Der brasilianische Graffitikünstler ONESTO verarbeitet individuelle Geschichten, die ihm die Stadt erzählt und öffnet damit den Blick auf wichtige gesellschaftliche Themen.

Graffiti ist performativ. Dies nicht nur, weil Passanten, vorbeifahrende Autos und das gesamte Geschehen der Stadt Teil des Bildes werden, sondern auch durch den Akt der Herstellung. Onesto (São Paulo) nutzt das Malen auf der Straße, um mit Menschen in Kontakt zu treten, mit ihnen zu sprechen und sich dann in seinen Bildern mit der spontanen Begegnung auseinander zu setzen. Dadurch bekommt jeder Ort eine Bedeutung, die sich in das Bild einschreibt. Diese kann sowohl banal als auch hoch politisch sein. Seiner Darstellung eines Bettlers, der ein Schild mit dem Satz „Analphabet. Ich kann weder schreiben noch lesen" in den Händen hält, geht die konkrete Begegnung an ebendiesem Ort voraus. Über diesen unmittelbaren Inhalt hinausweisend kritisiert die Arbeit das brasilianische Bildungssystem. Individuelle Geschichten, die die Stadt erzählt, öffnen den Blick auf Themen, die das ganze Land betreffen. Onesto selbst ist der Filter dieser Geschichten: fast jede seiner Figuren trägt seine Gesichtszüge