Gustave Caillebotte war ein wichtiger Mäzen und Förderer der Impressionisten – vor allem aber war er ein progressiver Maler, dessen Motivwahl und Bildgestaltung noch weit bis in die Moderne ihre Wirkung zeigten.

Nach dem frühen Tod im Jahre 1894 -- Gustave Caillebotte wurde nur 46 Jahre alt -- schreibt der Maler Camille Pissarro in einem Brief: „Wir haben einen aufrichtigen und hingebungsvollen Freund verloren [...] und allen Grund, um ihn zu trauern, denn er war selbstlos, großzügig und außerdem ein begabter Maler."

Gustave Caillebotte wird 1848 in das Pariser Großbürgertum hineingeboren. Sein Vater führt in dritter Generation einen Tuchhandel, der mit der Belieferung des französischen Heeres ein lukratives Geschäft für sich erschlossen hat. Dementsprechend mondän geht es zu bei Familie Caillebotte: Man wohnt im eleganten 8. Arrondissement inmitten des von Georges-Eugène Haussmann gerade beispiellos modernisierten Paris in einem dreistöckigen Stadthaus. Und gleichzeitig besitzt die Familie einen herrschaftlichen Landsitz in Yerres. Um Geld muss sich die Familie auch nach dem Tod des Vaters 1874 keine Gedanken machen.

Gustave Caillebotte studiert Jura und erhält 1870 seine „License en droit", jedoch kommt ihm direkt nach dem Abschluss der gerade erklärte französisch-preußische Krieg in die Quere. Er wird in den Kriegsdienst einberufen. Aus dieser Zeit findet sich ein erstes Zeugnis seines künstlerischen Interesses: Caillebotte hält die Beschlagnahmung des familiären Landsitzes durch die französische Armee in zwei kleinen Gemälden fest. Nach seiner Dienstzeit im Militär bewirbt sich Caillebotte 1873 an der Ecole nationale et spéciale des Beaux-Arts in Paris und besteht die Aufnahmeprüfung. Das Stadthaus der Familie wird um ein Atelier für den ältesten Sohn erweitert. Caillebottes Malerei dieser Jahre spiegelt seine urbane Umgebung wieder: Das von Haussmann gestaltete Paris mit seinen Perspektiven, Sichtachsen und Flaniermeilen prägt seine künstlerische Arbeit.

Caillebotte erwirbt viele Gemälde seiner Freunde

1874 findet in Paris eine außergewöhnliche Ausstellung statt, die den Begriff des Impressionismus begründet. Kritiker spotten über das dort ausgestellte Gemälde „Impression -- Sonnenaufgang" von Claude Monet und etablieren damit den Namen einer Gruppe, die in Zukunft als „Impressionisten" noch viel von sich reden machen wird. Gustave Caillebotte nimmt, obwohl Edgar Degas ihn versucht zu überreden, nicht an dieser 1. Impressionistenausstellung teil. Stattdessen reicht er 1875 sein Werk „Die Parkettschleifer" beim Pariser Salon ein. Als er abgewiesen wird ist die Enttäuschung groß. Noch im selben Jahr erwirbt Caillebotte erstmals Gemälde seiner Künstlerfreunde, die sich fast ausschließlich aus Malern des Impressionismus rekrutieren. Der Grundstein für ein Mäzenatentum ist gelegt, das für den Kreis der Impressionisten in den folgenden Jahren von enormer Bedeutung sein wird. 

An den nächsten Impressionistenausstellungen nimmt Caillebotte teil, die Verbindung zwischen ihm und dem Kreis der Impressionisten wird enger und freundschaftlicher. Caillebotte unterstützt Claude Monet und übernimmt über Monate hinweg dessen Miete, engagiert sich aber auch für die Impressionistenausstellungen mit großer Leidenschaft. Er finanziert und organisiert, wählt Wandbespannungen, plant die Hängung der Gemälde, verschickt die Einladungskarten und besorgt das Layout der Kataloge. Und er erwirbt immer wieder Gemälde seiner Freunde bei Versteigerungen und Ausstellungen.

Ein ausgesprochen progressiver Künstler

Caillebotte verlagert nach dem Tod seiner Mutter im Jahre 1878 seinen Lebensmittelpunkt nach und nach von der Großstadt auf das Land. In Petit Gennevilliers erwirbt er ansehnlichen Grundbesitz und wird in den folgenden Jahren immer stärker in der Gemeinde verankert. Seine Leidenschaft gilt nun der Landschaft, dem Garten und dem Freiluftsport. Er wird in den Gemeinderat gewählt und engagiert sich für den Segelsport. Caillebotte entwirft selbst mit großem Ehrgeiz Sportsegelboote. In den Gemälden dieser Zeit spiegelt sich sein ländliches Umfeld wieder: Landschaften und Naturmotive finden immer stärkeren Eingang in seine Gemälde. Den engen Kontakt zum Kreis der Impressionisten pflegt er jedoch auch in Petit Gennevilliers: Regelmäßig ist er Gastgeber seiner Malerfreunde, die sich einmal im Monat entweder in Paris oder in Petit Gennevilliers treffen, um über Malerei, Kunst, Literatur, aber auch über Politik und Philosophie diskutieren.

Als Caillebotte im Jahr 1894 auf seinem Landsitz an einem Gehirnschlag stirbt, steht er mit 46 Jahren noch mitten im Leben. Die Trauergemeinde, die sich zum Gottesdienst in Paris in der Kirche Notre-Dame-de-Lorette einfindet, ist so groß, dass zahlreiche Freunde die Zeremonie nur vom Kirchenportal aus miterleben können. Mit Caillebotte verliert der Kreis der Impressionisten einen wichtigen Förderer und Mäzen -- schließlich umfasst Caillebottes Sammlung über 60 impressionistische Gemälde und bildet nach seinem Tod den Grundstock für die bedeutende Impressonistensammlung des Musée d'Orsay. Vor allem aber stirbt mit ihm ein ausgesprochen progressiver Künstler, dessen radikale und fortschrittliche Bildperspektiven sich noch im 20. Jahrhundert etwa in der Stilrichtung des Neuen Sehens in der Fotografie des Bauhauskünstlers László Moholy-Nagy widerspiegeln.