Telefonzellen sind Vergangenheit, das iPhone soll heute unser Bedürfnis nach menschlicher Nähe stillen. Doug Aitken hinterfragt diese Entwicklung in seinen Arbeiten, ohne dabei pessimistisch zu sein.

In der Welt der mobilen Vernetzung reist Doug Aitken's unterkühlte Protagonistin, gespielt von Chloë Sévigny, von einem Motel zum nächsten – „Check in, check out“. Sterile, austauschbare Zimmer wechselt sie rastlos, ohne jedoch jemals tatsächlich anzukommen. Sie ist blind für die Landschaften durch die sie fährt – das klassische Los einer Berufsreisenden, die in ihrem Job funktioniert. Sie hat kein Ziel, weil sie keinen Ausgangspunkt hat. All die Städte und Länder, in die ihr Beruf sie führt und die sie mit emotionsloser Stimme aufzählt, sind Etappen, hinterlassen keine Spuren, sind austauschbar. Laptop und iPhone sind ihr Fenster zur Welt.

Bereits mehrfach setzte sich Aitken mit der Kommunikation im digitalen Zeitalter auseinander. Die Skulptur „Twilight“ (2014) adelt ein typisch amerikanisches Münztelefon – eigentlich eine funktionale analoge Vorrichtung mit Hörer und Münzbehälter, oft gezeichnet durch Vandalismus und Verwitterung. Aitken verleiht ihm eine elegante weiße Kunstharzoberfläche und beleuchtet es von innen. Es reagiert auf den Betrachter und leuchtet umso heller, je näher dieser ihm kommt – eine unwiderstehliche Verheißung in der Dunkelheit des Raumes. Ironischerweise erinnert es gerade durch diese nonverbale Kommunikation und das Hochformat mit gerundeten Ecken an ein iPhone. Ein solches gibt der Künstler mit „Listening“ (2011) in immenser Vergrößerung wieder, allerdings mit zerstörter Rückseite – ein alltägliches Phänomen. Die Kommunikation wird dem Betrachter hier verweigert, das Display ist unzugänglich.

Wer Doug Aitken nun für einen Pessimisten hält, wird durch seinen Film „Station-to-Station“ (2015) eines Besseren belehrt. Das gigantische Kommunikationsprojekt, das die Vereinigten Staaten Amerikas in ihrer gesamten Breite umspannt, ist das optimistische Gegenstück zu „Black Mirror“. Eine Feier künstlerischer Teamarbeit und menschlichen Austauschs. Reale Interaktionen finden in einem zur Schaltzentrale des Künstlers umfunktionierten Zug statt, der quer durch das Land fährt. An allen Bahnhöfen unterwegs finden Happenings statt, die Kunst, Live-Musik und Spektakel vereinen und an denen die verschiedensten Künstler beteiligt sind. „Never stagnate, never stop! Exchange, connect and move on.” – Ein Statement zur analogen Zusammenarbeit, das nicht umhin kommt den Betrachter nostalgisch zu stimmen.

Doug Aitkens „Black Mirror“ (2011) ist ein düsterer Kommentar zur Digitalen Revolution durch den Kapitalismus. Nicht zufällig sieht man in der Arbeit einen altmodischen Telefonhörer nutzlos an seiner Schnur herunterhängen. Es kommt keine Verbindung über das Festnetz zustande, man hört nur einen Fehlerton. Stattdessen findet das kurze, nichtssagende Gespräch der namenlosen Protagonistin mit ihrem Lebenspartner natürlich über ein iPhone statt. Das Old-School-Phone hat ausgedient, so die Botschaft. Die digitale Vernetzung und die Globalisierung zerstören menschliche Bindungen. Lieber schießt Aitkens Hauptperson in ihrer Freizeit auf schematisch simulierte Körper, als sich mit realen Personen zu treffen.

"Black Mirror" ist eine Kulmination der Unfähigkeit zur Kommunikation. Kurze Sequenzen von den sich berührenden Armen eines Paares enthüllen das Bedürfnis nach menschlicher Nähe, die Aitkens Hauptperson nicht mehr erlebt. Stattdessen wird sie durch die distanzierte Show der Pole-Tänzerinnen ersetzt. Die Hauptfigur isoliert sich mehr und mehr, wendet sich den Menschen ab und hin zu multimedialen Geräten, die ihr die fehlende Nähe vorgaukeln. Der Titel der Installation, „Black Mirror“, bezeichnet in angelsächsischen Ländern umgangssprachlich Displays von digitalen Endgeräten. In der SCHIRN umgeben zudem reale schwarze Spiegel die Bildschirme der Installation, wodurch die Bildschirme ins Unendliche vervielfältigt werden und das nicht aufhörende Weitervoranschreiten der Digitalisierung repräsentieren.