin enthaltenen Provokation und Vereinfachung eine wichtige, zu McLuhans Zeiten völlig neue These: Nicht allein der transportierte Inhalt, sondern auch die Form der Vermittlung bestimmt, wie Botschaften vom Empfänger aufgenommen werden. Yoko Onos Billboard-Aktionen, die die Künstlerin in den 60er-Jahren erstmalig realisierte, leben von dem Wissen um die besondere Bedeutung des Mediums -- in ihrem Fall des Plakats im öffentlichen Raum, das, an prominenter Stelle platziert, im Gegensatz zur Kunst im Museum schwerlich ignoriert werden kann und sich unwillkürlich in das (Unter-) Bewusstsein seiner Betrachter einbrennt.

Eine unmissverständlich Botschaft

Dass ein gutes Werbeplakat einen prägnanten Slogan benötigt, um den gewünschten Effekt zu erzielen, hat die konzeptuell arbeitende Künstlerin von Anfang an konsequent bedacht. Sowohl formal als auch inhaltlich lassen sich die Billboard-Arbeiten den für Yoko Ono typischen „Instructions" zuordnen, die oft in ähnlicher Weise den Betrachter zum Innehalten und Nachdenken anregen. Zu den wohl berühmtesten Werken gehört das überlebensgroße „WAR IS OVER!" Plakat, das Yoko Ono und John Lennon 1969 am New Yorker Times Square aufstellen ließen. In kleineren Lettern darunter wird die Anti-Kriegs-Botschaft, der das Ausrufungszeichen einen fordernden Charakter verleiht, durch ein „If you want it" ergänzt. Dann, nochmals kleiner, der Gruß der beiden Künstler, die sich hiermit zugleich als Urheber ihres Werks zu erkennen geben: „Happy Christmas from John & Yoko". Eine unmissverständlich politische Botschaft, für die das Plakat vielleicht tatsächlich die geeignete Form, das perfekte Medium darstellt -- und zugleich eine Botschaft, die den Betrachter einbezieht, direkt an sein Handeln appelliert.

Yoko Ono wählt bewusst knappe Slogans

In den vergangenen Jahrzehnten hat Yoko Ono immer wieder auf das Plakat-Format zurückgegriffen. Ihre Billboards schmückten Orte im texanischen Houston, in Los Angeles, Cleveland und immer wieder auch in ihrer Heimat New York. Betrachtet man den Inhalt, fällt schnell eine Gemeinsamkeit zwischen den einzelnen Plakaten auf: Fast immer haben die Werke einen eindeutig politischen Bezug, prangern die Waffengesetze in zahlreichen US-amerikanischen Bundesstaaten an oder kritisieren das jüngst heftig diskutierte Fracking. Yoko Ono wählt bewusst knappe Slogans für ihre Billboard-Aktionen, die nicht zufällig an Kampagnen erinnern. Von diesen unterscheiden sie sich aber doch in einem wichtigen Detail: Ihren unmissverständlichen Hinweis auf die Urheberin.

Billboards greifen in die Realität ein

Mal mit vollen Namen, mal mit dem Kürzel „YO" deklariert sich Yoko Ono eindeutig als Autorin der im öffentlichen Raum ausgestellten Werke und bildet damit einen Referenzpunkt, den man bei der Betrachtung durchaus im Auge behalten sollte: Die Billboard-Aktionen sind nicht frei im Raum schwebende, rein assoziative Anweisungen, Statements, Gedanken ohne Anhaltspunkt. Indem sich Yoko Ono als Urheberin der Plakatwände kennzeichnet, verleiht sie diesen ganz den Status einer künstlerischen Arbeit. Im Gegensatz zu einer Spielart der engagierten Kunst, die im schlechtesten Falle die Grenze zwischen eben dieser und dem Gegenstand ihrer Kritik, der Gesellschaft, vollkommen auflöst (und somit die Kritik gegenstandlos werden lässt), scheinen sich Yoko Onos Interventionen im öffentlichen Raum stets ihres spezifischen Status bewusst. Die Billboards funktionieren als Kunst, die in die Realität eingreift und eingreifen will, gerade indem sie die unsichtbare Grenze zwischen beiden mitdenken.

Im Rahmen ihrer Retrospektive in der SCHIRN Kunsthalle macht Yoko Ono mit ihrer Billboard-Aktion nun ganz Frankfurt zu ihrem erweiterten Ausstellungsraum. Die Künstlerin fertigte eigene Plakatwände exklusiv für ihre Ausstellung „HALF-A-WIND SHOW" an. Die Werke, die am 16. April an zentralen Orten im Stadtgebiet positioniert wurden, erinnern formal an die bekannten Billboards vergangener Aktionen. Die Slogans, die Yoko Ono für die Stadt am Main ausgewählt hat, sind jedoch deutlich assoziativer: „FEEL", „DREAM" und „TOUCH" sind die Botschaften, die je nach Empfinden als unverbindliche Anregung oder aber als konkrete Aufforderung an die vorbeiziehenden Passanten verstanden werden können.