In den Animationen von Nathalie Djurberg und Hans Berg wird das Tier zum Mensch und der Mensch zum Tier. Wortwörtlich.

Wölfe und Krokodile in Lederjacken rauchen lässig eine Kippe, Frauen tauschen Intimitäten mit Fröschen und Tigern aus. „Sex ist etwas, das alle Menschen und Tiere verbindet“, so die Künstlerin Nathalie Djurberg kürzlich in einem Interview. „Es ist eines unserer grundlegendsten Bedürfnisse und Instinkte“. In ihren Arbeiten geht sie gemeinsam mit Hans Berg dieser Verbindung nach. 

Begehren und Verführung motivieren nicht nur das lustvolle Aufeinandertreffen menschlicher und nichtmenschlicher Organismen, sondern setzen auch ihr Verschmelzen, ihre gegenseitige Einverleibung in Gang. 

Maybe we are all fucked up

„Well. I woldent say she’s completely fuckt up“, sinniert ein mit Kohlestift gezeichneter Wolf. Der Wolf ist Protagonist von „Untitled (Vargen)“ (2003), einer der ersten Filme von Nathalie Djurberg. Und er spricht mit uns, als wären wir unerwünschte Besucher: „My English bathers you? What abaot the way she animated mi arm?“. Djurberg selbst ist hier gemeint. Tieren mit oft unschönen – und nur allzu menschlichen – Charakterzügen begegnen wir seither in fast jeder Arbeit des schwedischen Künstlerduos. In „Dark Side of the Moon“ (2017) etwa ringt ein dickbäuchiges Schwein mit dem Verlangen, ein womöglich schmachvolles Geheimnis aufzulösen.

Nathalie Djurberg & Hans Berg, Dark Side of the Moon, 2017, Stop motion animation, video, music, 6:40 Min., © Nathalie Djurberg & Hans Berg / VG Bild-Kunst, Bonn 2018

Ein zwielichtiges Krokodil mit Goldzahn und Lederstiefeln wird in „One Need Not be a House, The Brain Has Corridors“ (2018) von einem goldbehangenen Hunde-Gangster in die Knie gezwungen. Wenig später fummelt das Krokodil am Hintern einer Schweinedame in einem knappen Höschen herum. „I want to conquer“. Hier will man erobern – und erobert werden. Mit einem Bein auf der Bettkante trocknet eine Frau ihren nackten Körper mit einem Handtuch ab. Sobald sich die Schnauze des hinter ihr lauernden Tigers nähert, streckt sie ihm ihren Hintern entgegen, bietet ihm ihren Körper an. Schließlich schlüpft sie mit ihm unter die weiße, spitzenbesetzte Bettdecke.

Nathalie Djurberg & Hans Berg, One Need Not Be a House, The Brain Has Corridors, 2018 © Nathalie Djurberg & Hans Berg / VG Bild-Kunst, Bonn 2018

„Warum habe ich diesen Drang, diese Dinge immer und immer wieder zu tun?“ fragt die Protagonistin der Animation, die konsequenterweise den Titel „Tiger Licking Girl’s Butt“ trägt. In „Untitled (Acid)“ von 2010 schleckt wiederum eine (ebenfalls nackte) Frau über den Rücken eines (vermutlich halluzinogenen) Froschs. Und der Frosch leckt zurück. Begleitet von einem psychedelischem Trommeln zieht sie bald den kleinen grünen Körper über ihre Haut, lässt sich von dem Frosch betasten und abschlecken, über ihre Genitalien krabbeln.

Immer wieder lenkt der Film unseren Blick auf ausladende Pobacken, den erwartungsvoll wedelnden Schwanz des Tigers, die fleischige Zunge des Froschs. Djurbergs Körperdarstellungen – kleine Köpfe, lange Gliedmaßen, ausgeprägte Hintern, Brüste und Bäuche – erinnern an Michail Bachtins Konzept des grotesken Realismus. Dieser zeigt den Körper oft disproportioniert, prall, zu klein oder unvollständig. Körperöffnungen wie Mund, Nasenlöcher oder Anus werden betont, die unteren Regionen (Bauch, Beine, Füße, Gesäß und Genitalien) haben Vorrang vor den oberen. Der Körper wird also nicht mehr gesteuert von Geist und Vernunft, sondern durch seine Bedürfnisse und Triebe. Mit einer sauberen Ganzheitlichkeit wird dadurch lustvoll gebrochen. 

Warum habe ich diesen Drang, diese Dinge immer und immer wieder zu tun?

Aus „Tiger Licking Girl’s Butt“
Nathalie Djurberg & Hans Berg, Tiger Licking Girl’s Butt, 2004 © Courtesy the artists, Gió MARCONI, Lisson Gallery, Tanya Bonakdar Gallery

Djurbergs und Bergs Filme führen diese Brechung noch einen Schritt weiter, wenn sie zeigen, wie sich Körper füreinander öffnen, sich zu einer amorphen Form zusammenfügen, voneinander Besitz ergreifen oder sich im Verfall multiplizieren. Der (nackte) weibliche Körper steht dabei meist im Zentrum dieses Prozesses. In „Putting Down The Prey“ (2008) erlegt eine Jägerin ein Walross, um es aufzuschneiden und, nach Entnahme der Gedärme, ins Innere des noch warmen Körpers zu schlüpfen.

Körper fügen sich zusammen und multiplizieren sich im Verfall

„Das Walross wird zur Beute eines posthumanen Projekts des Walrosswerdens“ schreibt Patricia McCormick im Katalog zur Ausstellung. In „Turn into me“ (2008) wiederum verwandelt sich der menschliche Körper einer Frau, indem er von der tierischen Welt besiedelt wird. Nachdem eine nackte Frau im Wald zu Boden gesunken ist, beobachten wir ihre Verwesung wie im Zeitraffer. Maden fressen sich in ihr Fleisch hinein und quillen aus ihr heraus. Ein Maulwurf und ein Waschbär machen es sich schließlich im Skelett bequem und lassen dieses, noch mit einigen sterblichen Überresten behangen, durch den Wald laufen. 

Nathalie Djurberg & Hans Berg, Putting down the Prey, 2008 © Nathalie Djurberg & Hans Berg / VG Bild-Kunst, Bonn 2018

„Snake With a Mouth Sewn Shut, or, This is a Celebration” entstand erst im letzten Jahr. Hier beobachtet eine Frau mit Horror die ständige Verwandlung ihres Körpers, der von einem schlangenähnlichen Dämon heimgesucht scheint. „I tried to keep it in, I pushed it down.“ Doch es hilft nichts. Der Schlange lässt sich das Maul nicht zunähen. Ihr wachsen Schuppen, aus dem Hintern taucht eine Schlange hervor, ihr Echsenkörper verfällt zum Skelett. Ein Baby, mal als Menschenkind, mal als Disney-Häschen im Strampelanzug, ist Zuschauer dieser zehrenden Metamorphosen.

Alles und jeder ringt mit materiellen und körperlichen Versuchungen

Die Tierfiguren in Djurbergs und Bergs Werken erfüllen keine rein allegorische Funktion. Man kann sie begreifen als gleichwertige Bewohner einer Welt, in der das Streben nach Beherrschung mit dem Wunsch nach Unterwerfung ausgehandelt werden muss, in der alles und jeder mit materiellen und körperlichen Versuchungen ringt. Eine Welt, in der Körper eben Körper sind: unvollkommen, formbar, dreckig, vergänglich „Well. I woldent say she’s completely fuckt up“, sagt der Wolf. „Mayby you are the fuckt up one“. Vielleicht sind wir alle am Arsch. Wortwörtlich.

Nathalie Djurberg & Hans Berg, Untitled (Acid), 2010 © Nathalie Djurberg & Hans Berg / VG Bild-Kunst, Bonn 2018
Nathalie Djurberg & Hans Berg, Untitled (Acid), 2010 © Nathalie Djurberg & Hans Berg / VG Bild-Kunst, Bonn 2018