Mit der kameraerprobten Sonya Kraus, Moderatorin und Ex-Model, haben wir uns die Ausstellung "Paparazzi!" angesehen. Der Clou unserer neuen Serie: Ausstellung und Besucher sollen möglichst perfekt zueinander passen.

Sonya Kraus trägt ein sonnengelbes Kleid und eine dazu passende Blume im Haar, als sie in Flip-Flops über den roten Teppich schreitet. Sicher würde man sie jetzt fragen, von welchem Designer sie so sommerlich ausgestattet wurde - wenn der rote Teppich keine Kunstinstallation wäre, die ganz ohne leibhaftige Fotografen und Interviewer auskommt: samt simuliertem Blitzlichtgewitter und Stimmengewirr bildet er den Auftakt zur Paparazzi-Ausstellung in der Schirn.

Kraus war viele Jahre lang das bekannteste weibliche Gesicht von Pro7. Vor ihrer TV-Karriere arbeitete sie als Model. "Fotografiert werden ist für mich fast wie Zähneputzen, weil ich eine große Routine darin habe", sagt Sonya Kraus, die schon bei Veranstaltungen wie der Goldenen Kamera und dem Deutschen Filmpreis über den roten Teppich lief. "Dennoch wache ich manchmal aus meiner Abgebrühtheit auf und denke: Was für eine absurde Situation: Leute brüllen hinter der Absperrung meinen Namen und lichten mich eine Millionen Mal ab? Was passiert eigentlich mit all diesen Klicks?"

In einer Glasvitrine des Museums liegen Paparazzi-Utensilien, die in jedem James-Bond-Film ein Hingucker wären: Zigarettenschachteln, Feuerzeuge und Kugelschreiber mit eingebauter Kamera. Gleich daneben steht ein meterlanges Teleobjektiv. Ein Foto an der Wand gegenüber zeigt einen Paparazzo bei der Arbeit, der in einem Camouflage-Anzug steckt. "Die NSA ist ein Witz dagegen", kommentiert Kraus. Im Handy-Zeitalter ist der Einsatz solcher Spionagetechnik aber oft gar nicht mehr nötig.

Meine Schwangerschaften kamen durch Handyfotos ans Licht

"Seit Erfindung des Smartphones gibt es in Deutschland einige Millionen Paparazzi", sagt Sonya Kraus und erzählt zwei Anekdoten, die von großer Dreistigkeit und vom Verlust der Privatsphäre handeln. Die erste Geschichte ist ziemlich verstörend: "Vor einigen Jahren saß ich während eines Ibiza-Urlaubs im Restaurant und dachte: Ach guck mal, der Herr am Nachbartisch hat wohl seine Kontaktlinsen verloren. Als jemand, der selbst Kontaktlinsen trägt, weiß ich natürlich wie schlimm das ist. Als ich ihm beim Suchen helfen wollte, merkte ich, dass er dabei war, heimlich unter dem Tisch meine Beine zu fotografieren. Ich trug an dem Tag einen Minirock".

Die zweite Anekdote ist vergleichsweise lustig. Sie handelt davon wie Sonya Kraus in ihre Lektüre vertieft auf dem Boden einer Buchhandlung sitzt, als ihr jemand unvermittelt ein Fotohandy ins schokoladenverschmierte Gesicht hält - sie hatte kurz zuvor in eine Crêpes Chocolate gebissen. "Meine beiden Schwangerschaften kamen auch durch Handyfotos ans Licht", verrät sie. "Leserreporter hatten mich im Urlaub fotografiert. Journalisten sprachen mich daraufhin an: Frau Kraus, wir sehen ein Bäuchlein. Da gab es dann nichts mehr zu leugnen. Es ist schon seltsam, auf diese Weise geoutet zu werden."

Paris Hilton lebt von den Paparazzi, Britney Spears geht an ihnen zugrunde

Ähnlich wie Sonya Kraus Anekdoten, die abwechselnd für Entsetzen und Heiterkeit sorgen, lösen auch die Bilder in der Schirn die unterschiedlichsten Reaktionen aus: "Wunderbar selbstironisch" findet Kraus das Foto, auf dem der Paparazzo Ron Galella aus Angst vor einem schlagkräftigen Marlon Brando einen Football-Helm trägt. Auch das Bild von Kate Moss, die vom Rücksitz eines Autos einem Paparazzi die Zunge herausstreckt, entlockt ihr ein Lächeln. Fast sprachlos ist sie beim Anblick der nackten Jacky Kennedy - nicht wegen der Nacktheit, sondern wegen der Dreistigkeit, mit der Settimio Garritano die damalige First Lady 1972 aus großer Entfernung auf ihrer Privatinsel Skorpios ablichtete. Die heimlich aufgenommenen Fotos von Brigitte Bardot wirken auf Sonya Kraus dank ihrer sanften Schwarz-Weiß-Ästhetik sehr poetisch. "Trotzdem darf man nicht vergessen, dass es eine Art Raub ist, wenn ein Mensch ohne sein Wissen fotografiert wird. Er bekommt seine Würde genommen." Auch zu den intimen Fotos von Britney Spears und Paris Hilton hat Sonya Kraus eine klare Meinung: "Paris Hilton lebt von den Paparazzi, Britney Spears geht an ihnen zugrunde. Das ist der Unterschied."

So menschlich es auch sein mag, dass ein Fan dem Privatleben seiner Stars so nah wie möglich sein will - Sonya Kraus ist dieses Bedürfnis eher fremd: "Ich habe einmal die Gelegenheit ausgeschlagen, meinen Idole von Depeche Mode die Hände zu schütteln, weil ich nicht wollte, dass dadurch der Zauber flöten geht, den ich mit ihnen verbinde."

Die klare Grenze zwischen Beruf und Privatleben

Der Star, den Sonya Kraus am meisten bewundert ist Madonna. Da trifft es sich gut, dass zur Ausstellung eine kunstvoll abfotografierte Kollage aus Madonnas Müll gehört, den die französischen Paparazzi Pascal Rostain und Bruno Mouron aus der Abfalltonne der Sängerin kramten. Hinter Glas ist ein interessanter Mix aus Volvic-Flaschen und Fast-Food-Verpackungen zu sehen. Daneben Papiere, die Madonna einer klugen Vorahnung folgend durch den Reißwolf gejagt hat. "Die Idee hinter dem Werk finde ich toll. Es ist eine Kunst für sich, Müll so anzuordnen, dass er ästhetisch ansprechend wirkt".

In einem als "Café Paparazzi" inszenierten Winkel des Ausstellungsraums bedecken stapelweise Klatschmagazine die runden Tische. Dass sie es einmal auf den Titel eines dieser Skandalblättchen schaffen wird, glaubt Sonya Kraus nicht. Sie führt ein skandalfreies Leben. Die klare Grenze, die sie zwischen Beruf und Privatleben zieht, wird von der Presse akzeptiert.

Schwierig ist es aber manchmal trotzdem, die Kontrolle über das eigene Bild zu behalten. Erst vor kurzem musste Sonya Kraus feststellen, dass ein spanisches Bordell auf einer Plakatwand mit Fotos von ihr warb. Schon vor einigen Jahren klagte sie am Landgericht Frankfurt erfolgreich gegen den Ebay-Handel mit Bildern, bei denen ihr Gesicht auf Pornofotos montiert war. "Obwohl solche Fotos meist eher plump als trickreich gefälscht sind, nehmen manche Menschen sie für bare Münze und schicken sie mir dann zu", erzählt Sonya Kraus. "Mit der Bitte, ich soll unterschreiben."