R&B, Rap und Soul mit deutsch-spanischen Texten und einem hörbaren Faible für die Neunziger: Ein Studiobesuch bei der Frankfurter Rapperin Alyssa.

„Habt ihr lange gewartet?“ Alyssa empfängt uns am Eingang eines Atelierhauses im Fechenheimer Industriegebiet und führt uns in den Keller. Hinter uns fällt die mit Pyramidenschaumstoff gepolsterte Tür ins Schloss. Durch ein Mosaik aus Glasbausteinen dringt Herbstlicht in den Raum, der die Gemütlichkeit eines Wohnzimmers mit der Funktionalität eines Tonstudios verbindet.

An weißen Wänden hängen nicht nur Schallabsorber aus Holz, sondern auch Gemälde mit den Konterfeis der beiden Rapper Kendrick Lamar und Notorious B.I.G. Gegenüber der Sitzecke mit dem breiten Sofa steht der Arbeitstisch mit der Studiotechnik. Eine Glastür rechts daneben gibt den Blick in die kleine Gesangskabine frei. Ein paar Instrumente gehören auch zum Inventar: zwei Keyboards und eine elektrische Gitarre. Wir legen unsere Jacken ab. Draußen ist es kalt, doch Alyssa hat die Heizung aufgedreht. „Ich bin eine Frostbeule“, bekennt die Musikerin. Weil zwar Bierdeckel (passenderweise in Form von Schallplatten), aber keine Gläser vorhanden sind, trinken wir unser Mineralwasser ganz unkompliziert direkt aus der Flasche.

Je mehr Emotion, umso schnel­ler entsteht ein Text

Alyssa macht R&B, Rap und Soul – mit deutschen Texten, in die immer mal wieder auch spanische Gesangseinlagen eingestreut sind. „Mein Vater ist halb Italiener, halb Spanier“, erklärt sie. „Solo Mentiras“ (übersetzt etwa: Alles nur Lügen) heißt ihr neuester Song. „Es geht um die Trennung meiner Eltern und was das damals mit mir und meiner Familie gemacht hat. Es ist einer der persönlichsten Songs, die ich bis jetzt aufgenommen habe.“ Je stärker die Emotion, umso schneller entsteht ein Text, erzählt sie. „Manchmal nehme ich mir aber auch drei oder vier Monate Zeit, wenn ich das Gefühl habe, dass ich das Wesentliche noch nicht verständlich genug ausgedrückt habe.“

Foto: Neven Allgeier

Über Lyrik, die sie bereits als Sechstklässlerin schrieb („Nichts Tiefgründiges, sondern einfache Alltagsbeobachtungen auf dem Schulhof“) kam Alyssa zur Musik. „Irgendwann habe ich damit angefangen, meine Gedichte laut vor mich hin zu summen und einen Beat dazu laufen zu lassen, den ich auf YouTube fand. Später hat mich dann ein Homie mit ins Studio genommen, der eigene Beats produziert hat.“ Die ersten Songs, die Alyssa auf Spotify veröffentlichte, waren auf Englisch. Damals nannte sie sich noch A. Frequency. „Der Name war inspiriert von einer meiner Lieblingsplatten: Songs in A Minor von Alicia Keys. Das A stand aber natürlich auch für meinen Vornamen. Mit dem Punkt dahinter wollte ich deutlich machen, dass es sich nicht nur um irgendeine, sondern um meine ganz persönliche Frequenz handelt.“ Ein Onkel brachte Alyssa den Hip-Hop der Neunzigerjahre nahe. Sie selbst wurde 1996 geboren („Das Jahr in dem Tupac starb“). Im Netz gibt es Videos, in denen sie diese Jahreszahl als Halskette trägt.

Irgend­wann habe ich damit ange­fan­gen, meine Gedichte laut vor mich hin zu summen und einen Beat dazu laufen zu lassen, den ich auf YouTube fand.

Alyssa

Vor rund zweieinhalb Jahren lernte sie Sunny Bizness kennen, der heute ihr Manager ist. Alyssa erinnert sich an ihre erste Begegnung: „Das war bei einem Konzert des Rap-Duos Los Monteroz, mit dem ich befreundet bin. Ich war im Publikum, wurde von den beiden aber auf die Bühne gebeten, gleich nachdem ich die Halle betreten hatte, um spontan einen 16er zu spitten. Sunny war ebenfalls im Publikum und hat mich hinterher angesprochen. Wir haben uns getroffen und unverbindlich zusammen gejammt und dabei schnell gemerkt, dass wir den gleichen Musikgeschmack teilen. Irgendwann kam der Vorschlag: Lass uns das Ganze doch ein bisschen professioneller aufziehen.“

Sunny Bizness hat auch das Studio aufgebaut, in dem wir heute zu Besuch sind. Hauptberuflich betreibt er eine Produktionsfirma für Musikvideos. „Meine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass die richtigen Leute zu uns ins Team kommen“, erzählt er. „Alyssa und ich tauschen uns aber auch im kreativen Prozess aus.“

Foto: Neven Allgeier
Foto: Neven Allgeier

Zum Netzwerk gehört zum Beispiel der kroatische Produzent Koolade, der so etwas wie Alyssas Hausproduzent ist, seitdem er vor zwei Jahren Beats für ihre Debüt-EP „Neu“ beisteuerte. Alyssa und Sunny liegt es fern, den kreativen Prozess einem Businessplan unterzuordnen: „Alles muss sich gut anfühlen und organisch entwickeln“, sagt Sunny. „Am Ende ist Musik keine Mathematik, sondern es geht um Gefühle.“ Der Netzwerkgedanke ist für Alyssa ein wertvoller Teil der Hip-Hop-Kultur. „Viele schöne Werke sind in Unity entstanden. Peace, Love, Unity und Respekt halte ich für wichtige Werte. Ich empfinde es als bereichernd, mit anderen zu kollaborieren und mich auszutauschen. Andererseits ist Hip-Hop leider aber oft auch das Gegenteil – nämlich harte Competition.“

Frauen haben es noch immer nicht leicht in der Rap-Szene

Als Frau in einer von Männern dominierten Musikszene zu bestehen, sei nicht immer einfach, findet Alyssa. „In vielen Rap-Songs kommt die Frau nur als Bitch vor. Und Frauen, die selbst rappen, bekommen oft weniger Spotlight als ihre männlichen Kollegen und müssen sich doppelt beweisen. Häufig werden sie in erster Linie nach Äußerlichkeiten beurteilt, Talent kommt erst an zweiter Stelle. Es gibt allerdings immer mehr Frauen, die nach vorne drängen. Nimm zum Beispiel Shirin David, die hat es mit ihrer Musik auf Platz eins der Charts geschafft. Dadurch verändert sich langsam etwas. Trotzdem: Es ist immer noch ein harter Kampf.“

Foto: Neven Allgeier
Foto: Neven Allgeier
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Alyssa

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