Aus Anlass seines 100. Geburtstages zeigt die SCHIRN eine Ausstellung zum Spätwerk des US-amerikanischen Malers Philip Guston.

Das mutige und außergewöhnliche Werk des US-amerikanischen Malers Philip Guston (1913--1980) war eines der meistdiskutierten seiner Zeit. Guston brachte als Erster die Figur in die amerikanische Nachkriegsmalerei, leistete durch die Verbindung von „hoher Kunst" und Bildern der Populärkultur Bahnbrechendes und wird heute als Vorreiter der postmodernen figürlichen Malerei gefeiert. Anlässlich des 100. Geburtstages des Künstlers zeigt die SCHIRN vom 6. November 2013 bis 2. Feburar 2014 das Spätwerk von Philip Guston und damit einen Meilenstein der amerikanischen Malerei. Mit einer Auswahl von 70 Gemälden und Zeichnungen vereint die Ausstellung bedeutende Leihgaben aus dem Museum of Modern Art, New York, dem Centre Pompidou, Paris, oder dem Stedelijk Museum, Amsterdam.

Im Laufe der 1950er-Jahre fasste der Autodidakt Guston in der New Yorker Kunstszene Fuß und wurde zu einem der wichtigsten Vertreter des Abstrakten Expressionismus mit Jackson Pollock, Willem de Kooning oder Mark Rothko. Ende der 1960er-Jahre begann eine intensive Phase des Zeichnens. Diese gipfelte schließlich innerhalb seiner Malerei zu einem Bruch mit dem „Reinheitsgebot" der Abstraktion: Guston führte derbe Figuren und Figurenfragmente in seine Werke ein; rauchend, trinkend, nicht selten auch malend bevölkern sie die in den Farben Pink, Rot, Schwarz und Blau gehaltenen Leinwände. Große Köpfe, behaarte Beine, klobige Schuhe und allerlei Architekturfragmente wie Mauern, Türen und Glühbirnen gehören zu Gustons Motiven, die an Comics der 1920er-Jahre erinnern.

Seine Bilder werden häufig als Vorläufer des „Bad Painting" verstanden. Die großformatigen Werke begegnen dem Betrachter mit unvermittelter Vehemenz. Der formalen Schwere, inhaltlichen Offenheit und scheinbaren Verrätselung liegen eine tiefgründige Sensibilität und weitreichende inhaltliche wie malerische Überlegungen des Künstlers zugrunde. Die erste Ausstellung dieser mit anarchischem Sinn für Humor und für das Groteske ausgestatteten Gemälde geriet 1970 zum New Yorker Kunstskandal. Den „Verrat" an der Abstraktion verübelten ihm viele Kritiker. Bis heute übt Gustons rätselhaftes Spätwerk in seiner Intensität und verstörenden Kraft großen Einfluss auf viele jüngere Künstler aus.

Philip Guston wird 1913 als Sohn einer russisch-jüdischen Familie in Montréal, Kanada, mit dem Namen Philip Goldstein geboren. Er wächst in Los Angeles auf und zeigt schon früh malerisches Talent. Der Besuch einer Kunstschule scheitert an seiner künstlerischen wie persönlichen Eigenwilligkeit. Zeit seines Lebens ist Gustons Schaffen geprägt durch eine intensive Beschäftigung mit der europäischen Kunstgeschichte. Zu seinen Vorbildern zählen Pablo Picasso, Max Beckmann und Giorgio de Chirico, aber auch Goya und Rembrandt. Guston reist nach Italien, um sich mit den Renaissance- und Barockmalern Giotto, Piero de la Francesca und Tiepolo auseinanderzusetzen. Gleichzeitig gilt sein Interesse den mexikanischen Muralisten. Dieses geht einher mit einem starken politischen Engagement, wobei er mit links gerichteten Gruppierungen und Künstlern sympathisiert.

1936 nimmt er den Künstlernamen Guston an und zieht an die Ostküste. In den 1950er-Jahren fasst er Fuß in der Kunstszene von New York. Er wird zu einem der bedeutendsten Vertreter des Abstrakten Expressionismus mit Weggefährten wie Jackson Pollock, Willem de Kooning oder Robert Motherwell. In den Augen der Kritik fällt seine spätere Abkehr von dieser für Amerika so entscheidenden künstlerischen Strömung umso schwerer ins Gewicht. 1965 stürzt Guston in eine malerische Sinnkrise und konzentriert sich für gut zwei Jahre auf das Zeichnen.

Erst in den späten 1960er-Jahren wendet er sich wieder verstärkt der Malerei zu, nun kehrt die Figuration in sein Werk zurück. Die erste Ausstellung dieser neuen Bilder 1970 stößt selbst im eigenen Umfeld auf Unverständnis und ruft in der Kunstkritik feindselige Reaktionen hervor. Erst Ende der 1970er-Jahre wird das Potenzial dieser anspruchsvollen Gemälde erkannt. 1980, kurz vor seinem Tod, widmet das San Francisco Museum of Modern Art Guston eine große Retrospektive. Die letzte umfassende Ausstellung im deutschsprachigen Raum zum Œuvre Gustons fand 1999 in Bonn statt.