Kriminalität und Konsumkultur: Die neue Videoarbeit des belgischen Künstlerkollektivs Leo Gabin vereint zwei konträre Phänomene unter amerikanischen Teenagern.

YouTube-Videos leben von der Interaktion der Nutzer -- erst durch die Kommentarfunktionen und das Teilen der Videos auf sozialen Netzwerken verbreiten sich einzelne Clips und erreichen beträchtliche Zuschauerzahlen. Diese Klickzahlen sind umso erstaunlicher, wenn man die profanen, zuweilen sehr privaten Inhalte der Videos betrachtet.

Bei einer Großzahl dieser Videos ist weder ein künstlerischer noch ein dramaturgischer Ansatz erkennbar, einzig die Selbstpräsentation dominiert diese privaten YouTube-Clips. So berichten junge amerikanische Teenager minutiös und auffallend professionell über den Inhalt ihrer Schultaschen, das Sortiment ihrer Schminkutensilien oder das Inventar ihres Kinderzimmers. Um diese Videos entstand ein regelrechter Hype, der auf YouTube immer weitere Kreise zieht und scheinbar vor allem von jungen Mädchen aus einer wohlhabenden amerikanischen Mittelschicht aufgegriffen wird.

Dem konträr gegenüber steht ein anderes YouTube-Phänomen: Junge Mädchen posieren mit ihrer Clique auf der Straße und in Hinterhöfen, rappen über Gewalt, Kriminalität und Sex und schmücken sich mit Schusswaffen. Die in eine entgegengesetzte Richtung überzeichnete Selbstdarstellung dieser amateurhaften Musikvideos deutet das Bild einer ganz anderen amerikanischen Jugend an: Sie suggeriert eine gewaltbereite, kriminelle und desillusionierte Jugend, die sich nicht mit den Auswüchsen einer facettenreichen Konsumkultur auseinandersetzt, sondern weitaus existenziellere Themen verarbeitet.

Das belgische Künstlerkollektiv Leo Gabin verfolgt mit Faszination solche Internet-Phänomene. In der Ausstellung „Privat" sind drei ihrer aus YouTube-Clips angefertigten Videoarbeiten zu sehen. Für das SCHIRN Magazin haben Leo Gabin eine neue Videoarbeit mit dem Titel „Hair Long" angefertigt, dessen Entstehungsprozess auf dem SCHIRN Magazin-Spezial nachzuvollziehen ist. Unmengen an einzelnen Clips, die den zwei oben genannten Strängen thematisch unterzuordnen sind, wurden für die Arbeit zu einem einzigen Video zusammengeschnitten. Während die Tonspur von „Hair Long" den Rap der Straßengangs in verzerrter Form wiedergibt, zeigt eine unendliche Aneinanderreihung von präsentierten Kosmetikartikeln im Bild die absurde Gleichmäßigkeit der ursprünglich vielen verschiedenen Clips. Die Premiere der neuen Arbeit fand am 24. Januar 2013 in Frankfurt statt.