Mit der „Banality“-Serie, aus der jetzt einige Skulpturen im Liebieghaus zu sehen sind, zeigt Jeff Koons, wie facettenreich sich Populärkultur und Kunstgeschichte verweben lassen.

Die Stigmatisierung der Werke des vielleicht populärsten Künstlers unserer Zeit ist wohl seiner Genialität geschuldet, denn Jeff Koons überführt Populärkultur und Tabuthemen wie Pornografie in komplexe Sinnzusammenhänge, überschlägt sich geradezu mit kunsthistorischen Verweisen und hat sich so eine unverwechselbare Position erarbeitet. Die im Zusammenhang damit oft gebrauchten Begriffe „Kitsch“ und „Porno“ findet Koons allerdings unpassend.

Anstelle von „Porno“ spricht er von „Biologie“, „Kitsch“ hält er für viel zu wertend. „Ich glaube nicht an Kitsch, weil ich nicht an Urteile glaube“, sagte Koons vor ein paar Jahren in einem Gespräch mit dem Kunsthistoriker Peter-Klaus Schuster anlässlich einer Schau in der Neuen Nationalgalerie in Berlin. Und das gilt auch für seine neuen Arbeiten. Koons spielt mit den postmodernen Verschiebungen zwischen High Art und Low Art, und gehört zu einer Künstlergeneration, die Kunst nach der sperrigen Bildsprache des abstrakten Expressionismus und der Kühle des Minimalismus für die Masse öffnete – er tat dies eben auf seine eigene, überspitzte Weise. Dieses Spiel versteht er als Mission: Koons will allen Menschen Gelegenheit geben, an Kunst zu partizipieren. „Kunst kann Ohnmacht erzeugen, indem sie einem das Gefühl gibt, wertlos zu sein“, ließ er Schuster wissen.

Ein fantastischer Remix

Seine „Banality“-Serie, die er im Jahr 1988 gleichzeitig in New York, Köln und Chicago vorstellte, steht exemplarisch für Koons’ humanistisches Anliegen – und für noch viel mehr. Sie umfasst mehrere bunt bemalte Figuren und Figurengruppen aus Porzellan, Keramik und Holz, zum Beispiel ein Schwein mit Schleife, flankiert von kleinen properen blonden Engeln, oder eine Blondine mit nacktem Oberkörper, die einen Pink Panther an sich drückt. Auf den ersten Blick würden diese Figuren – in kleinerer Ausführung – im Durchschnittswohnzimmer einer amerikanischen Mittelklasse-Familie oder in einem mit Gelsenkirchener Barock ausgestatteten deutschen Wohnzimmer kaum auffallen.

„Banality“ bedient sich in der Populärkultur, aber auch in der Kunstgeschichte – ein fantastischer Remix, in den es sich einzutauchen lohnt. Auf den zweiten Blick gibt es nämlich viel zu entdecken, etwa Koons’ explizite Bezüge zum deutschen Barock, der überladene, lustvoll-sinnliche, vergoldete und mit allerlei Zierrat versehene Artefakte hervorbrachte, und auch zum Rokoko mit seinem ausgeprägten Hang zum Pathos. Bei Koons gewinnen diese Bezüge eine herrliche Ironie,und geben seinem Werk den entscheidenden „Twist“. Ein schönes Beispiel ist die Skulptur „Michael Jackson and Bubbles“: Der King of Pop sitzt auf einer mit goldenen Blüten übersäten Porzellanwiese, seinen Affen Bubbles auf dem Schoß. Beide tragen gold-weiße, mit Ornamenten verzierte Uniformen, ihre Lippen glänzen tiefrot.

Skulpturen aus „weißem Gold“

Koons inszeniert Kontraste meisterlich, vor allem jenen zwischen Sujet und Wertigkeit. Er nutzt extrem teure Materialien, engagiert für jeden Handgriff Spezialisten und braucht neben viel Geld auch oft viele Jahre, bis eine Arbeit fertig ist. Die Skulpturen der „Banality“-Serie sind nicht etwa aus günstigem Ton gefertigt, wie ihre kleineren, in Geschenkläden einstaubenden Pendants. Koons verwendete unter anderem poliertes Porzellan. Schon im 18. Jahrhundert setzten Kunsthandwerker das wertvolle Material ein, wegen seiner Kostbarkeit wurde es auch „weißes Gold“ genannt. Neben Porzellan spielt Holz eine wichtige Rolle in Koons’ Werk. Mit seinen hochwertigen, meist in Süddeutschland angefertigten Schnitzfiguren bringt er zusätzlich eine sakrale Dimension in das Banale, denn sie erinnern an geschnitzte Marien- oder Jesusfiguren.

In der historischen Villa und den Galeriebauten des Liebieghauses gehen Koons’ Arbeiten ein Tête-à-Tête mit Skulpturen aus verschiedenen kunsthistorischen Epochen von der Antike bis zum Klassizismus ein. „Woman in Tub“ etwa, eine nackt in einem Schaumbad sitzende Frau, trifft auf „Altar der Himmelfahrt Mariä“ von Andrea della Robbia, „Michael Jackson and Bubbles“ räkeln sich inmitten der ägyptischen Sammlung.

Mit „Banality“ transformiert Koons Alltägliches, Kitschiges und den vermeintlichen Massengeschmack Bedienendes in Kunst der ersten Liga – ein Statement zu sozialen, politischen und ökonomischen Hierarchien. Er arbeitet konzeptionell, nimmt sich Zeit und taucht tief. Der Betrachter sollte sich von dem Titel „Banality“ nicht auf die falsche Fährte locken lassen.