Am 16. August hält Michael Riedel einen Vortrag in der Ausstellung „Kunste zur Text“ – doch ein Vortrag von Riedel bedeutet weitaus mehr, als man erwartet. Eine Vorschau.

Michael Riedel arbeitet bei Vorträgen gerne mit der Präsentationssoftware Power Point. Das klingt nach einer – für einen bildenden Künstler – konventionellen Art der Präsentation. Doch der Künstler beweist in seinen Vorträgen einen feinen Sinn für Humor. Riedel, dessen Arbeitsweise auf Reproduktion beruht, stellt dabei sein komplexes Wirken der letzten 15 Jahre vor und gibt einen überraschend detaillierten Einblick in seine künstlerische Entwicklung.

Eine hitzige öffentliche Debatte

In dem Vortrag zeigt Michael Riedel zahlreiche Fotografien und Filmdokumentationen seiner diversen Guerilla-Aktionen. Den Anfang macht sein Vortrag an der Städelschule 1997, bei der sich der Künstler eine Papiertüte mit der Aufschrift „Michael S. Riedel“ über den Kopf stülpte. Das „S.“ in dem Namen war frei erfunden – zehn Jahre später verkaufte Riedel den Buchstaben S. an eine Freundin, die es seitdem in ihrem Namen trägt.

Mit der Aktion „Moving Walls“ stellte der Künstler 2001 ein besonderes Verständnis von künstlerischen Aktionen unter Beweis: gemeinsam mit Achim Lengerer betrat er am 24. April 2001 die Galerie Michael Neff in Frankfurt, um die dortige Ausstellung „Moving Walls 180°“ von Jeppe Hein zu imitieren und sich dabei filmen zu lassen. Hein hatte zwei Wände in der Galerie installiert, die per Bewegungsmelder reagierten und in den Räumen von links nach rechts fuhren. Michael Riedel und Achim Lengerer krabbelten unangekündigt unter zwei mit weißer Wandfarbe bepinselten Pappkartons eine Viertelstunde in den Ausstellungsräumen hin und her und persiflierten die beweglichen Wände. Der Galerist fand im Nachhinein heraus, wer sich unter den Pappkartons versteckt hatte, und lud die beiden Guerilla-Künstler zu einem Gespräch in seine Galerie. Riedel und Lengerer wiederum reproduzierten und modifizierten daraufhin eine Einladungskarte der Ausstellung von Jeppe Hein und luden öffentlich zum Gespräch zwischen ihnen und Michael Neff ein. Daraus resultierte eine hitzige öffentliche Debatte, wer Einladungen in die Galerie vornehmen darf und wer nicht. 2006 wurden Rekonstruktionen der Kartons zusammen mit dem damals entstandenen Video der Aktion dann offiziell in der Galerie Neff präsentiert.

Michael Riedel konnte entkommen

Am 3. Juni 2011 betrat Michael Riedel, anlässlich der an diesem Tag eröffneten 54. Biennale in Venedig hinter einer venezianischen Maske versteckt, den Frankfurter Portikus. Die Künstler Julieta Aranda und Anton Vidokle veranstalteten dort die Ausstellung „Time/Bank“, mit der sie behaupteten, das Ausstellungshaus in eine Bank verwandelt zu haben. Michael Riedel, der in Begleitung eines Kameramannes die Ausstellung betrat, stopfte das dort ausgelegte Kunst-Geld in eine Sporttasche und versuchte zu entkommen. Ein Aufseher verriegelte die Eingangstür und verständigte die Polizei. Als jedoch ein italienisches Besucherpaar, das bei der Aktion ebenfalls im Portikus eingesperrt wurde, die Tür geöffnet bekam, konnte auch Michael Riedel entkommen. Die Transkription der Tonspur des mitgeschnittenen Filmmaterials lieferte wiederrum die Vorlage für ein Poster.

Aus den jeweiligen Aktionen, Audio- oder Filmmitschnitten, Einladungskarten und Ausstellungsplakaten, entstanden Riedels „Poster Paintings“, die in der Ausstellung „Kunste zur Text“ in der SCHIRN zu sehen sind. Die mit Power Point während seiner Vorträge präsentierten Dokumente vergangener künstlerischer Aktionen werden wiederum selbst zum Kunstwerk. Mit den „Power Point Paintings“ entstand eine Werkreihe, bei der die Präsentationsfolien und der vom Computer grafisch animierte Überblendungseffekt während eines Folienwechsels benutzt wurden, um daraus großflächige Drucke zu entwickeln. Michael Riedel veranstaltete die Vortragsreihe „8 Kunst & Publikation“ bereits an der Bauhaus-Universität Weimar und im „The Kitchen“ in New York. Die Bezeichnung „Vortrag“ weist in die Irre: der Vortrag wird zur Performance und zum Thema seiner selbst. Er ist Teil von Riedels nahezu perfektem, selbstreferentiellem Kreislauf.

Im Anschluss an die Veranstaltung wird Michael Riedel den Ausstellungskatalog sowie Poster signieren.