Der Gourmet-Koch Matthias Schmidt lebt und arbeitet in FFM. Sein erfolgfreiches Konzept ist eine kreative regionale Küche auf mehrfach ausgezeichnetem Niveau. Warum Frankfurt die Stadt seiner Wahl ist, erklärt er in der neuen Serie.

Dass Matthias Schmidt heute so kocht, wie er kocht, liegt an Eyjafjallajökull. Der isländische Vulkan, dessen Ausbruch im Frühjahr 2010 den europäischen Flugverkehr lahm legte, sorgte nämlich auch dafür, dass dem Koch in seinem Restaurant die Zutaten ausgingen. Überall auf dem Kontinent warteten Spitzenköche plötzlich verzweifelt auf frischen Fisch, exotische Früchte und Gewürze. Aus der Not machte Schmidt eine Tugend: Seit Eyjafjallajökull kommt bei ihm nur noch in die Küche, was in einem Umkreis von 200 Kilometern um Frankfurt produziert wird.

Wenn man ihm zuhört, wie er von Sellerie, von Topinambur, von schwarzer Johannisbeere, Johanniskraut oder vom Geschmack von Fichtennadeln schwärmt, wird schnell klar: Das neue Konzept ist für Schmidt keine Einschränkung, sondern pures Glück. Seine außergewöhnlichen, experimentellen Kombinationen regionaler Lebensmittel überzeugen auch die Restaurantkritiker: Der Guide Michelin hat ihn gerade mit einem zweiten Stern ausgezeichnet. Und in den einschlägigen Gastromagazinen liest man ausnahmslos frenetische Hymnen über Matthias Schmidt. Der gebürtige Frankfurter, der seit 2008 die Küche in der edlen Villa Merton führt, ist einer der Shooting Stars der Gourmetküche. Und einer, dem Nachhaltigkeit unglaublich viel bedeutet – auch oder vielleicht gerade weil er für Menschen kocht, denen es nichts ausmacht, für ein gutes Menü mehr als 100 Euro zu bezahlen.

„Es geht um Werte, es geht um kurze Transportwege, und es geht darum, Lebensmittel komplett zu verwerten, keinen Abfall zu produzieren“, sagt Matthias Schmidt. Mit seinen blonden Haaren und seinem Lachen erinnert er an den Lausbub Michel aus Lönneberga. Er nimmt mich mit in den Keller, in sein Reich. In unzähligen Einweckgläsern und Kisten lagern seine Schätze: fermentierte Erdbeerblätter, Kastanien, Löwenzahn, Holunderbeeren, Bucheckern und vieles mehr. Alles stammt aus der Region, einen Großteil hat Schmidt mit seinen Köchen selbst gesammelt.

Dafür verzichtet er in seiner Küche auf vieles, was uns schon lange nicht mehr fremd vorkommt: Kaffee zum Beispiel, oder Zitronen. Auch Basilikum ist verpönt. Matthias Schmidt will eine Küche, „die so schmeckt, wie sie nur hier schmecken kann“. Das ist es, was ihn antreibt. Und darum wird er auch so häufig mit René Redzepi vom Kopenhagener Noma verglichen, dem wohl radikalsten Regionalkoch und Erfinder der „Nova Regio“-Schule. Sein Restaurant Noma gilt seit einigen Jahren als das beste der Welt. „Der Vergleich nervt. Aber es stimmt natürlich: Wenn es das Noma nicht gegeben hätte, dann würden wir heute nicht so kochen“, bestätigt der Koch.

„Ich glaube gar nicht, dass ich ein so guter Koch bin, aber ich bin kreativ. Ich will etwas erfinden“, sagt Schmidt. Und: „Das Kreative treibt mich an. Wenn jemand sagt: Grünkohl mit Ziegenkäse, das geht nicht. Dann sage ich: Lass uns das mal ausprobieren.“

Ist Matthias Schmidt also ein Künstler? „Nein. Ich sträube mich dagegen, zu sagen, das ist Kunst, was wir hier machen. Künstler haben auch niemals so viel Stress wie wir Köche. Hier schwitzt man, es ist laut, man zittert am ganzen Körper. Kochen ist große, große Anspannung, aber auch etwas Wunderschönes.“

Koch werden: Das muss man wollen. 15 Stunden Arbeit pro Tag, das ist für Schmidt keine Seltenheit. Wer die Karriereleiter hinaufsteigen will, muss auch immer wieder die Häuser und Städte wechseln, um sich weiter zu entwickeln. Matthias Schmidt hat seine Lehre in der Kantine vom Hessischen Rundfunk absolviert, dann ging er in die Villa Merton, wo damals der legendäre Hans Horberth das Sagen hatte, wechselte zum Söl’ring Hof auf Sylt, arbeitete in der Speisemeisterei in Stuttgart, bevor er wieder in die Villa Merton zurückkehrte.

Sein Beruf lässt Matthias Schmidt nie los. Wenn er nachts nach einem langen Arbeitstag mit dem Auto nach Hause fährt, dann telefoniert er währenddessen noch mit seinem Chef oder bespricht sich mit dem Texter seiner Website. „Selbst wenn ich mit meinem Kind spiele, denke ich über Gerichte nach“, sagt er. Er betont aber auch, dass ihm das nichts ausmacht. „Dafür mache ich eben auch etwas extrem Zauberhaftes.“

Matthias Schmidt stammt aus dem Frankfurter Stadtteil Dornbusch. Er lebt dort auch heute wieder. „Es ist schön da zu sein, wo ich aufgewachsen bin“, sagt er. Besonders viel bekommt er von Frankfurt sowieso nicht mit. Der Mythos vom Koch, der sich nach getaner Arbeit noch durchs Nachtleben der Stadt trinkt: Matthias Schmidt kann ihn nicht bestätigen. „Wenn ich doch mal etwas unternehme, dann gehe ich meinem Kind in den Zoo oder in den Palmengarten. Meine Arbeit, meine Familie: Das ist mein Universum“, sagt er. Im Mai wird er zum zweiten Mal Vater.

Der experimentelle Wind in Europas Gourmetküchen wird stärker. „Kein Kronleuchter, keine Gänsestopfleber, kein Kaviar“, das ist der Grundsatz von Matthias Schmidt. Echte Gourmets, das sind heute Ökos. Und kaum einer ist dabei kreativer als Schmidt.