Es braucht nicht viel, um ein Glamrock-Star zu sein: Mit nur etwas Glitter auf den Wangen führt der Ex-Hippie Marc Bolan seine Band T. Rex direkt in die Charts und wird zum weltweit ersten Glam-Teenieschwarm.

Marc Bolan wurde unter dem Namen Mark Feld am 30. September 1947 in Londoner Stadtteil Hackney als Sohn eines LKW-Fahrers geboren. Bereits im zarten Alter von neun Jahren bekam der Rock'n'Roll-Fan und bekennende Mod seine erste Gitarre geschenkt. Nach einer kurzen Karriere als Katalogmodel unter dem Namen Toby Tyler veröffentlichte Feld schließlich 1965 unter dem Moniker Marc Bolan seine erste Single „The Wizard", die bereits mit ihrem Hippie-affinen Tolkien-Titel Bolans gestiegenes Fantasy-Interesse verrät; Elfen, Drachen und Einhörner bevölkern die Songs von Tyrannosaurus Rex, dem psychedelischen Folk-Duo, das Bolan 1967 -- mit ihm an der Akustikgitarre und Steve Peregrin Took an den Bongos -- gründen sollte. Konzerte wurden standesgemäß im Sitzen gegeben.

Doch trotz Unterstützung der britischen Radio-Legende John Peel werden die vier zwischen 1968 und 1970 veröffentlichten Tyrannosaurus Rex-Alben keine Erfolge; vor allem die anvisierte Zielgruppe des Hippie-Untergrunds ignoriert das Projekt völlig. In einem künstlerisch gewagten wie kommerziell unvergleichlichen Akt reformiert der erfolgsversessene Bolan die Band über Nacht: Den sperrigen Namen kürzt er auf den sinnfreien aber poppigen Produktnamen T. Rex zusammen, die mythisch-verklärten Texte erhalten eine unverkennbar anzügliche Note und musikalisch regieren nun die elektrischen Gitarren, Handclap-Beats, süßliche Streicher und schmissige Melodien: Das Resultat „Ride a White Swan" schafft es im Herbst 1970 bis auf Platz 2 der britischen Charts.

Obwohl Marc Bolan mit der britischen Subkultur der Kunsthochschulszene rein gar nichts zu tun hatte, blieb ihm als begeisterten Besucher der Londoner Boutiquen der modische Umschwung und die weiteren stilistische Einflüsse des Glam nicht verborgen. Während Bryan Ferry und David Bowie noch eifrig am Konzept ihres Glam-Outfits bastelten, adaptierte Bolan als erster dessen zentrales Prinzip der radikalen Neuerfindung und stilisierte sich fortan als schillernder Glam-Dandy, der -- zwar klar heterosexuell -- mit seiner dunklen Lockenmähne dennoch den Ausdruck einer nicht-normativen Maskulinität darstellte.

Doch sein großes Glam-Erweckungserlebnis stand Marc Bolan noch bevor: Seine neue Assistentin Chelita Secunda, vormals PR-Beraterin des Modedesigners Ossie Clark, gab Bolan am 10. März 1971 kurz vor seiner Performance der neuen Single „Hot Love" in der BBC-Sendung „Top of the Pops" ein wenig flüssigen Glitter auf beide Wangenknochen. Mit minimalen Mitteln wird der maximale Effekt erreicht und der Auftritt zum bahnbrechenden Moment der Stilgeschichte des Glam: „Hot Love" steht sechs Wochen an der Spitze der Charts, Schulmädchen kopieren Bolans Stil, T. Rex werden zu Stars und Glam zum Massenphänomen.

Bolan bleibt der einmal gefundenen Erfolgsformel stur treu und veröffentlicht zwischen 1971 und 1972 einen Reigen großer Popsongs, die sich in ihren mitsummbaren Melodien nur geringfügig unterscheiden, aber allesamt Nummer Eins- oder Nummer Zwei-Hits werden. Mit „Jeepster", „Get It On", „Telegram Sam", „Metal Guru", „Children of the Revolution" und „Solid Gold Easy Action" soll Bolan angeblich sechs Prozent der britischen Plattenverkäufe im Alleingang abgesetzt haben -- ein Phänomen, das man vormals nur von den Beatles kannte, wonach die Beatlemania nun von der T. Rex-Mania abgelöst wurde.

Beatles-Drummer Ringo Starr war es denn auch, der 1973 zum Höhepunkt des Bolan-Hype die Filmdokumentation „Born To Boogie" drehte, während weitere Weltstars wie Elton John ebenfalls die Nähe zum neuen Glam-Phänomen suchten. Selbst David Bowie, der zeitgleich als Ziggy Stardust seinen Aufstieg feierte und mit dem sich Bolan den Produzenten Tony Visconti teilte, zollte dem Kumpel und Konkurrenten mit dem Song „Lady Stardust" Tribut. Bolan spielte währenddessen für Ike & Tina Turner die charakteristische Lead-Gitarre auf deren Hit-Single „Nutbush City Limits"; als Zeichen seines Durchbruchs kauft sich der Arbeiterklassensohn ohne Führerschein einen schneeweißen Rolls Royce.

Mittlerweile waren auch andere Acts wie Slade, The Sweet, Gary Glitter oder Suzy Quatro auf den Plan getreten und kopierten den T. Rex-Stil bin ins Detail. Da Bolan seine Sound-Ingredenzien aber auch weiterhin nur peripher variierte, musste er nun mit diesen Gruppen um das Interesse eines mehr und mehr übersättigten Teeniepublikums kämpfen, was zur Folge hatte, das 1973 die nach wie vor grandiosen Songs „20th Century Boy", „The Groover" und "Truck On (Tyke)" jeweils ein wenig weiter hinten in den Top Ten landen. Der erfolgsverwöhnte Egomane reagierte mit Unverständnis, veröffentlichte fleißig weitere Singles und rückte nur widerwillig von seinem „Signature Sound" in Richtung Bombast ab -- die im Frühjahr 1974 erschienene Single „Teenage Dream" hört sich wie Vorwurf und Abschied zugleich an.

Doch Bolan hatte noch ein weiteres Problem: Der omnipräsente Glamrock war bereits 1974 Schnee von gestern und die Kids hatten sich bereits anderen Trends und Idolen zugewandt. Mit Gattin Gloria Jones und dem neugeborenen gemeinsamen Sohn Rolan Bolan setzt sich der Glamstar 1975 ins Steuerexil nach Los Angeles ab; es wird von gesundheitlichen Problemen und Gewichtszunahme gemunkelt. 1976 kehren T.Rex mit einem etwas aufgedunsenen Marc Bolan für eine Nostalgie-Tour durch kleinere Hallen nach Großbritannien zurück; „I Love To Boogie" und „Laser Love" werden ihre letzten Top-40-Hits.

Interessanterweise verschonte die anbrechende Punk-Revolution Mitte der 1970er-Jahre die Glam-Vertreter völlig von ihrem Spott, vielmehr wurden deren Do It Yourself-Ansätze und Subkultur-Ursprünge als Vorbild-Charakter goutiert. Auch Marc Bolan erfuhr aus dieser Richtung unverhofft Respekt; mit der Gruppe The Damned geht er als Urvater des Punk auf eine gemeinsame Tournee. Die Wiederentdeckung von T. Rex durch eine neue Generation zeigt auch die TV-Sendung „Marc", in der Bolan alte Songs spielt und neue Musik-Acts vorstellt. In der sechsten und letzten Folge hat er den aus Berlin angereisten David Bowie zu Gast, der seinen neuen Song „Heroes" performt, während Bolan beim gemeinsamen Auftritt von der Bühne fällt.

Die Ausstrahlung der Sendung am 28. September 1977 sollte Marc Bolan nicht mehr erleben. Am 16. September -- zwei Wochen vor seinem 30. Geburtstag -- stirbt er bei einem nächtlichen Autounfall, den seine Frau Gloria als Fahrerin schwerverletzt überlebt. Bolan geht neben Jim Morrison, Janis Joplin und seinem Idol Jimi Hendix bald ins Panopitkum der Rocktoten der 1970er-Jahre ein. An Bolans Beerdigung, die ihn wahrer Glam-Manier mit Blumenschmuck in Schwanenform an seinen ersten Hit erinnert, nehmen David Bowie, Rod Stewart und Elton John teil.

Der Einfluss Marc Bolans auf nachwachsende Musiker-Generationen ist seitdem ungebrochen: Genreübergreifend haben so unterschiedliche Bands wie Siouxsie and The Banshees, Bauhaus, The Replacements, The Smiths, Violent Femmes, Duran Duran, Cornershop oder jüngst MGMT und Ty Segall dem Glam-Vorreiter Tribut gezollt. Im Jahr 1990 untermalt „20th Century Boy" einen Levis-Spot mit dem jungen Brad Pitt und lässt T. Rex von einer weiteren Fan-Generation neu entdecken. Für den Glam wird Marc Bolan in alle Ewigkeit derjenige sein, der die Zeichen der Zeit am schnellsten erkannte und adaptierte -- der erste Glamrockstar der Welt.