Erfolgreiche Festivals, fantastische Bauprojekte und die Entdeckung des öffentlichen Raumes: Kuratorin und Autorin Paula Toppila berichtet über die pulsierende Kunstszene der finnischen Hauptstadt Helsinki.

Zur Zeit werden in und um die finnische Hauptstadt die Räume von Kulturinstitutionen erneuert und erweitert. Das Kiasma Museum für zeitgenössische Kunst wird in den kommenden sechs Monaten renoviert und im März 2015 mit der Ausstellung „Robert Mapplethorpe" wiedereröffnet. Die Schließung des städtischen Kunstmuseums Helsinki bis zum Herbst des kommenden Jahres ist auf seine Erweiterung am Standort Tennispalast zurückzuführen. Auch ein Geschoss des Kunstmuseums Ateneum wird gerade renoviert. Zudem bewegen die Kunstwelt auch Träume und bereits existente Pläne für neue Museen. Im vergangenen Jahr enthüllte das von einer Privatstiftung unterhaltene Amos Anderson Kunstmuseum überraschenderweise Pläne für weitere Museumsräume direkt im Stadtzentrum. Sie werden in und unterhalb des sogenannten Glaspalasts liegen, einem wunderbaren, in den 1930er-Jahren nach Plänen von Viljo Revell im Stil des Funktionalismus errichteten Gebäude, das unter anderem Helsinkis größtes Kino Bio Rex beherbergt. Die Nachricht über diese Erweiterung wurde strategisch geschickt lanciert, inmitten der hitzigen Debatte über das von der Solomon R. Guggenheim Foundation projektierte Guggenheim Helsinki, das der Stadtrat im Frühjahr 2012 endgültig ablehnte. Diese Geschichte ist noch nicht zu Ende, doch inzwischen wurde ein -- ebenfalls privat finanzierter -- Museumsflügel in Mänttä (250 Kilometer von Helsinki entfernt) neu gebaut und eröffnet: eine der zeitgenössischen Kunst gewidmete Erweiterung der Serlachius Museen.

Trotz des lokalen Widerstands ist das Projekt Guggenheim Helsinki nun so weit gediehen, dass die Solomon R. Guggenheim Foundation private Geldmittel für einen offenen Architektenwettbewerb für das neue Museumsgebäude akquiriert hat. Eingereicht wurden 1715 Entwürfe aus 77 Ländern, aus denen die sechs vielversprechendsten ausgewählt und im Dezember öffentlich gemacht werden. Dieser Wettbewerb ist auf Kritik gestoßen, da die Aussichten, dass für den tatsächlichen Bau des Museums städtische finanzielle Mittel zur Verfügung stehen werden, äußerst gering sind. Doch hat die Stadt Helsinki für das vorgeschlagene Museum in herausragender Lage am Südhafen ein Ufergrundstück reserviert.

 

Der öffentliche Raum scheint nicht nur auf Institutionen eine besondere Anziehungskraft auszuüben, sondern auch, wenn es um zeitlich begrenzte künstlerische Aktionen geht. Als das IHME Festival für zeitgenössische Kunst 2008 begann, große, im Jahresturnus stattfindende öffentliche Kunstprojekte zu veranstalten, interessierte man sich in Finnland noch wenig für den öffentlichen Raum. Zuvor hatte es einige Projekte von Kunstinstitutionen gegeben, einige Festivals, die von Künstlern organisiert worden waren, und auch gelegentliche in der Öffentlichkeit veranstaltete Events. Nach und nach ist es jedoch Programm geworden, partizipatorische Projekte in der Stadt in Auftrag zu geben und zu organisieren. Einen wichtigen Beitrag zu dieser Entwicklung haben das Helsinki Festival sowie IHME in Zusammenarbeit mit kleineren Festivals geleistet, die das Festival in seine Programme und Marketingstrategien eingliederte. Im vergangenen Jahr hat das Helsinki Festival einen weiteren Akteur zentral eingebunden: den von der Stadt finanzierten Checkpoint Helsinki, welcher ein Produkt des Widerstandes von Künstlern und im Kunstbereich tätigen Personen gegen die Pläne für das Guggenheim Helsinki war. Hauptziel des Checkpoint Helsinki war es zunächst, bei aufstrebenden Künstlern des In- und Auslands Arbeiten in Auftrag zu geben und sie in die lokalen Museumssammlungen zu integrieren.

Das Helsinki Festival ist ein Festival aller Künste, der Schwerpunkt liegt auf Musik und Theater. In den letzten Jahren stießen jedoch auch Projekte der bildenden Kunst auf größeres Interesse und wurden besser finanziell unterstützt. In diesem Jahr hat das Festival mit vier Kunstmuseen zusammengearbeitet: dem Kunstmuseum Helsinki, dem Espoo Museum für moderne Kunst, dem Finnischen Fotografiemuseum und dem Amos Anderson Kunstmuseum. Letzteres hat zusammen mit dem Kunstmuseum Helsinki den japanischen Künstler Tatzu Nishi eingeladen, das außergewöhnliche „Hotel Manta of Helsinki" zu schaffen, in dem Besucher eine Nacht mit einer der beliebtesten Skulpturen des öffentlichen Raumes verbringen können: mit Ville Vallgrens Bronze-Meerjungfrau „Havis Amanda" (genannt Manta). Zusammen mit dem Amos Anderson Kunstmuseum gab das Festival eine öffentliche Skulptur bei dem finnischen Künstler Tommi Toija in Auftrag, ein Projekt, das von einer vielbeachteten Schau im Museum selbst begleitet wurde. In den letzten sechs Jahren hat dieses IHME-Projekt an zahlreichen Orten in Helsinki stattgefunden -- von Parks und Bibliotheken über den Bahnhof und den Marktplatz bis zu diversen Stadtbezirken und Vororten --, wo es von den jeweiligen Einwohnern entdeckt werden kann. Die Auftragsarbeit dieses Jahres ist zum ersten Mal weltweit über das Internet zugänglich -- dank einer Zusammenarbeit mit Yleisradio (YLE), Finnlands nationaler Rundfunkanstalt, kann der Film „True Finn" der israelischen Künstlerin Yael Bartana bis Ende 2014 auf dem Internet-Serviceangebot YLE Areena abgerufen werden.

Die Finanzierung von Kunst- und Kulturinstitutionen durch die öffentliche Hand hat in Finnland stets eine wichtige Rolle gespielt. In Nordeuropa gehört es zur Tradition, dass der Staat Kunst und Kultur fördert und sie jedem Menschen zugänglich macht. Die Aufgaben von Staat und Regionen sind klar verteilt, und gemeinsam haben sie zahlreiche nationale Kunstinstitutionen unterstützt. Deren Existenz ist durch die Gesetzgebung gesichert, die garantiert, dass sie nicht durch politische Veränderungen gefährdet werden. Heute stehen jedoch sowohl der Staat als auch die regionalen und kommunalen Verwaltungen unter dem Druck, Budgets zu beschneiden, was nicht nur die Kultur, sondern auch Bildung und Sozialwesen betrifft. Folglich spielen, wie schon weiter oben zu sehen war, private Stiftungen zur Absicherung der kulturellen Dienstleistungen eine zunehmend wichtige Rolle. Eine wichtigere Rolle spielen -- im Zuge der dieser Situation geschuldeten Finanzierungspolitik, die flexibler geworden ist, um eher Projekte zu finanzieren als Institutionen -- nun auch Kulturzentren, kulturelle Events und Festivals. Zu Recht blicken die im kulturellen Sektor tätigen Personen den nächsten Parlamentswahlen entgegen und fragen sich besorgt, wie stark die Einsparungen bei Kunst und Kultur ausfallen werden.

Auch in diesen politisch und wirtschaftlich schwierigen Zeiten gibt es außerhalb der etablierten Institutionen Helsinkis eine pulsierende Kulturszene, und mehr und mehr Aktivitäten werden in Zusammenarbeit mit anderen Akteuren auf nichtkommerzieller Basis realisiert. Kollektive Projekte, die nichts kosten, wie der „Restauranttag" (an dem jeder für einen Tag ein Restaurant oder Café eröffnen kann) und der „Ausmisttag" (Siivouspäivä, an dem die ausrangierten Dinge auf riesigen kollektiven Flohmärkten verkauft werden) sind nach wie vor sehr beliebt, sie bringen Menschen zusammen und ermöglichen ihnen, auf unterschiedlichste Art und in den unterschiedlichsten Lebensbereichen kreativ zu werden.