Das Städel Museum hat einen Online-Kurs zur modernen Kunst entwickelt. Stupides Büffeln ist dabei nicht gefragt, wichtig ist den Machern, dass ihr digitales Lernangebot den Usern Spaß macht.

Ein Kunstgeschichtekurs, das kann heute auch ein digitales Puzzle sein. Zwanzig Sekunden lang soll man sich Édouard Manets Bild „Die Krocketpartie“ von 1873 einprägen, danach wird es in gleich große Rechtecke zerlegt. Nun gilt es, die Malerei aus dem Gedächtnis wieder zusammenzusetzen. Man ist überrascht, wie kompliziert die Aufgabe zu lösen ist. Erst jetzt wird einem bewusst, wie viel pure Fläche das Werk ausmacht – und wie unterschiedlich die Grüntöne ausfallen. Man schiebt also Puzzleteile hin und her, versucht sich aus, arbeitet länger als gedacht an der Lösung. Es ist eine Schule des Sehens, die man hier durchläuft.

Mit dem Kurs geht es uns um die Erwei­te­rung des Bildungs­auf­trags eines Muse­ums in den digi­ta­len Raum.

Dr. Chantal Eschenfelder, Städel Museum

Mitte März ist das digitale Vermittlungsprojekt „Kunstgeschichte Online – der Städel Kurs zur Moderne“ gestartet. Mehr als 9000 User haben sich seitdem für den Kurs angemeldet, über 200 haben ihn bereits erfolgreich abgeschlossen. Etwa 40 Stunden braucht man, wenn man den kompletten Kurs absolvieren möchte. Das Angebot ist kostenlos, die Anmeldung unkompliziert. Entwickelt hat das Städel Museum den Online-Kurs in Zusammenarbeit mit der Leuphana Universität in Lüneburg, beteiligt waren dort das Institut für Philosophie und Kunstwissenschaft und das Centre for Digital Cultures. Chantal Eschenfelder, die am Städel Museum, aber auch in der Schirn und im Liebieghaus die Bereiche Bildung und Vermittlung leitet, die Lüneburger Kunstgeschichte-Professorin Beate Söntgen und der Berliner Dramaturg Herbert Schwarze waren für die Konzeption zuständig. „Mit dem Kurs geht es uns um die Erweiterung des Bildungsauftrags eines Museums in den digitalen Raum“, fasst Eschenfelder das Ziel des Projekts zusammen.

Aufgabe aus dem Onlinekurs, Foto: Städel Museum

Deswegen standen am Anfang des Projekts auch vor allem Fragen. Was wollen wir mit dem Projekt? Wie können wir das erreichen? Welche Themen dürfen auf keinen Fall fehlen? Und: Erzählen wir die Geschichte der modernen Kunst chronologisch oder mit Hilfe von Bausteinen? Darüber haben sich Eschenfelder und ihre Mitstreiter intensiv auseinandergesetzt. Den Wunsch, dass das Museum mehr Grundinformation über die Kunst der Moderne und die Gegenwartskunst anbietet, gab es schon länger. Viele Besucher hatten im Rahmen von Vermittlungsangeboten angemerkt, dass sie ein vertiefender Kurs sehr interessieren würde, einzelne Seminare zu den Grundlagen der Moderne wurden auch bereits vor Ort initiiert. Mit dem Online-Kurs sollen aber auch Menschen erreicht werden, die gar nicht zu den üblichen Besuchern des Städels gehören.

Viele Laien wissen mit Werken der Moderne oder der Gegenwartskunst oft wenig anzufangen. Sie rätseln darüber, welche Inhalte in den Werken stecken könnten, warum ein Künstler eine bestimmte Technik gewählt hat, oder fragen sich, in welchem gesellschaftlichen Zusammenhang die Arbeiten stehen. Dazu will der Online-Kurs Antworten und Denkanstöße liefern. Dass es um „visuelle Mündigkeit“ geht, sagt Chantal Eschenfelder. Schnell war klar, dass die Entwicklung der Moderne in dem Kurs nicht einfach chronologisch erzählt werden soll. Stattdessen gibt es fünf thematische Module, von „Sehen lernen“ und „Verborgenes entdecken“ über „Positionen ergründen“ und „Verbindungen zeigen“ bis zu „Sammeln und präsentieren“. Der Kurs setzt um 1750 ein, mit den Wurzeln der Moderne, die in der Zeit der Aufklärung liegen. Viele Laien verbinden den Start der Epoche aber noch immer wahlweise mit dem Impressionismus oder dem Expressionismus.

Aufgabe aus dem Onlinekurs, Foto: Städel Museum

Gerade beim Abschlussmodul „Sammeln und präsentieren“, der das Museum und seine Rolle in der Kunstwelt unter die Lupe nimmt, habe man lange überlegt, ob er wirklich Teil des Kurses sein soll, erzählt Chantal Eschenfelder. Dass das Modul zu komplex und umfangreich werden könnte, habe man befürchtet – auf der anderen Seite ist es ein Schlüsselthema, wenn es darum geht, die Entwicklung der Moderne und des heutigen Kunstmarkts zu verstehen. Die User jedenfalls zeigen sich von dem Angebot begeistert und geben positives Feedback, berichtet die Kunstvermittlerin. „Dass wir schon nach so kurzer Zeit so viele Absolventen haben, ist erstaunlich“, sagt Eschenfelder.

Digitorial im Onlinekurs, Foto: Städel Museum

Wichtig bei der Konzeption war auch, dass der Kurs unterhaltsam wird, dass ein Spannungsbogen entsteht, der es den Usern einfacher macht, am Ball zu bleiben. So fiel auch die Entscheidung, dass kein Museumsarbeiter oder Wissenschaftler durch das Programm führt, sondern ein Schauspieler, der es versteht, mit seinem Auftreten und seiner Stimme die Menschen zu fesseln. Mit Sebastian Blomberg, der etwa in den Kinofilmen „Baader Meinhof Komplex“ und „Der Staat gegen Fritz Bauer“ sowie am Münchner Residenztheater spielte, war dieser Darsteller bald gefunden. „Ironisch, provokativ und auch witzig führt er durch den Kurs, trotzdem vermittelt er das Wissen sehr glaubwürdig“, beschreibt Eschenfelder seinen Auftritt. Eine Woche lang wurde vor Ort im Städel gedreht. Von einem besonderen Künstler stammt auch das Sounddesign: Der Berliner Musiker Boys Noize, der schon Remixe für Snoop Dog, Depeche Mode, Daft Punk und die Pet Shop Boys anfertigte und gemeinsam mit dem Dubstep-Superstar Skrillex das Duo „Dog Blood“ bildet, hat es entwickelt.

Hinter den Kulissen mit Sebastian Blomberg, Foto: Städel Museum

Der Online-Kurs soll Spaß machen, soll kein stupides Büffeln sein. Das war dem Team, das ihn entwickelt hat, wichtig. Chantal Eschenfelder freut sich darüber, dass sich bereits Schulen gemeldet haben, die das Angebot im Unterricht nutzen wollen. Auch die Volkshochschule in Weimar plant einen eigenen Kurs, der auf dem Städel-Projekt fußen soll. „Das ist genau das, was wir erreichen wollten“, sagt sie.