Paris hat ein neues Museum für zeitgenössische Kunst: die Fondation Louis Vuitton, entworfen von Frank Gehry

Wie ein riesiges Schiff erhebt sich der Prestigebau über dem Park „Jardin d'Acclimatation" im Westen von Paris. Große, an Segel erinnernde Elemente aus Glas und filigranen Stahlbändern umspielen den Bau. Unter der zarten Hülle liegen begrünte Aussichtsplattformen, die die Besucher über Treppen und Brücken erschließen. Ein in abfallenden Terrassen angelegter Brunnen unterhalb des Gebäudes erweckt den Eindruck, die Fondation Louis Vuitton segle jeden Moment davon.

Seit Ende Oktober sind hier auf 11.000 Quadratmetern Werke aus der Sammlung Louis Vuitton zu sehen, darunter ortsspezifische Arbeiten von Künstlern wie Olafur Eliasson oder Ellsworth Kelly. Der Luxuskonzern Moët Hennessy-Louis Vuitton (LVMH), zu dem unter anderem das berühmte Modelabel Louis Vuitton gehört, hat Paris mit dem postmodernen Prachtbau verjüngt und sich selbst ein Monument gesetzt. Bernard Arnault, seit Jahrzehnten Mehrheitseigner und Vorsitzender des Konzerns, hat das Projekt aus eigener Tasche finanziert. Über die Kosten schweigt er sich aus. Sogar Staatsoberhaupt François Hollande kam zur Eröffnung, um sich im Glanz des Baus zu sonnen.

Vom ersten Entwurf bis zum fertigen Museum vergingen fast 15 Jahre. Ein ganzes Heer von Ingenieuren -- 200 sollen es gewesen sein -- musste antreten, um das technisch waghalsige Unterfangen zu realisieren. Frank Gehry, zu dessen berühmtesten Projekten das Guggenheim-Museum im spanischen Bilbao gehört, ist berühmt für seine dekonstruktivistischen Gebäude. Ende der Achtzigerjahre erhielt der Kalifornier dafür den prestigeträchtigen Pritzker-Preis. Mit der Fondation Louis Vuitton holt das heute über 80 Jahre alte Genie noch einmal zur pathetischen Geste aus. Er habe ein Schiff für das zur Kulturnation berufene Frankreich schaffen wollen, sagt er.

Mit seiner kubistischen Konstruktionsweise mutet das Museum wie ein hausgewordenes Werk Picassos an. Sich innerhalb dieses monumentalen Spätwerks Gehrys noch behaupten zu können, ist nicht leicht für die ausgestellten Werke. Wahrscheinlich sind die labyrinthisch im Bau verteilten und durchnummerierten Galerien deswegen so unaufgeregt gestaltet: kubisch, weiß, mit grauem Bodenbelag und schlichten Spots versehen. Wie aus einer dicken Eisdecke gehauene Quader lassen von oben Tagesslicht in einige der Galerien.

Zu den Höhepunkten zählt etwa ein Film des französischen Shootingstars Pierre Huyghe. Für „A Journey That Wasn't" (2005) reiste er mit einer Gruppe von Künstlern und Wissenschaftlern in die Antarktis. Dort filmten sie Albinopinguine und fingen faszinierende Bilder und Töne der sich aufgrund der globalen Erwärmung verändernden Landschaft ein. Für einen zweiten Teil der Arbeit reinszenierte Huyghe die Landschaft im New Yorker Central Park für Publikum: Ein mystisches Spektakel mit künstlichem Eis, Wasserdampfschwaden, flackernden Flutlichtern und einer futuristischen Soundkulisse, komponiert von Joshua Cody und Elliott Sharp und dargeboten von einem Sinfonie-Orchester.

Auch Christian Boltanskis „6. September" (2005) hinterlässt bleibenden Eindruck. Über drei Leinwände flimmern in schwindelerregender Geschwindigkeit in internationalen TV-Archiven zusammengesuchte Nachrichtenbilder von jedem 6. September -- Boltanskis Geburtstag -- zwischen 1944 und 2004. Kriege, Naturkatastrophen und gesellschaftliche Großereignisse werden zu einem von quietschenden Sounds begleiteten Bilderstrom der mediatisierten Geschichte, den die Besucher mit roten Buzzern stoppen können, um einzelne Bilder zu betrachten und sie dann wieder in den Fluss der Zeit zu entlassen.

Nachwuchstalent Oliver Beer bespielt einen Raum mit der performativen Soundinstallation „Composition for a New Museum" (2014): In je einer Ecke steht eine Sängerin oder ein Sänger mit dem Gesicht zur Wand, singt und produziert Töne, die mit der Architektur interagieren. Auch der Künstler Cerith Wyn Evans arbeitet mit Sound und Raum: In der Fondation Louis Vuitton hängt seine Soundskulptur „A=F=L=O=A=T" (2014), eine Krake aus etwa 20 gläsernen Flöten, in die über durchsichtige Schläuche Luft geblasen wird und die den Raum so mit einem vagen Klangteppich füllt.

Eine der größten Galerien ist Gerhard Richter gewidmet. Neben mehreren späten abstrakten Arbeiten hängt dort auch sein Bild „Hirsch" (1963). Monumentale Arbeiten lieferten zwei weitere deutsche Künstler: Thomas Schütte zeigt seine monströse Skulptur „Mann im Matsch" (2009), von Isa Genzken ist eine gigantischen Rose zu sehen, „Rose II" empfängt die Besucher gleich im Foyer.

Zur Sammlung Arnaults gehören natürlich noch mehr Werke, die künftig platziert werden sollen. Außerdem sind Sonderausstellungen mit zeitgenössischen Werken geplant. Noch ist im Erdgeschoss eine Schau zum Bau selbst installiert. Da ist unter anderem das Notizbuch zu sehen, das Gehry nach seinem ersten Treffen mit Arnault im Flugzeug auf dem Weg zurück nach Los Angeles mit spontanen Skizzen füllte, außerdem Modelle und im Zeitraffer abgespielte Filme des Bauprozesses. Ein wenig muss sich das Gebäude noch selbst feiern.