Ein Frankfurter Projekt bringt Flüchtlinge und Einheimische an einen Tisch. Am 30. November trafen sie sich im Schirn Café.

Montagabend, 17.30 Uhr: Auf dem Römer drängen sich Menschen um Weihnachtsmarktbuden, trinken Glühwein, essen, lachen, unterhalten sich und finden vielleicht neue Freunde. Heimelige Adventszeit. Typisch deutsch. Nur wenige Schritte entfernt findet zur gleichen Zeit im Schirn Café ein anderes Adventstreffen statt: Das Projekt „Über den Tellerrand kochen“ hat Frankfurter und Flüchtlinge zur „Winter-Wonderland-Party“ mit Buffet eingeladen. In der Mitte  ragt ein großer Weihnachtsbaum in den Raum, auf den Tischen steht Knabberzeug, eine Band spielt Popsongs und so langsam trudeln die ersten Gäste ein. Die meisten haben etwas zu essen mitgebracht: deutschen Nudelsalat, orientalischen Humus, Lebkuchen und syrische Süßigkeiten. Nachdem sie ihre Speisen abgegeben haben, bekommen sie einen Aufkleber, auf dem der Vorname, das Herkunftsland und die Sprachkennnisse notiert werden.

„Wir wollen, dass Menschen, die sich sonst nie getroffen hätten, an einem Tisch zusammen kommen. Das Essen und die Zubereitung sind oft ein guter Einstieg ins Gespräch. Selbst wenn man sich nur mit Händen und Füßen verständigen kann“, erzählt Christina. Sie arbeitet in einer großen Bank und hat gemeinsam mit Kollegen das Projekt gegründet. „Über den Tellerrand kochen Frankfurt am Main“ ist ein Ableger einer Berliner Initiative, die es bereits seit 2013 gibt. Die Idee: Durch das gemeinsame Kochen und Essen können sich Flüchtlinge und Einheimische auf Augenhöhe begegnen, Netzwerke knüpfen und neue Kulturen kennen lernen.

Im Sommer diesen Jahres wurde das Projekt ins Leben gerufen. Alle Mitglieder arbeiten ehrenamtlich. Finanziert wird die Initiative durch Spenden und Sponsoren. Es fanden bereits mehrere Veranstaltungen statt: drei Grillabende in der St. Gallus-Gemeinde und ein Kochevent im Club Michel. Mokthar, 25 Jahre alt, war bei jeder Veranstaltung dabei. Inzwischen gehört er zum Organisationsteam. Er lebt in Darmstadt, kommt aber ursprünglich aus Syrien. „Ich hatte dort einen guten Job im Marketing, eine gute Wohnung und ein gutes Auto. Ich hatte geplant, mein Leben in Syrien zu verbringen“, erzählt er uns im Schirn Café. 

Doch es kam anders: 2011 demonstrierte er gegen das Regime, wurde verhaftet und musste für 20 Tage ins Gefängnis. Danach war es für ihn zu gefährlich weiter im Land zu bleiben. Also beantragte er ein Visum und reiste über die Türkei nach Deutschland. Sein Asylverfahren dauerte 32 Monate. Eine lange Zeit ohne Arbeitserlaubnis. Also engagierte er sich ehrenamtlich in einem Deutsch-Syrischen Verein und lernte nebenbei deutsch. Als sein Asylantrag genehmigt wurde, arbeitete er ein Jahr lang als Servicekraft bei der Messe Frankfurt. Jetzt absolviert er ein Praktikum in einer Buchhandlung. Sein Ziel: eine eigene Wohnung für sich und seine Schwester in Frankfurt, denn zurzeit lebt er noch mit seinen Eltern und seiner Schwester gemeinsam in einer kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung. Ein weiteres Ziel: ein duales Studium. Nach seinem Praktikum in der Buchhandlung macht er aber erst einmal ein weiteres Praktikum bei einem Steuerberater. Diese Stelle hat ihm ein deutsches Projektmitglied vermittelt.

„Genau das wollen wir erreichen“, sagt Christina, „Eigeninitiative ist erwünscht. Beim letzten Treffen hat zum Beispiel ein Frankfurter Paar drei Geflüchtete kennengelernt. Sie haben sich nett unterhalten und beschlossen, am nächsten Tag gemeinsam in den Zoo zu gehen. Eine andere Frau konnte für eine Mutter einen dringend benötigten Kinderwagen besorgen und eine Freundin von mir hat spontan am Samstag Flüchtlinge und Freunde zu einem Kochabend in ihrer Wohnung eingeladen.“ Thomas von Janowski, der Bandleader an diesem Abend, hat eine Musikschule und plant das Projekt „Über den Tellerrand musizieren“ mit Flüchtlingen und Frankfurtern zu gründen, erzählt er. Um die Hilfe besser zu koordinieren, gibt es im Schirn Café auch einen Tisch, an dem man unter den Rubriken „Ich suche „ und „Ich biete“ Angebote und Gesuche aufzuschreiben kann.

Inzwischen ist es 19 Uhr, das Schirn Café ist voll, das Buffet eröffnet. Max Widmayer ist mit einer Gruppe von Freunden da. Sie haben einen schwäbischen Kartoffelsalat mitgebracht. Max hat sich bei der Flüchtlingsinitiative „Teachers on the road“ als Deutschlehrer engagiert. „Aber dort bin ich Lehrender. Hier ist es etwas anders, denn hier begegnet man den Menschen ganz gleichberechtigt auf einer Ebene“, sagt er. Um ihn herum sitzen Geflüchtete und Einheimische gemeinsam an den Tischen. Sie trinken und essen, lachen, unterhalten sich – und viele von ihnen werden an diesem Abend neue Freunde finden.