Berthe Weill eröffnet als erste Frau eine Galerie in Paris und setzt sich ihr Leben lang für die Avantgarde ein. Die Geschichte einer Frau, die ihrer Zeit voraus war.

Kneifer auf der Nase, Doppelkinn über Pelzkragen, strenger Blick: Mit sicherem Strich und ungewöhnlich akkurat zeichnet Pablo Picasso die Kunsthändlerin Berthe Weill. Veröffentlicht wird das Porträt 1933 in ihren Memoiren. Als erste Frau macht Weill 1901 in Paris eine Galerie auf. Ihr strenger Blick ist eine wichtige Waffe im männlich dominierten Schlachtfeld Kunstmarkt. Weill ist standfest und leistet Pionierarbeit. Als Erste kauft sie dem 19-jährigen Picasso drei Pastelle ab und ermutigt ihn, in Paris zu bleiben. So manche Schlacht verliert Weill aber. Picasso-Biograf John Richardson beschreibt sie als faire Kunsthändlerin, die sich oft nicht gegen Kollegen wie Ambroise Vollard oder Père Soulié durchsetzen kann. Das sind knallharte Geschäftsmänner, sie wuchern gerne mal und nutzen nicht selten die Notlagen junger Künstler aus.

In ihrem winzigen Ladenlokal muss Weill die Leinwände an quer durch den Raum laufenden Wäscheleinen aufhängen. Sie widmet sich ganz den jungen Künstlern des Montmartre. Mère Weill, Mutter Weill, wird sie auch genannt, weil sie so viele von ihnen uneigennützig unterstützt. Gerade Künstlerinnen nimmt Weill unter ihre Fittiche, genau wie die Galeristin haben die Malerinnen es schwer im Wettbewerb mit ihren männlichen Kollegen. Hermine David, Jelisaweta Kruglikowa, Marie Laurencin, Suzanne Valadon und Emilie Charmy nimmt die Galeristin in ihr Programm auf.

Zu ihren Entdeckungen gehören spätere Stars wie Kees van Dongen und Henri Matisse. Weill zeigt Gemälde der Fauves, noch bevor die Künstlergruppe bekannt wurde. 1917 organisiert sie eine Schau mit 30 Aktgemälden des italienischen Künstlers Amedeo Modigliani, es bleibt die einzige Einzelausstellung zu dessen Lebzeiten. Vor der Galerie bildet sich eine Menschentraube, alle wollen die freizügigen Bilder sehen. Doch die Galeristin wird schon bald von der Polizei aufgefordert, die Gemälde zu entfernen.

Viele Künstler verlassen Weill, um sich von mächtigeren Händlern vertreten zu lassen

Weill bleibt ledig, ihr Leben verschreibt sie ganz der Kunst. Bis 1934 wird sie in Paris fast 140 Ausstellungen zeigen. Wirtschaftlicher Erfolg stellt sich aber nicht ein, sie schreibt fortwährend rote Zahlen. Die zeitgenössische Kunst des frühen 20. Jahrhunderts hat es schwer, sich durchzusetzen. Kaum jemand ahnt, dass hier gerade eines der spannendsten Kapitel der Kunstgeschichte geschrieben wird. Geld muss Weill mit Traditionellerem machen, zum Beispiel mit Stichen Alter Meister, oder mit gänzlich unkonventionellen Methoden: Nach einem Unfall verklagt sie eine Eisenbahngesellschaft und erhält eine hohe Summe Schmerzensgeld.

Die Galeristin bleibt dennoch am Ball. Sie ist eine Kämpferin und muss es auch bleiben. Als Jüdin ist sie der antisemitischen Stimmung der Zeit ausgesetzt. Gegen eine drohende Verhaftung soll sie sich später so lautstark gewährt haben, dass sie davon kam. Von den Höhen und Tiefen ihrer Zeit in Paris berichtet sie Anfang der Dreißiger Jahre in ihren Erinnerungen, zu denen nicht nur Picasso, sondern auch Raoul Dufy und Jules Pascin Illustrationen beisteuern. „Pan! dans l'oeil!" . . . ou trente ans dans les coulisses de la peinture contemporaine 1900-1930" lautet der Titel, „Peng! Mitten ins Auge! ... oder 30 Jahre in den Kulissen der zeitgenössischen Malerei 1900-1930". Mitten ins Auge schießen die progressiven Stile der Avantgarde, die glühenden Farben der Fauves, die kühnen Perspektiven der Kubisten. Weill gibt der neuen Malerei eine Bühne. Doch ihr Einsatz zahlt sich für sie selbst nicht aus. Da sie kaum Kapital hat, verlassen sie viele Künstler, um sich von mächtigeren Händlern wie Ambroise Vollard vertreten zu lassen. Die Galeristin stirbt 1951 in Paris, im Alter von 85 Jahren.