Alex Torreto ist Barbier und betreibt in Frankfurt einen sehr erfolgreichen Barbershop. Für das SCHIRN MAGAZIN nahm er die Bärte der Künstlerpropheten genauer unter die Lupe.

Der Bart gehört zum Propheten wie die Hornbrille zum Hipster (der darüber hinaus natürlich ebenfalls Bart trägt). Da machen auch die Protagonisten der SCHIRN-Ausstellung „Künstler und Propheten" keine Ausnahme. So unterschiedlich die Ideen auch waren, für die etwa der Sozialreformer Wilhelm Diefenbach, der Umweltaktivist Friedensreich Hundertwasser oder der Wanderprediger Gusto Gräser standen -- an den Köpfen, in denen diese Ideen ausgesponnen wurden, sprossen oft üppige Rauschebärte. Wir haben Alex Torreto, der in Frankfurt Bockenheim (Basaltstraße 46) einen angesagten Barbershop betreibt, gebeten, einige dieser Bärte einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.

Ludwig Christian Haeusser

Mit seinem schwarzen Gewand ähnelt Ludwig Christian Haeusser einem griechischen Priester. Um einen solchen Bart zu bekommen, muss man die Gesichtshaare einfach bloß wachsen lassen - mindestens neun Monate lang. Wenn Gräser mein Kunde wäre, würde ich erst einmal das Haupthaar kürzen und die Oberlippe freilegen, damit er wieder richtig essen kann. Ansonsten würde ich aber nicht viel verändern. Der Bart ist cool und durchaus zeitgemäß. Weil die Haare am Hals nicht ausrasiert wurden - viele Männer ziehen ja oberhalb des Kehlkopfs eine klare Kante - wirkt Haeussers Bart schön füllig. Ich kenne einige Leute, die so herumlaufen.

Johannes Baader

Mit seinem markanten Gesicht wirkt er auf mich wie der Star in einem Mafia-Film. Für seinen Bart könnte der Spartanerkönig Leonidas I. Pate gestanden haben. Im Gesicht von Johannes Baader gibt es übrigens ein paar kleinere Problemzonen, die für viele bärtige Männer auch heute noch typisch sind: Sowohl im oberen Backenbereich als auch direkt unterhalb der Unterlippe ist sein Bartwuchs an einigen Stellen nicht besonders dicht.

Gusto Gräser

Optisch erinnert er mich an Moses. Aber auch an Qui-Gon Jinn, den Lehrer von Obi-Wan Kenobi aus den Star Wars-Filmen. Gespielt wird er von Liam Neeson. Da fehlt nur noch das Laser-Schwert. Gusto Gräsers Bart ist kompletter Wildwuchs, aber nicht ungepflegt. Mir gefällt er.

Fidus

Fidus könnte glatt als D'Artagnan von den drei Musketieren durchgehen: Auch er kombiniert seinen Spitzbart mit einem gezwirbelten Schnurrbart. Anders als D'Artagnan hat Fidus aber zusätzlich noch einen Backenbart. Damals wie heute schneidet man die Konturen für einen Spitzbart am besten zunächst mit einer Bartschere. Wer will kann den Bart dann mit ein wenig Öl oder Wachs in Form bringen. Der Bart von Fidus wirkt auf mich top-gepflegt - auch wenn an einigen Stellen die Haare zu sehr über die Oberlippe wachsen. Weil ich kein Fan von Mittelscheiteln bin, würde ich allerdings an der Frisur etwas ändern: die Haare glatt nach hinten föhnen oder einen Seitenscheitel ziehen.

Frantisek Kupka

Frantisek Kupka lenkt sehr geschickt davon ab, dass die Backenhaare in seinem Vollbart nicht besonders dicht sind - ein genetisch bedingtes Problem, das der mit vielen Männern teilt. Zum Ausgleich verfügt Kupka aber über einen sehr beachtlichen Schnurrbart. Er betont ihn, indem er die langen Barthaare effektvoll zur Seite kämmt. Ich erinnere mich an einen Kunden, bei dem ich das neulich ganz genauso gemacht habe.

Gustav Nagel

Auf diesem Foto sieht er aus wie die Mona Lisa mit Schnurrbart. Ein Schnurrbart wie Nagel ihn trägt, ist in der Regel leichter zu pflegen als ein Vollbart - aber leider steht ihm der Bart nicht. Ein Schnurrbart steht nun mal nicht jedem. Vielleicht sollte man ihn etwas zwirbeln.

Karl Wilhelm Diefenbach

Ein klassischer "Ich hab kein Bock-mich-zum-rasieren-Bart". Bis er in etwa so lang ist, braucht es ungefähr anderthalb Jahre. Durch Diefenbachs lange, voluminöse Kopfhaare und den Backenbart wirkt sein Gesicht enorm breit. Grundsätzlich gilt: Wer von Natur aus ein schmales Gesicht hat, kann die Backenhaare ruhig etwas länger wachsen lassen. Bei einem breiten Gesicht, sollte man hingegen vorsichtig sein. Diefenbachs Bart wirkt nur im oberen Bereich gepflegt. Man darf aber nicht so streng sein: Anfang des Zwanzigsten Jahrhunderts gab es schließlich noch keine Kosmetikindustrie mit allen möglichen Pflegeprodukten, wie viele meiner Kunden sie heute ganz selbstverständlich verwenden - auch wenn Männer da in der Regel nicht so gerne drüber reden.

Friedensreich Hundertwasser

Ein schöner Wildwuchs-Vollbart. Um den Mund herum wurde er aber recht ordentlich gestutzt. Deshalb kommen die vollen Lippen nun sehr gut zur Geltung. Insgesamt erinnert mich Hundertwasser auf diesem Foto an einen russischen Priester.

Jörg Immendorf

Ein Kinnbart? Nicht wirklich! Das sind doch höchstens ein paar Stoppeln. Solche Kunden habe ich auch. Meist wollen sie von mir wissen, ob sie überhaupt Bartpotential besitzen. Oder sie lassen sich die Haupthaare schneiden. Wer mich kennt, weiß: Ich bin kein Freund von Hippie-Frisuren. Wer mit langen Haaren meinen Laden betritt, hat hinterher mindestens die Ohren frei.