Spätestens seit Andy Warhols Factory ist Koproduktion aus dem Kunstbetrieb nicht mehr wegzudenken. Die Werke von Tobias Rehberger entstehen mithilfe von Ingenieuren, Handwerkern und Assistenten.

Was jetzt in seiner Retrospektive in der SCHIRN zu sehen ist, hat Tobias Rehberger nicht alleine gemacht. An den Plastiken und Installationen des Frankfurter Künstlers arbeiten viele Spezialisten mit, zum Beispiel Glasbläser, Schlosser oder Betongießer. Sein Studio ist eine Kunstfabrik. Doch meist muss das, was er sich ausdenkt, ohnehin woanders produziert werden. Denn Rehberger denkt groß, 2009 etwa ließ er auf dem Gelände der Biennale in Venedig eine ganze Cafeteria installieren und wurde dafür mit einem Goldenen Löwen als bester Künstler geehrt.

Spätestens seit Andy Warhols „Factory", seinem New Yorker-Studio, in dem er mit einer Assistenten-Schar Werke wie am Fließband produzierte, entrüstet sich kaum jemand noch darüber, wenn Künstler sich Hilfe holen. Koproduktion ist längst normal in der Kunst und bei komplexen Installationen ohnehin notwendig. Auf die Idee kommt es an, und die stammt von Rehberger selbst. Zuerst bringt er sie klassisch zu Papier. Dann werden die Skizzen am Computer dreidimensional visualisiert, bevor Rehberger und seine Assistenten ein analoges Modell bauen. Für die Umsetzung kommen nicht selten Dutzende Hände dazu.

„Grenzen der Machbarkeit sind oft auch Grenzen des künstlerischen Schaffens"

Manchmal ist mehr als handwerkliches Können gefragt, zum Beispiel eine richtige Ingenieursleistung. Für die Stadt Oberhausen entwarf Rehberger eine 450 Meter lange und zwölf Meter hohe Brücke namens „Slinky Springs to Fame", inspiriert hat ihn dazu eine als Spielzeug fungierende Metallspirale. Dafür verwendete er keine Standardbauteile, sondern ließ die knapp 500 Aluminiumbögen, die sich über einen Kanal und Parkanlagen schlängeln, eigens anfertigen. „Die Brücke entstand im Pingpong zwischen dem Ingenieur und mir. Wie sie jetzt aussieht hängt sehr davon ab, was überhaupt möglich war," erzählt Rehberger.

Die Arbeit sei ihm wie ein halbes Brückenbaustudium vorgekommen, scherzt er weiter. Und: Grenzen der Machbarkeit seien oft auch Grenzen des künstlerischen Schaffens. Es sei schon vorgekommen, dass er eine Idee habe verwerfen müssen. Doch das passiere selten. Das Abenteuerlichste, was er je realisiert habe, sei sein Film „On Otto" gewesen: „Wir haben ihn rückwärts produziert". Zuerst entstand das Filmplakat, dann der Soundtrack, dann die Bilder, zum Schluss das Drehbuch. Das hochkarätige Team mit Profis aus Hollywood und Schauspielern wie Kim Basinger und Danny De Vito musste sich auf eine völlig neue Situation einlassen.

Porzellan aus China: „Die können eben, was andere nicht können."

Eine wichtige Rolle für viele von Rehbergers zwischen Kunst und Design changierenden Werke spielt das Material. Er beauftragt zum Beispiel Glasbläser, die in einem über 500 Jahre alten Betrieb in Murano bei Venedig arbeiten. Gerade ist Rehberger in China unterwegs, dort eröffnet er eine Ausstellung und besucht ein paar Werkstätten. Er arbeite etwa mit chinesischen Porzellanmanufakturen zusammen, erzählt er, nicht etwa wegen der Preise, das sei gar nicht so viel günstiger. „Aber die können eben, was andere nicht können." Auch auf ein spezielles Pappmaschee sei er dort gestoßen, aus dem seit 2.000 Jahren Masken gemacht werden. „Das findet man nur dort."

Als Student habe er noch fast alles selbst gemacht, sagt Rehberger: „Aber auch da ging es in meinen Arbeiten schon oft darum, wer was macht und warum." Dass andere Hand anlegen, ist bei Rehberger Konzept. In Kamerun ließ er Stühle, europäische Designklassiker, von einheimischen Handwerkern nachbauen, auf Grundlage von Skizzen, die er aus dem Kopf angefertigt hatte. „Ich bin da mit dem Taxi durch die Gegend gefahren, habe vor Schreinereien angehalten und gefragt, ob die das machen können." Sie haben es gemacht. Ihre Stühle stehen jetzt in Frankfurt.