Die Künstlerin Laxmi Hussain erforscht in ihren Arbeiten die besondere körperliche Nähe des Elternseins. Gleichzeitig fordert sie eine realistischere Darstellung von Mutterschaft in Kunst und Gesellschaft.

Laxmi Hussain, geboren und aufgewachsen in London, wurde erst Vollzeit-Künstlerin als sie Mutter wurde. Die Malerin ist die fünfte und letzte Künstlerin, die wir in unserer Serie zur Mutterschaft im Rahmen der Paula Modersohn-Becker Retrospektive interviewt haben. Außerdem Teil der Serie sind Hannah Cooke, Najja Moore, Lenka Clayton und Clarity Haynes.

Hussains leuchtend blaue, fließende Gemälde von weiblichen Körpern existieren irgendwo zwischen dem Abstrakten und dem Realistischen. Obwohl sie Architektur studiert hat, entschloss sie sich letztendlich dazu Malerin zu werden, um sich einen Teil ihrer Identität in den „emotionalen Verwischungen von Mutterschaft“ zurückzuerobern.

Laxmi Hussain, Portrait, Photo (c) Maria bell

Laxmi, kannst du uns ein bisschen über deine Kunstpraxis erzählen?

In erster Linie bin ich Malerin und ein Großteil meiner künstlerischen Praxis involviert auch das Zeichnen. Ich stelle oft den menschlichen Körper dar, in Teilen und in Nahaufnahmen. Seit kurzem binde ich auch Aspekte von Mutterschaft in meine Arbeiten ein, indem ich Elemente meines Babys fast wie Teile eines Puzzles in meinen eigenen Körper integriere. Einfach ausgedrückt: Ich liebe es Mutter zu sein, ich liebe diese wundervollen Momente, in denen ich mich vom Muttersein umarmt fühle, egal wie schwer und herausfordernd das auch manchmal sein kann. In meinen Arbeiten erforsche ich oft diese besondere Nähe.    

Kinder als Puzzleteil der eigenen Identität, eine tolle Metapher für Mutterschaft! Wie würdest du sagen hat dich das Thema Mutterschaft in deiner Arbeit beeinflusst?  

Es ist in allem was ich tue, sichtbar oder nicht. Mein ganzer Zeitplan ist davon dominiert, dass ich Mutter bin. Von Schulwegen bis zum Mittagsschlaf und allem dazwischen. In meinen Werken stelle ich unterschiedliche Elemente des Mutterseins dar, viele fühlen sich jedoch vor allem zum Baby und zu den weichen, glückseligen Momenten hingezogen – diese erscheinen klar und deutlich in all ihrem unterschiedlichen Teilen, die Mutter dagegen ist oft nicht so klar dargestellt, manchmal ist sie verschwommen oder gar nur eine Essenz. Wie schon erwähnt, liebe ich es Mutter zu sein und bin dankbar für diese Etappe meines Lebens, dafür, dass ich sie genießen kann, auch wenn es manchmal anstrengend ist. Trotzdem denke ich oft, dass die echte Erfahrung des Mutterseins nicht geteilt wird, das Jonglieren von Millionen von Dingen gleichzeitig, das Erlebnis, das sich der Körper verändert und die Nähe unserer Körper zu denen unserer Kinder, all das sind normale Teile dieser Veränderung im Leben und sollte unbedingt normalisiert werden.

Paula Moder­sohn-Becker war eine der ersten Künst­ler*innen, die das Thema Mutter­schaft syste­ma­tisch ange­gan­gen ist, indem sie sich selbst während der Schwan­ger­schaft sowie Kinder und Mütter an der Wende zum 20. Jahr­hun­dert portrai­tiert hat. Ist Mutter­schaft – schwan­ger werden, gebä­ren, Kinder aufzie­hen – immer noch ein Tabu Thema in der Kunst heut­zu­tage?

Ja, definitiv! Entweder ist es ein Tabu oder Mutterschaft wird auf ein Podest erhoben. Es gibt diese Idee der glückseligen Mutterschaft, die sehr oft dargestellt wird und an der viele festhalten. Aber Mutterschaft ist chaotisch, herausfordernd und anstrengend und trotzdem finden viele Mütter, dass es die wichtigste Rolle ihres Lebens ist. Mütter denken oft, dass sie kaum was am Tag geschafft haben. Die Wahrheit ist jedoch, dass viele Dinge, die wir vollkommen automatisch tun, nicht als Teil des Elternseins gesehen werden – das spiegelt das, was wir in der Kunst sehen wider, wir sehen eben nicht die Realität. Wir sehen all die wundervollen Elemente, aber nicht die Dinge, die die gesamte Erfahrung ausmachen: echte Frauen, die außerdem auch Mütter sind, Menschen und deren reale Erlebnisse, die über die Mutterschaft hinaus existieren.

Tabu oder Podest, schade, dass es oft auf diese oberflächlichen Sichtweisen hinausläuft. Hast du eigentlich eine persönliche Verbindung zu Paula Modersohn-Becker und ihren Arbeiten?  

In ihren Ansichten zum Thema Mutterschaft und Kunst stimme ich mit Paula Modersohn-Becker überein. Ich verstehe die Herausforderungen, die Müttern gestellt werden aus erster Hand: der Wunsch Mutter zu sein sowie das Verlangen zu Malen, eben gleichzeitig auch Künstlerin zu sein. Diese Balance ist schwer und Frauen, die Karriere machen wollen, wird oft suggeriert, dass es nicht möglich ist beides zu sein. Oder noch schlimmer, dass sie, wenn sie keine gute, aufmerksame Mutter sind, in ihrer Rolle versagen. Ich bewundere Modersohn-Beckers Arbeiten vor allem in der Hinsicht, wie sie die Art und Weise wie Frauen dargestellt werden in Frage stellte. Während sich unsere Körper an die Welt um uns herum anpassen, sollten wir die Freiheit haben, uns so darzustellen, wie wir wollen und das auch nach außen hin sichtbar zu machen.

Ja, Paula Modersohn-Becker war ihrer Zeit da weit voraus! Und doch hat auch sie selbst Mutterschaft relativ lange herausgeschoben aus Angst, nicht mehr als Künstlerin aktiv sein zu können… Was würdest du dem Betrachter gerne mit deinen Arbeiten zum Thema Mutterschaft mitgeben?

Ich lade die Betrachter*innen dazu ein, den Köper als Gefäß wahrzunehmen. Mutterschaft ist eine Erfahrung, bei der sich dieses Gefäß verändert und immer wieder anpasst und sich so durch die Zeit bewegt. Für einen Großteil meines Lebens habe ich immer nur eine Art von Körper gesehen und das hat beeinflusst, was ich von meinem eigenen Körper erwartet habe. Wir reagieren auf so viele Einflüsse im Leben, die dazu führen können, dass der Körper seine Form verändert und sich anpassen muss. Trotzdem wird uns beigebracht, das zu ignorieren und dieses Bild des perfekten Körpers im Kopf zu haben. Ich hoffe, dass meine Arbeiten den Betrachter*innen helfen können, Körper als Gefäße zu sehen, die sich in ständigem, unvermeidlichem Wandel befinden und dass das absolut normal ist.  

Das Normalisieren unterschiedlicher Körper ist definitiv etwas, was sich in Zukunft verbessern muss. Letzte Frage: Wenn du an das Thema Mutter­schaft in der Kunst denkst, wer kommt dir dann in den Sinn? Irgend­wel­che Künst­ler*innen, die dich inspi­riert haben?

Definitiv Hester Finch, ihre Arbeiten zum Thema Mutterschaft sind einfach großartig, so wie all ihre Arbeiten. Es gibt einige Fotografinnen, deren Arbeiten zum Thema Mutterschaft mich inspirieren, im Besonderen Lisa Sorgini.

Paula Modersohn-Becker

8. Oktober 2021 bis 6. Februar 2022

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