Die Ausstellung KUNST FÜR KEINEN. 1933–1945 zeigt Werke von Künstler*innen, die während des Nationalsozialismus in Deutschland abseits des Regimes tätig waren und ohne Publikum blieben.

Zwischen 1933 und 1945 kontrollierte das nationalsozialistische Regime das künstlerische Schaffen in Deutschland. Insbesondere Künstler*innen, die wegen ihrer Religion, ihrer Herkunft oder politischen Einstellung verfolgt wurden, flüchteten vor den staatlichen Bedrohungen in die Emigration. Was aber passierte mit denjenigen, deren Kunst von den Nationalsozialisten diffamiert wurde und die dennoch im Land blieben? In der umfassenden Überblicksausstellung KUNST FÜR KEINEN. 1933–1945 zeigt die Schirn Kunsthalle Frankfurt, welche unterschiedlichen Strategien und Handlungsspielräume Künstlerinnen und Künstler in Deutschland nutzten, die keine Nähe zum NS-Regime suchten oder fanden.

Isolation, fehlendes Publikum und mangelnder Austausch prägten das Schaffen jener, denen im Nationalsozialismus die Arbeits- und Lebensgrundlage entzogen worden war. Ihre Situation wird oft pauschal als „Verfemung“ oder „innere Emigration“ beschrieben. Angesichts der konkreten persönlichen Umstände erfordern diese Begriffe jedoch eine nähere Betrachtung. Niemand konnte sich dem Regime gänzlich entziehen. Die neu etablierte Reichskammer der bildenden Künste überwachte den gesamten Kunstbetrieb. Ein Ausschluss führte zu einem Arbeits- und Ausstellungsverbot, das von der Gestapo kontrolliert werden konnte. Vor dem Hintergrund ihrer öffentlichen Diffamierung oder der Beschlagnahmung ihrer Werke im Zuge der Aktion und Ausstellung „Entartete Kunst“ entwickelten Künstler*innen unterschiedliche Strategien, um meist unter Ausschluss der Öffentlichkeit und unter widrigen Umständen künstlerisch tätig zu sein.

Anhand von 14 ausgewählten Biografien verdeutlicht die Ausstellung, dass nicht allein Apathie, Stillstand und Aussichtlosigkeit die künstlerische Arbeit in dieser Zeit bestimmten. Rückbezug auf das eigene Werk, Beschäftigung mit existenziellen Themen und inhaltliche Anpassung waren etwa Reaktionen auf die totalitäre NS-Kunstpolitik. Dabei waren die künstlerischen Antworten so unterschiedlich wie die Künstlerinnen und Künstler selbst. Um dieser Singularität gerecht zu werden, ist die Ausstellung nicht chronologisch oder thematisch aufgebaut. Sie definiert keine einheitliche stilistische Entwicklung, sondern beleuchtet vielmehr mit individuellen Fallbeispielen und etwa 140 Gemälden, Skulpturen, Zeichnungen und Fotografien die Vielfalt der Kunst, die abseits der offiziellen Regimekunst existierte, aber ohne Publikum blieb. 

Jeanne Mammen, Sterbender Krieger (Junger Soldat im Frontfeuer), um 1943, © Jeanne-Mammen-Stiftung im Stadtmuseum Berlin / VG Bild-Kunst, Bonn 2021, Foto: Oliver Ziebe, Berlin

Im ersten Raum der Ausstellung präsentiert die Schirn Werke von Jeanne Mammen. Als gelernte Gebrauchsgrafikerin hatte Mammen im Berlin der 1920er- und 1930er-Jahre mit Illustrationen etwa für die satirische Zeitschrift „Simplicissimus“ Erfolg. Nach 1933 zog sich Mammen konsequent aus dem Kunstleben zurück und mied jeden Kontakt mit dem nationalsozialistischen Regime, sodass sie trotz einiger Gelegenheitsjobs nahezu ohne Einkommen blieb. Auf sich selbst zurückgeworfen, stand sie mit nur wenigen in Deutschland verbliebenen Freunden wie dem Bildhauer Hans Uhlmann in Kontakt. Ab 1937 wandte sie sich, angeregt durch Pablo Picassos Guernica (1937), verstärkt einer kubistischen Formsprache zu. Inhaltlich griff sie konkret die Schrecken des Krieges und ihre persönliche Situation auf.

Wie Mammen zog sich auch Hans Uhlmann während des Nationalsozialismus aus dem öffentlichen Leben zurück und führte seine künstlerische Arbeit im Privaten fort. Als Mitglied der KPD hatte er früh die Gefahren des aktiven politischen Widerstands kennengelernt. Im ersten Jahr der nationalsozialistischen Diktatur wurde er verhaftet und überlebte das berüchtigte Gestapogefängnis Columbia-Haus mit Isolationshaft und mehrfachen Verhören. In seiner darauffolgenden eineinhalbjährigen Haft begann er erste Entwürfe für Metallplastiken, die er nach seiner Entlassung als Skulpturen umsetzte. 

Hans Uhlmann, Kopf, Femme aéroplane, 1937, Privatsammlung, © Foto: Ralf Hansen, Hannover / VG Bild-Kunst, Bonn 2022

Auch Edmund Kesting setzte zwischen 1933 und 1945 seine künstlerische Tätigkeit über Umwege aktiv fort. Ursprünglich der Malerei zugewandt, war er zwischen den Kriegen im Künstlerkreis der Galerie Der Sturm mit der Fotografie in Berührung gekommen, die ihm während des Nationalsozialismus ein Einkommen ermöglichte und zum künstlerischen Medium wurde. Nachdem 1933 seine progressive Kunstschule Der Weg schließen musste und 1937 zwölf seiner Werke aus öffentlichen Sammlungen beschlagnahmt wurden, zog er sich immer mehr aus dem Kunstbetrieb zurück und konzentrierte sich auf seinen Wirkungskreis in Dresden. Dort arbeitete er als Werbefotograf für verschiedene Firmen und dokumentierte ab 1935 die Werke des Grünen Gewölbes in den Staatlichen Kunstsammlungen. Nebenbei widmete er sich vor allem nachts der Porträt- und Architekturfotografie. Am 31. März 1933 wurde Willi Baumeister als Professor der heutigen Städelschule entlassen. Bis 1945 durfte er nur noch einmal in Deutschland ausstellen, 125 seiner Werke wurden beschlagnahmt. Dennoch blieb Baumeister in Deutschland und reagierte mit enorm gesteigerter Produktivität. Seine früheren konstruktivistischen und gegenständlichen Arbeiten wurden von abstrakten und biomorphen Formen abgelöst. Als Teil eines mit dem Surrealismus in Verbindung stehenden Trends der 1930er- und 1940er-Jahre griff er archaische Themen und Stile auf. 

Werner Heldt gehörte zu den Künstlern, die sich direkt nach 1933 für das Exil entschieden. Auf Mallorca beschäftigte er sich zusätzlich zu seinem bisherigen Hauptmotiv Berlin mit dem Phänomen von Menschenansammlungen, angeregt durch die bedrohlichen Aufmärsche der Nationalsozialisten. Herausragend ist hier die in der Ausstellung gezeigte großformatige Kohlezeichnung „Meeting (Aufmarsch der Nullen)“ (1933–1935). Im Jahr 1935 zwang der Spanische Bürgerkrieg Heldt zur Rückkehr nach Berlin, wo er als Mitglied der Reichskammer der bildenden Künste ein Atelier in der Ateliergemeinschaft Klosterstraße bezog. Inhaltlich stand seine Arbeit nicht im Widerspruch zur nationalsozialistischen Kunstauffassung und war unverfänglich, allerdings auch nicht ideologisch verwertbar. 

Edmund Kesting, Trümmerstätte an der Dresdner Frauenkirche, 1945, © Galerie Berinson, Berlin / VG Bild-Kunst, Bonn 2022
Willi Baumeister, Mann mit Spitzbart, 1941, Privatsammlung, © Archiv Baumeister im Kunstmuseum Stuttgart / VG Bild-Kunst, Bonn 2021

Die unmittelbaren Folgen des Kriegsregimes trafen auch Fritz Winter schwer. Seine vielversprechende Karriere als Künstler wurde durch die Aktion „Entartete Kunst“ radikal beendet. 1939 wurde Winter zum Kriegsdienst einberufen, nahm am Polen- und Russlandfeldzug teil, geriet in russische Gefangenschaft und kehrte erst 1949 aus Sibirien zurück. Als Soldat zeichnete er mit Bleistift in Skizzenbücher. Zwischen 1941 und 1944 entstanden so über 300 Zeichnungen, die eine intensive Auseinandersetzung mit der Natur belegen und die er während eines Genesungsurlaubs farbig in der bekannten Werkserie „Triebkräfte der Erde“ (1944) umsetzte. 

Zu den Profiteuren des Nationalsozialismus zählte zunächst Franz Radziwill. Er suchte nicht nur politisch die Nähe zum Regime, sondern auch künstlerisch in seinem Werk. 1933 trat er in die NSDAP ein und erhielt eine Professur an der Düsseldorfer Kunstakademie. Schon kurz darauf verlor er allerdings seinen Lehrauftrag, nachdem Studenten sein expressionistisches Frühwerk in Erinnerung gerufen und ihn denunziert hatten. 1937 wurden 200 seiner Werke beschlagnahmt. Obwohl Krieg und Kriegsgerät eine zentrale Rolle im Werk des Norddeutschen einnahmen, eigneten Radziwills Gemälde sich wegen ihrer Ambivalenz und unheroischen Darstellungsweise nicht als kriegsbejahende Propagandabilder. Einen sukzessiven Wandel seiner Weltanschauung dokumentieren die nachträgliche Veränderung und Überschreibung seiner Werke.

Fritz Winter, Triebkräfte der Erde, 1944, Dauerleihgabe aus der Kunstsammlung der Westfälischen Provinzial Versicherung Aktiengesellschaft, © LWL-Museum für Kunst und Kultur, Westfälisches Landesmuseum, Münster, Foto: Sabine Ahlbrand-Dornseif / VG Bild-Kunst, Bonn 2022

Da er sich zuvor öffentlich gegen den Nationalsozialismus positioniert hatte, wurde auch dem Hochschullehrer Karl Hofer direkt nach 1933 die finanziell gesicherte Lebensgrundlage mit seiner Entlassung entzogen. Sein Werk wurde in der Ausstellung „Entartete Kunst“ und durch das Entfernen seiner Arbeiten aus öffentlichen Sammlungen weiter diffamiert, doch konnte er trotz anderslautender persönlicher Berichte noch längere Zeit im In- und Ausland ausstellen und verkaufen. Neben in sich gekehrten Darstellungen mehren sich ab 1933 allerdings Werke mit apokalyptischer Stimmung.

Obwohl Hans Grundig und Lea Grundig in den Jahren ab 1933 mehrmals die Möglichkeit hatten, ins Ausland zu fliehen, kehrte das Paar im Zeichen des Widerstands immer wieder nach Deutschland zurück. Trotz der wachsenden Gefahren als überzeugte Kommunisten und der jüdischen Glaubenszugehörigkeit von Lea Grundig lebte das Ehepaar weiter unter dem NS-Regime und arbeitete ab 1936 im Untergrund. Beide verarbeiteten die aktuelle Situation ihres Heimatlandes in nahezu visionären, nichts beschönigenden Bildwelten. Die Zeit von 1933 bis 1940, dem Jahr, in dem Hans Grundig im Konzentrationslager Sachsenhausen interniert wurde, gilt überdies als seine produktivste Phase. In Werken wie „Kampf der Bären und Wölfe“ (1938) oder der Radierfolge Tiere und Menschen nutzte er die Tierfabel, um der ständigen Isolation und Bedrohung Ausdruck zu verleihen. Lea Grundig, zum ersten Mal 1936 verhaftet, 1938 wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ verurteilt, schuf schon 1935 den in der Schirn zu sehenden Zyklus „Der Jude ist schuld“ und von 1933 bis 1937 die antifaschistischen Grafiken „Unterm Hakenkreuz“. Nach dem Leidensweg der Trennung, der KZ-Haft von Hans Grundig sowie der erzwungenen Flucht und dem Exil von Lea Grundig trafen sich beide 1949 nach dem Krieg in Dresden wieder und verbrachten die restliche Zeit ihres Lebens in Deutschland.

Lea Grundig, Unterm Hakenkreuz, Blatt 7: Das Flüstern, 1935, © Jüdisches Museum Frankfurt, Foto: Herbert Fischer / VG Bild-Kunst, Bonn 2022
Hans Grundig, Kampf der Bären und Wölfe, 1938, © bpk / Nationalgalerie, SMB, Foto: Klaus Göken / VG Bild-Kunst, Bonn 2022

Ernst Wilhelm Nay befand sich Anfang der 1930er-Jahre am Beginn seiner künstlerischen Karriere, die im Nationalsozialismus ein abruptes Ende fand. Obwohl er als Mitglied der Reichskammer der bildenden Künste bis 1936 noch vereinzelt ausstellen konnte, wurden seine Werke im Zuge der Aktion „Entartete Kunst“ beschlagnahmt und diffamiert. Seine finanzielle Situation verschlechterte sich zunehmend. Dennoch kennzeichnen die folgenden Jahre nicht Regression oder Stillstand, sondern die Reifung seiner künstlerischen Ideen. 1937 reiste Nay nach Norwegen, wo er dank eines Arbeitsstipendiums auf den Lofoten zu seinem eigenen Stil fand. Zurück im Berliner Atelier gelang es ihm, die Natureindrücke der norwegischen Landschaft in eine abstrakte Formsprache zu überführen. 

Hannah Höch war 1929 nach großem Erfolg in den Niederlanden als selbstbewusste aufstrebende Künstlerin nach Berlin zurückgekehrt und reagierte umso sensibler auf die politischen Entwicklungen in Deutschland, mit denen sie sich auch persönlich konfrontiert sah. 1932 wurde ihre erste Einzelausstellung im Dessauer Bauhaus durch die Nationalsozialisten verhindert. Als direkte Reaktion auf die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichkanzler malte die Künstlerin eine apokalyptische Endzeitvision. Mit Kriegsbeginn zog sie sich nach Berlin-Heiligensee zurück und reflektierte mit überzeitlichen Darstellungen des Elends die Bedrohung des Nationalsozialismus und die Schrecken des Krieges.

Ernst Wilhelm Nay, Frauenkopf in Hand gestützt, 1944, Leopold-Hoesch-Museum & Papiermuseum Düren, © Foto: Peter Hinschläger Fotografie / Ernst Wilhelm Nay Stiftung / VG Bild-Kunst, Bonn 2021
Hannah Höch, 1945 (Das Ende), 1945, Berliner Sparkasse, © VG Bild-Kunst, Bonn 2021

Zusammen mit ihrem Lehrer Willi Baumeister verließ Marta Hoepffner auf eigenen Wunsch 1933 die Frankfurter Kunstgewerbeschule. Als Fotografin konnte sie sich wegen der großen Nachfrage nach Gebrauchsfotografie mit Porträtaufnahmen, Aufträgen für Werbeprospekte und Zeitschriften ein Einkommen sichern und gründete in Frankfurt am Main ihre eigene „Werkstätte für künstlerische Fotoaufnahmen“. Von 1936 bis 1938 gestaltete sie für Das Illustrierte Blatt der Frankfurter Zeitung 13 Bildgeschichten und zwei Titelblätter, in die sie avantgardistische Techniken wie die Fotomontage und das Fotogramm einfließen ließ.

Otto Dix verlor unmittelbar im Jahr 1933 seinen Lehrstuhl an der Dresdner Akademie. Im selben Jahr zog er mit seiner Familie nach Randegg nahe dem Bodensee und veränderte ab diesem Zeitpunkt seine Sujets drastisch. Düstere Landschaften und christlich-allegorische Themen lösten als dominante Motive seine überzeichneten sozialkritischen Typenporträts und ungeschönten Kriegsdarstellungen ab, für die er in der Weimarer Republik bekannt geworden war. Trotz der Diffamierung und Beschlagnahmung seiner früheren Arbeiten konnte Dix Mitglied der Reichskulturkammer der bildenden Künste werden und für private und institutionelle Auftraggeber arbeiten. Im Verborgenen wandte er sich ab 1943 erneut einer expressiv-figurativen Gestaltungsweise mit gesellschaftskritischem Inhalt zu.

Marta Hoepffner, Selbstbildnis, 1935, © Zeppelin Museum Friedrichshafen / Estate Marta Hoepffner
Otto Dix, Judenfriedhof in Randegg im Winter mit Hohenstoffeln, 1935, Saarlandmuseum – Moderne Galerie, © bpk / Stiftung Saarländischer Kunstbesitz, Foto: Tom Gundelwein / VG Bild-Kunst, Bonn 2022

KUNST FÜR KEINEN. 1933–1945

4. März – 6. Juni 2022

Mehr Infos zur Ausstellung